Mit Spannung wurde sie erwartet: Mit der Deutschen Vet wagt sich erstmals ein ausländischer Veranstalter auf den Markt der deutschen Tierarztkongresse. Eine erste Bilanz der Auftaktveranstaltung. Knapp 1.000 Tierärzte kamen nach Köln.
von Jörg Held
Neugier war das vorherrschende Motiv für viele Besucher: Was machen die Briten anders? Ist die Deutsche Vet nun eine Fachmesse mit Fortbildungsangebot oder eine Fortbildung mit Fachausstellung? Funktioniert das Konzept der London Vet Show auch in Deutschland?
Einiges jedenfalls macht der Neue anders: Veranstaltungsort ist eine einzige Halle der Köln-Messe. In ihr spielt sich alles ab. Um die zentrale Fachausstellung herum sind die sogenannten Theater-Säle angeordnet – in Köln zwei große durch Vorhänge abgetrennte Vortragsbereiche, dazu kommen mehrere Seminar- und Workshopzonen. Eine davon zentral inmitten in der Fachausstellung platziert. Diese Art der Vortragsbühne ist vor allem für Unternehmensworkshops interessant – und als solche etwa Besuchern der EuroTier bekannt.
Nichts geht ohne Barcode
Ungewohnt auch das digitale Ticketing: Scannen zum Eintritt in die Messe, scannen beim Betreten einer jeden Vortragsarea und ohne Scan gibt es auch keine ATF-Bescheinigung. Was bei Messen üblich und international auch auf Tierarztfortbildungen längst Standard ist, kommt jetzt nach Deutschland.
Vorträge: Gemischte Resonanz
Das Konzept der Fachvorträge in abgetrennten Bereichen neben der Industrieausstellung ist typisch für die Vet Shows der Briten – in Köln war das Hintergrundrauschen der Ausstellung für einige Teilnehmer gewöhnungsbedürftig.
Das tiermedizinische Fachprogramm gestalteten die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und das Royal Veterinary College London ergänzt um weitere internationale Referenten. Eine erste – nicht repräsentative – Sammlung von Reaktionen, fiel gemischt aus: Sie reichte von „sehr praxisorientiert, da kann man echt was mit anfangen“, bis zur Enttäuschung, dass man von „international bekannten Namen dann doch nur ‚Basics‘ hört“.
Genau diese Internationalität vieler, für den deutschen Vortragsmarkt neuer „Speaker“, wurde aber auch sehr positiv registriert. Sie vermittelten neue Aspekte und Ansätze. Kritische Anmerkung hier: Die ein oder andere Medikamentenempfehlung war nicht so ganz mit dem deutschen Arzneimittelrecht vereinbar.
Der Fokus auf klare, praxisorientierte Botschaften, mit denen der Veranstalter ganz gezielt jüngere Tierärzte ansprechen will, ist Teil des Vet Show-Konzeptes.
Der Rücklauf der Teilnehmerbefragung wird klären, welche Wahrnehmung letztlich überwog.
Zeitkonzept: Vorträge im Stundentakt
In den beiden „Theater-Sälen“ starteten die jeweils auf eine Stunde ausgelegten Vorträge mit 15 Minuten Zeitversatz. Dazwischen gab es zwar je 20 Minuten Pause, längere Pausen aber fehlten. Die Messetage sind straff durchgetaktet. Auch das ist Teil des Formates.
Wer also zwischen den zwei Sälen pendeln wollte, hatte durch den Zeitversatz nur etwa fünf Minuten, um die Ausstellung zu durchqueren. Vor allem die Aussteller empfanden dies als „zu knapp“. Ein etwas anderes Zeitkonzept ist für 2018 in der Überlegung.
Aussteller: Auftakt ohne die „Großen“
Zum Auftakt fehlten in Köln auch noch die „großen“ Stände fast aller bekannten Pharmafirmen. Trotzdem umfasst das Ausstellerverzeichnis 111 Unternehmen.
Deutliche Ausstellerkritik gab es am hohen Administrationsaufwand im Vorfeld. Dies aber lag vor allem an den bürokratischen Anforderungen der Köln Messe. Deshalb hatten einige Aussteller sogar auf eine Teilnahme verzichtet. Hier muss die Messe nachbessern.
Fest steht schon jetzt, dass man 2018 eine andere Hallenebene (4.2). bespielen wird. Und dass die Ausstellungsfläche erweitert wird.
All inclusive: Seminare und Workshops im Preis enthalten
Auch das Preiskonzept der Briten für die Teilnehmer ist neu für Deutschland: All inclusive mit erheblichen Frühbucherrabatt – wer als 2017er-Teilnehmer vor Ort oder unmittelbar im Nachgang die Teilnahme für 2108 bucht, ist schon für 79.- Euro dabei. Im Preis sind alle Vorträge, Workshops und Seminare enthalten.
Verpassen kann man nichts. Etwa vier Wochen nach dem Termin sollen die Vorträge als Video-Webinare online sein – für Teilnehmer.
Der Veranstalter: Britische Messe-Profis
Veranstalter deutscher Tierarztkongresse hatten bisher immer einen Tierarztbezug. Entweder über die Kammern – 2017 zum Beispiel in Bayern, NRW oder Leipzig 2018 – oder den bpt (Kongress 2017 in München). Ansonsten engagieren sich Tiermedizinverlage: Enke mit Baden-Baden und 2018 plant die Schlütersche Verlagsanstalt als Partner des Niedersächsischen Tierärztekongress die Rückkehr in den Markt. Dazu kommen die DVG-Angebote oder die von einer Tierärzte GbR organisierte PetVet.
Die Auflistung zeigt aber auch: Die deutsche Kongresslandschaft ist sehr dicht besetzt.
Hier steigt jetzt mit dem Veranstalter der Deutschen Vet – der britischen Closer Still Media –erstmals ein Unternehmen ein, dass sich auf Messen und Tagungen spezialisiert hat. 43 Veranstaltungen in verschiedensten Branchen organisiert man aktuell pro Jahr. Die Financial Times attestiert CSM das „am schnellsten wachsende Ausstellungskonzept in Europa“.
In der Tiermedizin „exportieren“ die Briten das Konzept ihres „Flaggschiffs“ der London Vet Show (Start 2009 – 5.500 Besucher / über 450 Aussteller im Jahr 2016) inzwischen nach Europa und Übersee: Die France Vet startete 2013 in Paris (über 2.000 Besucher 2016); für die Deutsche Vet hat man Köln ausgewählt; in den USA ist New York der Standort.