bpt-Kongress 2015: Erfolgreich in München

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Zu weit nördlich, zu weit östlich, zu sehr in der Mitte, zu weit südlich? Der Austragungsort des bpt-Kongresses ist immer diskussionswürdig. Mit 1.680 zahlenden Tierärzten war die bayerische Hauptstadt aber der bisher bestbesuchte „Süd-Kongress“. Geboten wurde ein sehr breites Spektrum rund um Medizin und Berufspolitik.

von Henrik Hofmann und Jörg Held

bpt-Kongress-logo-2015Der jährliche Kongress des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte stellt seine Besucher vor ein ähnliches Problem wie der Leipziger Tierärztekongress: Wohin gehen? Die Themen sind vielfältig und vielversprechend, die Themenbereiche extrem breit aufgestellt – berufspolitisch von Antibiotika über Tierschutz bis zu GOT und der Beteiligung von Kapitalgesellschaften an Praxen; fachlich mit Vorträgen zu allen Tierarten inklusive Exoten über Praxisführung bis zu Lebensmittelsicherheit. Und dann wird auch noch fachlich differenziert zwischen Einstiegs- und „Next-Level-Inhalten für weit Fortgeschrittene.

Nachdem der Vorverkauf ein wenig "geschwächt" hatte, gab es am Eingang eine lange Warteschlange

Nachdem der Vorverkauf ein wenig „geschwächlt“ hatte, gab es am Eingang eine lange Warteschlange. (Foto: © WiSiTiA/hh)

Man musste sich also entscheiden in München und einiges blieb da zwangsläufig auf der Strecke. So bekamen viele Themen, nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. Gut gefüllte Reihen gab es etwa bei der Auftaktveranstaltung zur Nutztierpraxis zwischen Vision und Realität oder dem Symposium zu Antimikrobiellen Resistenzen mit humanmedizinischer Beteiligung*. Dagegen verliefen sich keine 30 Teilnehmer zum gemeinsam mit dem Deutschem Tierschutzbund organisierten Themenkreis „Tierschutz in der Kleintierpraxis“. Auch beim politischen Round-Table der Präsidenten aus Österreich, der Schweiz und Deutschland blieb die Hälfte der Plätze frei. Die 40 Mitdiskutierenden stammten praktisch alle aus dem kleinen Kreis der berufspolitisch Aktiven, ergänzt um berufspolitisch engagierte Kollegen aus Europa (von Dänemark bis Spanien). Praktiker zeigten am Samstagnachmittag  wenig Interesse an Berufspolitik.

Ewiges Thema: Antibiotikaeinatz erreicht auch Kleintierpraxis

Beherrschendes politisches Thema waren – wieder einmal und werden es wohl auch noch länger bleiben– die Antibiotika. Die Verordnungsmengen sinken deutlich. Das sagen die offiziellen Zahlen, sowohl die Tonnenangaben als auch der neue Therapieindex berechnet nach Arzneimittelgesetz (AMG). Gesetzgebung und auch Bewusstseinswandel wirken also. Schwierig bleibt die „öffentliche“ Bewertung. Hier haben es die Tierärzte schwer, mit fachlichen Positionen Gehör zu finden – etwa bei der „Reserveantibiotika“-Diskussion. Eingriffe in die Therapiefreiheit werden mit einer Änderung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TäHAV) kommen.
Das Thema wird künftig auch die Kleintierpraktiker stärker betreffen, denn während das MRSA-Resistenzproblem in der Humanmedizin gerade rückläufig ist und es bei der Keimbestimmung hier nur niedrige einstellige Überschneidungen zwischen Mensch und Tier gibt, ist es bei den ESBL anders: Hier steigen die Resistenzzahlen. Und hier geht es auch nicht mehr allein um die Antibiotikamenge, sondern viel mehr um die Verbreitungswege und die hohe Mobilität der Resistenzgene. Das betrifft besonders die Haustiere, denn Hund & Katze sind schlicht näher dran am Menschen. Sie teilen nicht nur Wohnung oder gar Bett, sondern auch unmittelbar ihre Mikrobiota.

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EU macht weiter Druck auf GOT und Dispensierrecht

Die EU bleibt der „Böse“ in Sachen Druck auf GOT und Dispensierecht. Bei letzterem kommen auch aus den (grün-mitregierten) Bundesländern immer wieder Attacken. Aber Ministerialbeamte aus dem Bundeslandwirschaftsministerium (BMEL) bekannten sich klar zum Fortbestand des Dispensierrechtes. Die GOT bleibt aber weiter umstritten. Die EU sieht Gebührenordnungen jeder Couleur per se als Wettbewerbshindernis und hat gegen Österreich deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Der österreichische Tierärztekammer-Präsident aber signalisierte, dass man die EU-Kommission von der Regelkonformität habe überzeugen können. Und so gab es auch vorsichtige Signale aus dem deutschen BMEL, dass sich die Politik im nächsten Jahr womöglich endlich doch zu einer überfälligen linearen GOT-Erhöhung durchringen kann. Ausgestanden ist das Thema aber noch keineswegs.

Praxis-Ketten in Hedge-Fonds-Hand?

Das Thema „Praxis-Ketten“ – oder wie in München mehrfach formuliert: „Hedge-Fonds kaufen Tierarztpraxen“ – tauchte  immer wieder auf. Viele Kollegen empfinden das mittlerweile als realistische „Bedrohung“, eine Konkurrenz, die marktbeherrschend werden könnte – und es in Skandinavien bereits ist. Andere sehen es als Chance. Die Älteren hoffen auf solvente Käufer für ihre Praxen, die Jüngeren sehen in den großen Ketten (wie etwa AniCura) potentielle Arbeitgeber für adäquat bezahlte Angestellte bei planbaren Arbeitszeiten. Die Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen. Beim politischen „Round-Table-Gespräch“ der Präsidenten überwog Skepsis bis Sorge und es gab auch heftige Ablehnung: Was wird aus dem Tierarztberuf als Freier Beruf? Was aus der persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung?

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Die Praxis-Management-Experten und Referenten Thomas Rieker, Hans-Peter Ripper und Kai Kreling. (Foto: © WiSiTiA/hh)

Tierärzte müssen besser verkaufen

Diese „Ketten“-Diskussion und die Praxismanagement-Vorträge gehören unmittelbar zusammen. Der deutsche Markt ist für Investoren interessant, weil offensichtlich viele Praxen ihr ökonomisches Potential nicht ausschöpfen. Von Renditeerwartungen der Investoren bis 15 Prozent ist zu hören. Tierärzte brauchen also unbedingt mehr unternehmerisches Know-How. Die Vorträge zum Praxismanagement , etwa von bpt-Wirtschaftsberater Hans-Peter Ripper und den Klinikinhabern/Geschäftsführern Thomas Rieker und Dr. Kai Kreling, waren in diesem Jahr ein besonderes Kongress-High-Light. Kreling bot in seinem sehr breit angelegten Vortrag einen guten Überblick zum Thema Verkaufen, gab Tipps, wie man seine Praxis gegenüber Mitbewerbern positionieren kann, schilderte, wie wichtig es ist, nicht über den (Tief)Preis zu verkaufen, sondern über die Leistung.

Partnerland Ungarn

Erstmals in seiner über 60-jährigen Geschichte wählte der bpt ein Gastland zum Kongress. Hintergrund ist, dass bereits über 1.600 deutsche Tiermediziner in Budapest studiert haben. So wurden in der Vortragsveranstaltung „Ungarn“ Einblicke in aktuelle berufspolitische Probleme und wissenschaftliche Erkenntnisse aus Ungarn vermittelt. Außerdem stellen Referenten der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Budapest in Vorträgen aktuelle Arbeitsschwerpunkte aus den Bereichen Kleintier- und Pferdemedizin vor. Gastlandpartner beim nächsten bpt-Südkongress soll 2017 die Schweiz sein.

Party-Nacht weiter legendär

Ein weiteres Highlight war das Get Together, unterstützt von Vet-Concept, das diesmal unter dem Motto „München trifft Budapest“ stand. Aber bayrisch weiß-blau dominierte, von den Ungarn nahm man leider nicht mehr als drei Folklore-Musiker wahr, die an den einzelnen Tischen musikalische Wünsche erfüllten. Die „bayerische“ Brezeln-Bewirtung dagegen war unübersehbar.

Das ab 1. November 2015 amtierende neue bpt-Präsidium (v.l.n.r.): Rolf Herzel, Dr. Maren Hellige, Dr. Uta Seiwald (Beisitzer), Karl-Heinz Schulte (2. Vizepräsident), Dr. Andreas Palzer (Beisitzer), Dr. Siegfried Moder (Präsident), Jan Wolter (Beisitzer), Dr. Petra Sindern (1. Vizepräsidentin), Anna Lam (Schatzmeisterin). (Foto: @bpt/Jan Rathke)

Das ab 1. November 2015 amtierende neue bpt-Präsidium (v.l.n.r.): Rolf Herzel, Dr. Maren Hellige, Dr. Uta Seiwald (Beisitzer), Karl-Heinz Schulte (2. Vizepräsident), Dr. Andreas Palzer (Beisitzer), Dr. Siegfried Moder (Präsident), Jan Wolter (Beisitzer), Dr. Petra Sindern (1. Vizepräsidentin), Anna Lam (Schatzmeisterin). (Foto: @bpt/Jan Rathke)

Neuwahl des bpt-Vorstandes

Die Vorstandswahlen bestimmten die bpt-Mitgliederversammlung einen Tag vor Kongressbegin. Neuer Präsident ist Dr. Siegfried Moder, Rinderpraktiker und bpt-Landesverbandsvorsitzender aus Bayern. Er setze sich klar gegen Inge Böhne aus Niedersachsen durch. 1. Vizepräsidentin wurde Petra Sindern, Kleintierpraktikerin aus Hamburg und zuletzt Beisitzerin im Präsidium; 2. Vize ist Karl-Heinz Schulte aus Nordrhein.
bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz durfte satzungsbedingt nach zwölf Jahren Amtszeit nicht wieder antreten. Die Mitglieder wollten – das zeigte auch die Stimmenverteilung – eine neue Mannschaft. Deshalb finden sich fünf neue Namen, darunter zwei Assistentinnen im neuen Präsidium. Alle Namen, Wahlergebnisse und Funktionen auch der neuen Beisitzer finden sie hier.

Fazit

(hh) – Die Fachvorträge waren großteils gut, vor allem die Rinder-Kollegen kamen auf ihre Kosten. Besonders positiv war, dass immer genügend Raum zur Diskussion blieb – etwa zum Thema Leitlinien in der Pferdemedizin, ob man die Anerkennung von „Tierheilpraktikern“ verhindern wolle (oder gar fordere) oder ob die gesetzlichen Vorgaben reichen, um Qualzuchten zu bekämpfen. Das Internationale Congress Centrum München (ICM) war als „Location“ zum Arbeiten gut, große Säle, moderne Technik, Platz für eine umfangreiche Industrieausstellung – das ist der Vorteil einer Messe-Umgebung. Aber für München gilt dabei das gleiche wie für Hannover und Leipzig. Die Messegelände sind so weit von der Innenstadt entfernt, dass ein entspannender Stadtbesuch zwischendurch kaum möglich war.

Mit München hat der bpt-Kongress jetzt auch seinen zweiten festen Standort gefunden. Bisher wechselte der bpt-Kongress immer zwischen Hannover – jeweils im Jahr der Eurotier – und einer anderen (süd)deutschen Stadt. Künftig sollen es fix Hannover (2016) und München als dauerhafter Süd-Standort bleiben (2017). Die Teilnehmerzahlen waren mit 1.680 zahlenden Besuchern und insgesamt deutlich über 2.000 Gästen die besten eines bpt-Südkongresses bisher.

Fotos und Slideshow: © 2015 Henrik Hofmann/WiSiTiA

 

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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