Grüne Agrarminister: Antibiotika-Rabatte abschaffen oder Dispensierrecht weg

Fachgutachten hin oder her, das tierärztliche Dispensierrecht bleibt ein Zankapfel. Die Grün-geführten Landwirtschaftsministerien der Bundesländer fordern: Entweder die Rabatte beim Antibiotika-Einkauf werden abgeschafft oder das Dispensierrecht muss weg.

von Jörg Held

Bei der Amtschef-Konferenz der Länderagrarminister im Januar in Berlin (Bedeutung siehe Kasten) gab es keinen offiziellen Beschluss zur Abschaffung des tierärztlichen Dispensierrechtes. Aber die Bundesländer wollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Verminderung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung zu erreichen. „Die Unterbindung wirtschaftlicher Anreize durch Mengenrabattierung bei der Abgabe von Antibiotika an Tierärzte“ gehört für die Länder zwingend dazu.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will zur Rabattierung zunächst ein Fachgutachten erstellen lassen, doch das reicht den Ländern nicht. Die Bundesregierung solle „andere Wege für ein Rabattverbot kurzfristig prüfen“.
In einer Protokollerklärung fordern außerdem sieben der 16 Bundesländer: Sollte es nicht zu einem Verbot der Rabattierung kommen, müsse die Bundesergierung eine Änderung des Arzneimittelgesetzes in die Wege leiten, „mit dem Ziel der Abschaffung des Dispensierrechtes für Tierärzte“.

Bundeswirtschaftsministerium gegen Rabattverbot

Hintergrund für den Vorstoß ist: Das für das Wettbewerbsrecht zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) hat signalisiert, dass ein Verbot von Rabatten und Festpreisregeln bei Antibiotika nicht mit der freien Marktwirtschaft vereinbar wäre. Das BMWI will hier also (momentan) nicht eingreifen.
Von einem Fachgutachten wiederum erwarten die Grünen wohl eher eine Bestärkung dieser Position und drängen daher auf eine politische Lösung. Völlig ungeklärt ist nämlich, wer überhaupt rechtlich legitimiert wäre, für welchen antibiotischen Wirkstoff welchen „Fixpreis“ festzusetzen: Die Unternehmen, die Politik, ein Ministerium? Ein Gremium wie in der Humanmedizin gibt es nicht. Und das Kernziel der Minimierung antimikrobieller Resistenzen – auch das zeigt die Humanmedizin –, ist nicht von Medikamentenpreisen abhängig.

Dispensierrecht erlaubt effektive Verordnungskontrolle

Schon das Fachgutachten der Bundesregierung zum Dispensierrecht hat ziemlich eindeutig geklärt, dass das tierärztliche Dispensierrecht für die Minimierung antimikrobieller Resistenzen eher hilfreich als schädlich ist. Einzig die „Rabatte beim Einkauf“ wurden auch im Fachdiskurs zum Gutachten kritisiert.
Die tierärztlichen Standesvertretungen selber sträuben sich nicht gegen ein Rabattverbot und/oder eine Festpreisregel. Das betonte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder auf einem Antibiotika-Fachgespräch der SPD in Berlin ausdrücklich.
Die Pharmaindustrie hält Festpreise dagegen für nicht marktkonform, könnte sich aber eine staatlich festgelegte Abgabe auf antibiotische Wirkstoffe vorstellen. Mit diesen Einnahmen wiederum könne die Politik dann Projekte zur Resistenzminimierung fördern.

AMK und ACK – wie politische Länderentscheidungen entstehen

  • Gesetzgeber ist in Deutschland der Bundestag. Viele Gesetze bedürfen aber einer Zustimmung durch den Bundesrat, die Vertretung der 16 Bundesländer – insbesondere, wenn die Umsetzung Länderaufgabe ist. Zur Abstimmung der Länderpositionen gibt es entsprechende „Konferenzen“ der Länderministerien. Für Nutztierhaltung/Tiermedizin sind meist die Agrarministerien zuständig, aber auch Verbraucherschutz- oder Umweltministerien beteiligt.
  • Zweimal jährlich tagt die Länder-Agrarminister-Konferenz (AMK – Protokolle finden sie hier). Diese wiederum wird von den Staatssekretären und Behördenchefs vorbereitet: der Amtschef-Konferenz (ACK). Beschlüsse der ACK sind politisch nicht bindend, zeigen aber die Positionen der Länder auf und sollen politische Signale setzen.
  • Angestrebt ist Einstimmigkeit, um gegenüber der Bundesregierung „stark“ auftreten zu können. Angesichts der Parteien-Lager ist dies bei eher politisch motivierten und nicht „reinen“ Länderinteressen geschuldeten Beschlüssen (wie etwa Geldverteilungsfragen) aber schwierig. Deshalb gibt es oft eher moderat formulierte Aufforderungen an die Bundesregierung, die dann durch „Protokollnotizen“ verschärft/präzisiert werden.
  • Beim Thema Rabattverbot/Dispensierrecht haben die Amtschefs der Ministerien von Baden-Württemberg (Grüne/CDU), Hamburg (SPD/Grüne), Hessen (CDU/Grüne), Niedersachsen (SPD/Grüne), Nordrhein-Westfalen (SPD/Grüne), Rheinland-Pfalz (SPD/Grüne), Schleswig-Holstein (SPD/Grüne) die Protokollnotiz formuliert – die Agrarministerien sind – bis auf Hamburg – alle Grün geführt.

Quellen:
Pressemeldung Rheinland-Pfalz (15.01.2016)
Fachgutachten der Bundesregierung zum Dispensierrecht (PDF-Download)

Teilen
Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)