Erste Eindrücke vom bpt-Kongress 2014

Eurotier: Gestresste Rinder und neugierige Kinder

Häufig waren die Nähe zu Eurotier und der Standort Hannover Anlass für Kritik. Mit knapp über 2.600 tierärztlichen Besuchern aber war der diesjährige Kongress des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) der best besuchte aller Zeiten. Berufspolitisch gab es einige hitzige Debatten. Das Fachprogramm wies dagegen manche Schwäche auf. 

Eurotier und bpt-Kongress: Hüben gestresste Rinder, drüben gestresste Berufspolitiker

Eurotier und bpt-Kongress: Hüben gestresste Rinder und neugierige Kinder, drüben gestresste Berufspolitiker und neugierige Praktiker

von Henrik Hofmann und Jörg Held

bpt-Kongress LogoWeil er alle zwei Jahre parallel zur weltgrößten Tiermesse Eurotier tagt, steht der bpt-Kongress dann immer wieder unter dem Zeichen der Nutztierpraxis. Die Führungen über die Eurotier waren dem entsprechend schon früh ausgebucht. Zu recht, denn die hier vorgestellten Produkte und Innovationen zeigen, welchen Weg die Landwirtschaft nehmen will und wird: Immer mehr, immer größer! Ob das der „richtige“ Weg ist, kann man hinterfragen.

Dauerbrenner Assistenten

Etliche Vorträge setzten sich mit Assistenten-Vergütung, Nachwuchsausbildung und Personalmanagement auseinander.
Stefan Thiele zollte der Tendenz Tribut, dass die Praxen und Kliniken immer größer werden und damit für Praktiker neue Probleme aufkommen: Wie erstelle ich Dienstpläne? Wie setze ich Spitzenkräfte ein? Wie passe ich Sprechzeiten an? Ingesamt werde es immer schwieriger und teurer, qualifiziertes Personal zu finden: „Wir sind froh, wenn sich drei bis vier Bewerber auf eine Stellenausschreibung melden. Früher konnte man aussuchen, heute nicht mehr!“ Besonders schwer, so Referent Dr. Carsten Vogt, hätten es die Pferdepraxen, da sie – um wettbewerbsfähig zu bleiben – 24-Stunden-Dienste anbieten müssten. Dr. Anne-Maren Marxen berichtete über die Beschäftigung schwangerer Mitarbeiterinnen. Und hielt dem Glauben, man spreche lieber gleich ein Beschäftigungsverbot aus, entgegen. Dr. Rolf Herzel widmete sich der Ausbildungspraxis und wie man zum Beispiel anhand von Ausbildungskatalogen den Nachwuchs auf die Praxis vorbereiten kann.

Welche „Wahl“ haben die bpt-Mitglieder 2015?

Welche Wahl haben

„Die Wahlfreiheit erhalten“

 „Wir wollen uns die Wahlfreiheit erhalten, jeden noch aktiven Praktiker in Vorstand und Präsidium wählen zu können.“
Mit dieser Begründung lehnte die bpt-Mitgliederversammlung 2014 einen satzungsändernden Antrag ab, der forderte, dass künftig „ausschließlich Mitglieder gewählt werden können, die noch nicht das gesetzliche Rentenalter erreicht haben“.
Die Wahlfreiheit, ein erfolgreich arbeitendes Team erneut wählen zu können, war allerdings auch das Argument der Antragsteller, die forderten, die Wiederwahl-Begrenzung des Präsidiums auf zwei Amtszeiten (acht Jahre) aus der Satzung zu streichen. Hier hielt die Mitgliederversammlung allerdings an der Begrenzung fest und lehnte auch diese Satzungsänderung mit über 2/3-Mehrheit ab. bpt-Präsident Dr. Hans Joachim Götz kann also 2015 nicht wiedergewählt werden.
Damit ist der Wahlkampf um seine Nachfolge eröffnet. An Namen kursieren derzeit Dr. Rainer Schneichel, Inge Böhne und Dr. Siegfried Moder – alles Kollegen aus der Großtierpraxis.

Streit um die Tierärzte-Ethik

Pikant: Während Tierärzte über Ethik diskutierten, litten gestresste Rinder und überhitzte, kurzatmige Schafe in den Hallen der Eurotier

Pikant: Während Tierärzte über Ethik diskutierten, litten gestresste Rinder und überhitzte, kurzatmige Schafe in den Hallen der Eurotier.

Es bleibt ein ungeheuer emotionales Thema: Der Ethik-Kodex der Bundestierärztekammer, der auf dem 27. Deutschen Tierärztetag im Oktober 2015 vorgestellt werden soll.
Für die einen ist es ein „Ethik-Kodex für alle Belange der Tierärzteschaft“ und eben „kein Tierschutz-Kodex“. Für die anderen ist Tierschutz und insbesondere das Verhalten der Tierärzte in Nutztierhaltungen das zentrale Thema – und entsprechend prominent wollen sie es in den Formulierungen berücksichtigt sehen. Die Fronten zwischen den Gruppen scheinen zunehmend verhärtet.
Insgesamt aber war das Interesse am – kurzfristig angesetzten und deshalb nicht im Programmheft abgedruckten – Berufspolitischen-Symposium zu diesem Thema eher gering. Von den rund 60 Zuhörern verließen viele nach und nach den Saal, als die Diskussion zum Schlagabtausch der Interessen wurde.
(einen ausführlichen Bericht finden Sie hier)

Berufspolitik – Dauerthema Dispensierrecht und GOT

In Sachen Gebührenordnung haben Deutschland und die EU unverändert ihre Differenzen. Doch die Bundesregierung setzt sich weiter für den Erhalt der GOT ein. Das betonte Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth auf der Berufspolitischen Kundgebung des bpt in Hannover,
Die EU dagegen will weiter deregulieren und alle den Wettbewerb begrenzenden Faktoren abschaffen. Dazu zählen aus EU-Sicht auch Gebührenordnungen. Hinter den Kulissen gab es vorsichtig optimistische Signale, dass es dennoch bald  zumindest eine pauschale prozentuale Erhöhung der GOT geben könnte. Die komplette Überarbeitung und Neustrukturierung der GOT aber dürfte weiter auf Eis liegen.
Zum Dispensierrecht gibt es ein Expertengutachten, über das die Politik am 4. Dezember in Berlin in einem ersten „Fachgespräch“ mit Verbänden (aktueller Bericht hier) diskutieren wird. Es schlägt nicht vor, das Dispensierrecht abzuschaffen, sondern bewertet ausführlich das Für und Wider. Im politischen Fokus steht dann momentan auch nicht die vollständige Abschaffung. Stattdessen wird überlegt, ob es einen Verdienst-Anreiz für Tierärzte durch Rabatte beim Antibiotika-Ein- und Verkauf gibt und wie man diesen ausschalten könnte.
(einen ausführlicheren Bericht finden Sie hier)

AMG: Doppelte Dateneingabe für die Antibiotika-Datenbank?

Wo muss der praktizierende Tierarzt künftig die Daten über seinen Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung eingeben (wenn ihn der Landwirt damit beauftragt hat): In die staatliche HIT-Datenbank und in die private QS-Datenbank?
„Eine einmalige Eingabe bei QS wird reichen“, war die Botschaft auf dem bpt-Kongress. Es gebe darüber eine mündliche Einigung zwischen Ländern, Bund und QS. Das offizielle schriftliche Protokoll der Vereinbarung liegt aber noch nicht vor. QS bestätigte, dass es technisch alle von der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) geforderten Daten sofort in HIT übermitteln könne. Strittig sind aber weiter einige Punkte, etwa die Begriffe Wirkdauer und Behandlungsdauer oder die Erfassung und Übermittlung der Tierzahlen in den Beständen als Durchschnittswert oder tagesgenau.
(einen ausführlichen Bericht finden Sie hier)

Wo sind die großen Firmen?

Auffallend war, dass einige große Firmen nicht beim Kongress vertreten waren. IDT, MSD/Intervet und Elanco etwa betrieben Stände auf der Eurotier, fehlten aber in der Industrieausstellung des bpt-Kongresses. 156.000 internationale Landwirtschaftsvertreter scheinen ein lohnenderes Publikum als 2.600 deutsche Tierärzte. Boehringer-Ingelheim und Zoetis waren auf beiden Messen vertreten, Bayer und Novartis dagegen weder hüben noch drüben.
Einen großen Sponsoring-Punkt übernahm dagegen VetConcept: Die wirklich hervorragende Kinderbetreuung etwa und die …

… „geilste Fete des Jahres“ …

lilalu

„We will rock you!“

… in der Münchner-Halle der Messe. So erlebten es jedenfalls viele Kollegen, die sich bis in die frühen Morgenstunden von der Musik einer Oktoberfest-erprobten (Alpen-)Rock-Band mitreißen ließen.
Die Fachthemen hingegen waren nicht ganz unumstritten unter den Praktikern. Manch einer fand in den Kleintiervorträgen zu wenig Neues, anderen waren mit den Nutztier-Veranstaltungen unzufrieden. Das liegt bei 2.600 Kongress-Teilnehmern mit zum Teil sicherlich dem unterschiedlichen Wissensstand und Anspruch aber vielleicht auch in der Natur der Dinge.
Der bpt Kongress 2015 lädt nach München ein. Dort findet sich vielleicht dann mehr für die „Kleintier-Fraktion“ unter den Tierärzten.

Bilder und Texte: (c)wisitia 2015 (hh, jh)

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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