Nicht nur kritisieren – auch engagieren

Mario Beck

„Ich habe das immer stärker werdende Gefühl, dass sich unser Berufsstand selbst abschafft“, sagt Mario Beck – und fordert den Tierarztnachwuchs auf, nicht nur auf Facebook eine (kritische) Meinung zu haben, sondern diese auch selbst in die Verbände zu tragen.

Gastbeitrag von Mario Beck, FTA für Rinder

Hintergrund für diesen Gastbeitrag ist die immer lauter werdende Diskussion über die Arbeitsbedingungen junger Tierärzte in Praxen und an Universitäten (Artikelsammlung hier unter dem Tag „Assistenten“). Aktueller Aufhänger ist eine bpt-Podiumsdiskussion in Hannover mit dem Titel: “Wirklich immer im Dienst – unterbezahlt – ausgebeutet?” (wir-sind-tierarzt.de berichtete hier / Anm.d.Red.)
Mario Beck war Podiumsteilnehmer und möchte die Kritik an der Veranstaltung in konstruktive Bahnen lenken.

Die Resonanz auf die Diskussion in Hannover war durchaus positiv – für eine Veranstaltung, die doch einen sehr explosiven Hintergrund hat. Doch leider sind schon im Vorfeld viele negative Kritiken dazu gepostet worden, denen ich wie folgt antworte:

Wir schauen zu …

Ich habe das immer stärker werdende Gefühl, dass sich unser Berufsstand in jeder Hinsicht zunehmend selber abschafft. Wir schauen alle gemeinsam zu, wie sich Nachbarpraxen im Preis unterbieten … wir schauen gemeinsam zu, wie andere Berufsgruppen (und davon gibt es momentan mehr als 25 an der Zahl ) in unseren Berufsstand eindringen und immer mehr Arbeitsfelder abknapsen. Wir schauen alle gemeinsam dabei zu, wie AniCura und Co. den Markt der Kliniken Stück für Stück aufkaufen und die Preise in vielen Gegenden beherrschen werden.
Wir schauen auch alle gemeinsam dabei zu, wie uns vermutlich in nicht all zu langer Zeit das Dispensierrecht weggenommen werden wird. Wir schauen dabei zu, wie uns die schon lange zustehende Erhöhung der GOT vorenthalten wird, mit fadenscheinigen Erklärungen, dass Brüssel uns diese streitig machen wolle. Wir schauen auch gemeinsam dabei zu, wie unsere Kolleginnen und Kollegen an den Unis und in Praxen oder Kliniken unter zum Teil unterirdischen Bedingungen arbeiten müssen.

Wir fordern … beteiligen uns aber lieber nicht

Es ist furchtbar, zu sehen, was sich unser Berufsstand alles gefallen lässt und wie er sich von einem sehr geachteten (wenn auch früher schon nicht ohne Tadel gewesenem) zu einem in vielen Bereichen ersetzbaren Beruf gewandelt hat. Es ist traurig, zu sehen wie viele Tierärztinnen und Tierärzten wir sind, die wir eigentlich alle eine Meinung haben. Aber nur ein paar ganz wenige äußern sie auch an der richtigen Stelle. Es lehnen sich nur ganz wenige gegen Missstände auf (siehe München und Leipzig). Wir könnten soviel mehr bewegen, wenn die Energie nicht immer in kurzen Posts bei Facebook und Co. verpuffen würde. Wir fordern Gewerkschaften und Verbände – denen wir dann zuschauen wollen, wie die unsere Probleme lösen. Daran beteiligen wollen wir uns aber lieber nicht. Entweder aus Angst vor dem Chef, aus Zeit-, Geldmangel oder sonstigem.

Junge Tierärzte endlich ernst nehmen

Ich habe mich in den letzen drei Jahren ein wenig mit unserem Berufsstand und der Vertretung durch den Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) beschäftigt. Meine Erkenntnis: Dieser wäre eigentlich gar nicht so schlecht – wenn er denn durch junge und engagierte Kollegen einen neuen Anstrich bekäme. Leider glauben die Damen und Herren des bpt immer noch, dass wir (jungen) Tierärzte unzureichend vernetzt sind und das Interesse an der Lösung der Probleme unseres Berufsstandes fehlt. Aber dem ist eigentlich nicht so. Was uns fehlt, ist eine Standesvertretung die uns junge Tierärzte mit allen Sorgen und Problemen ernst nimmt und nach außen hin mit allem Vertritt, was ihr zur Verfügung steht.

Wir müssen selber mitwirken

Das kann aber nur damit starten, dass wir selber mitwirken. Von allein kommen die Herrschaften da nicht drauf. Ich bin schon während des Studiums in den bpt eingetreten und wollte eigentlich nach dem Schnupperjahr wieder austreten. Ich hatte das Gefühl, dass mir das nix, aber auch gar nix bringt. Aber beim FREIWILLIGEN Besuch einiger Mitgliederversammlungen ist mir klar geworden: Es würde sehr wohl etwas bringen, wenn wir nur etwas mehr junge Leute wären, die ihre Meinung bei einer solchen Veranstaltung vertreten.
Der Druck wächst nur durch die Zahl derer, die mitmachen. Ja, der bpt ist eigentlich für die Praxisinhaber gedacht gewesen … aber die Probleme unseres Berufsstandes kann man aus meiner Sicht am Besten in einer Gemeinschaft kommunizieren, die es schon gibt. Durch diesen Druck wurde auch der Arbeitskreis Assistenten im bpt gegründet. Der bemüht sich sehr, Meinungen und Problembilder sowie Argumente zu sammeln, um Lösungsvorschläge zu formulieren. Die Podiumsdiskussion in Hannover war nicht dazu gedacht, sofort Lösungen zu präsentieren, sondern erneut so öffentlichkeitswirksam wie möglich einen Dialog zwischen vielen verschiedenen Gruppen – Forschung, Wirtschaft, Bundesverband der Veterinärmedizinstudierenden (bvvd), Inhabern, Assistenten – herzustellen. Das verdient Anerkennung und keine herablassende Kommentare.

Anstatt nur zuzuschauen, wie unser Berufsstand immer schwächer wird – lasst uns in einen der Verbände eintreten und nach außen die Stärke demonstrieren, die der tierärztliche Berufsstand wirklich hat. Wir dürfen nicht darauf hoffen, dass andere unsere Probleme lösen. Das müssen wir schon selber anpacken. Wir sind stärker als wir denken. Wir lassen uns nur wie die Schafe viel zu viel gefallen.

(Der Text nimmt auf viele laufende berufspolitischen Vorgänge Bezug. Die wir-sind-tierarzt.de-Redaktion hat Verlinkungen ergänzt, die zu Hintergrundinformationen führen.)

Beitragsbild: Mario Beck (Bildmitte) auf der bpt-Podiumsdiskussion in Hannover. (Foto: ©WiSiTiA/Henrik Hofmann)

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