Der seit 2016 aktive Bund angestellter Tierärzte (BaT) hat den Beobachterstatus bei der Bundestierärztekammer nicht erhalten. Die für die Aufnahme nötige Zwei-Drittel-Mehrheit kam nicht zustande. Klingt nach Formalie und Verweigerung der „Alten“, ist aber symptomatisch für zwei Punkte: Es fehlt dem BaT noch an Profil. Und den Angestellten bisher an Willen, in größerer Zahl auch wirklich für ihre Sache einzutreten. Einige Hintergründe/Zahlen und ein Kommentar.
von Jörg Held
Die Entwicklung ist auch in der Tiermedizin eindeutig: Von 40.500 Tierärzten in Deutschland (davon 10.900 nicht mehr aktiv im Beruf) arbeiten laut Deutscher Tierärztestatistik 2016 inzwischen rund 14.100 als Angestellte. Ihre Zahl hat sich damit binnen zehn Jahren von 9.500 (im Jahr 2007) um fast 50 Prozent gesteigert.
Die tierärztlichen Angestellten verteilen sich aktuell zu größten Teilen auf diese Gruppen*:
- 7.960 angestellte Tierärzte in der Praxis
- 4.650 angestellte Tierärzte im öffentlichen Dienst
- 1.520 angestellte Tierärzte in der Industrie/Privatwirtschaft
Frauen sind dabei mit 10.800 (knapp 77 %) klar in der Mehrheit.
Bund angestellter Tierärzte: Eine Tierärztegewerkschaft?
Der seit 2016 aktive Bund Angestellter Tierärzte (BaT) hat allerdings bisher erst 160 Mitglieder gewinnen können. Davon seien rund 130/140 tatsächlich angestellte Tierärzte und die weiteren Studierende der Veterinärmedizin oder Fördermitglieder. So stellte es der Vorsitzende Dr. Christian Wunderlich der Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer (BTK) vor. Aktiv im Verband arbeiteten etwa zehn Prozent (= 16 Tierärzte).
Erklärtes Ziel des BaT ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen angestellter Tierärzte, insbesondere die Einhaltung des geltenden (Arbeitszeit)Rechts und eine angemessene Arbeitsvergütung.
Vor diesem Hintergrund hatte der BaT als Interessenvertretung tierärztlicher Angestellter um Zuerkennung des „Beobachterstatus“ bei der Bundestierärztekammer (Erklärung siehe unten) gebeten – und wurde dabei auch vom BTK-Präsidium unterstützt. Zwei-Drittel der BTK-Delegierten hätten dem Antrag zustimmen müssen. Mit 28 Ja- und 28 Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen kam diese Mehrheit aber nicht zustande – nach durchaus kontroverser Debatte.
wir-sind-tierarzt.de kommentiert: Assistenten, organisiert Euch!
(jh) – Einerseits ist es Schade, dass die tierärztlichen Angestellten in den Tierarztpraxen/Kliniken – die Hauptzielgruppe des BaT – jetzt noch keinen „eigenen Sprecher“ in der BTK-Delegiertenversammlung haben.
Andererseits sind 130 „echte“ BaT-Mitglieder bei der gut 14.000 Menschen umfassenden, selbstdefinierten tierärztlichen Zielgruppe – „alle angestellten sowie eine Anstellung anstrebenden Tierärzte in der Praxis sowie in Behörden, in der Industrie und Forschung“ – auch noch keine wirklich legitimierende Basis für eine Interessenvertretung mit Rückhalt im Berufsstand.
Ob diese weitgefasste Zielgruppe überhaupt zielführend ist, sollte deshalb auch der BaT noch einmal überdenken. In der Diskussion auf der BTK-Delegiertenversammlung „beharrte“ der BaT-Vorsitzende auf einem Vertretungsanspruch auch für die 4.700 tierärztlichen Angestellten im Öffentlichen Dienst. Die sind de facto aber tarifvertraglich bereits durch Verdi und berufsständisch zu großen Teilen durch den BbT (als Vereinigung der Tierärztinnen und Tierärzte im öffentlichen Dienst) repräsentiert. Sich da als „Konkurrenz“ zu positionieren, könnte die entscheidenden Ja-Stimmen gekostet haben.
Dass es dringend nötig ist, für die „Assistenten“ in der Praxis und auch das Arbeitsgebiet Universitäten (Doktoranden) eine vor allem tarifpolitische Vertretung zu haben, ist unbestritten. Zu groß sind hier Probleme mit Arbeitszeit und Bezahlung – nachzulesen u.a. hier: Bittere Tierarztgehälter: Jeder Zehnte unter Mindestlohn.
Trotzdem wird der BaT in der Tierärzteschaft noch nicht als relevante Angestelltenvertretung wahrgenommen. Das lässt sich auch erklären:
- Der öffentliche Dienst ist mit Verdi und BbT weitestgehend abgedeckt.
- Für die angestellten Tierärzte, die praktizieren, übernimmt der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) den berufspolitischen Teil der Interessenvertretung: Unter den rund 8.200 bpt-Mitgliedern sind knapp 1.900 Assistenten (23 %) und 4.500 Praxisinhaber (55 %)**.
- Für den BaT bleibt also die wichtige Rolle als „Gewerkschaft“ und potentieller Tarifvertragspartner für Tierärzte in Praxen und Kliniken (analog zum Marburger Bund in der Humanmedizin). Diese Aufgabe darf der bpt satzungsgemäß und tarifrechtlich nämlich nicht übernehmen, da dort beide, Seiten – Arbeitgeber und Angestellte – Mitglied sind.
Der BaT muss also sein Profil schärfen – und Mitglieder gewinnen.
Für die tierärztlichen Angestellten in Praxis und Klinik gilt deshalb: Organisiert Euch!
Es reicht nicht, in Sozialen Medien und Umfragen über schlechte Bezahlung und rechtswidrige Arbeitszeiten zu klagen: Die BaT-Facebookgruppe hat 2.700 Mitglieder. Man muss auch in der realen Welt aktiv werden und selbst öffentlich für Verbesserungen eintreten.
Die Aufgabe kann und will der BaT übernehmen. Dazu braucht er aber eine angemessen starke Basis.
Hintergrund: Bundestierärztekammer und der Beobachterstatus
Die Bundestierärztekammer e.V. (BTK) ist die als eingetragener Verein organisierte Arbeitsgemeinschaft der 17 Landestierärztekammern (LTK) und versteht sich als deren Dachorganisation.
Die rund 40.000 approbierten Tierärzte in Deutschland sind wiederum Pflichtmitglied in der Landestierärztekammer ihres Bundeslandes (Linkliste siehe unten – NRW hat 2 LTKs). Die LTKs nehmen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes hoheitliche und Selbstverwaltungsaufgaben des Kammerberufes wahr und vertreten die Tierärzteschaft auf Länderebene. Sie entsenden Delegierte in die Bundestierärztekammer.
Die BTK-Delegiertenversammlung (DV) wählt das BTK-Präsidium und die Vertreter tierärztlicher Fachausschüsse. Sie tagt zweimal jährlich und beschließt die grundsätzliche standespolitische Ausrichtung. Die BTK unterhält eine Geschäftsstelle in Berlin und vertritt auf Basis der DV-Beschlüsse die Belange aller Praktiker, Amtsveterinäre, Wissenschaftler und Tierärzte in anderen Berufszweigen gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit auf Bundes- und EU-Ebene.
Über die Kammermitgliedschaft und die demokratischen Strukturen ist also indirekt jeder approbierte Tierarzt in der BTK vertreten – und kann sich auch persönlich über ein Engagement auf Länderebene für den Berufsstand einsetzen (Kammerwahl).
Was sind „Beobachter“?
Die BTK-Delegiertenversammlung kann mit Zweidrittelmehrheit zusätzlich Organisationen, in denen sich Tierärztinnen und Tierärzte einzelner Berufszweige zusammenschließen, auf Antrag als „Beobachter“ zulassen. Derzeit führen zwölf Berufsverbände und -gemeinschaften diesen Beobachterstatus (Linkliste siehe unten).
Beobachter haben laut Satzung der Bundestierärztekammer das Recht,
- zu den Delegiertenversammlungen einen Vertreter ohne Stimmrecht zu entsenden. Ihnen kann das Wort erteilt werden.
- in einer eigenen Rubrik im „Deutschen Tierärzteblatt“ Informationen über ihre Verbandsarbeit in angemessenem Umfang nach Verfügbarkeit kostenfrei zu veröffentlichen – und so alle Kammermitglieder bundesweit zu erreichen.
- Delegierte mit Stimmrecht zum alle drei Jahre tagenden höchsten Gremium der deutschen Tierärzteschaft, dem Deutschen Tierärztetag zu entsenden.
Beobachterorganisationen sind also in die berufspolitische Entscheidungsfindung mit eingebunden.
Linkliste der tierärztlichen Organisationen mit Beobachterstatus bei der BTK
Bundesverband beamteter Tierärzte (BbT)
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG)
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT)
Fachgemeinschaft der Industrie-Tierärzte
Gemeinschaft der Sanitätsoffiziere
Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz (BAG – keine Internetpräsenz)
Tierärzte an der FU-Berlin
Tierärzte an der JLU Gießen
Tierärzte an der TiHo Hannover
Tierärzte an der VMF Leipzig
Tierärzte an der LMU München
Bundesverband der Veterinärmedizinstudierenden (bvvd)
Der Bundesverband der praktizierenden Tierärzte (bpt) – mit rund 8.200 Mitgliedern** größter Tierarztverband – ist nicht als Beobachterorganisation in die BTK eingebunden. Er ist dennoch indirekt vertreten, da viele Delegierte der Länderkammern berufspolitisch auch im bpt engagiert sind. Traditionsgemäß wählen die BTK-Delegierten auch den bpt-Vorsitzenden als „Ressortverantwortlichen Praktische Berufsausübung“ in das erweiterte BTK-Präsidium.
Linkliste der Landes-/ Tierärztekammern
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Westfalen-Lippe
Quellen:
Webseite der Bundestierärztekammer
BTK-Satzung
Bericht des BaT über die BTK-Delegiertenversammlung
Zahlen:
*Deutsche Tierärztestatistik 2016 (PDF-Doenload)
** bpt-Jahresbericht 2016 (PDF-Download)