Neue OIE-Zahlen: Die weltweite Anwendung von Antibiotika in der Tiermedizin

3. Report der OIE zum weltweiten Antibiotikaverbrauch bei Tieren (Grafik: OIE)

Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hat ihren dritten Report zum weltweiten Einsatz von Antibiotika veröffentlicht. Die gute Nachricht: Die Tiermedizin setzt weltweit überwiegend Wirkstoffklassen ein, die für die Humanmedizin nicht besonders wichtig sind. Tetrazykline und Penicilline machen zusammen fast die Hälfte der verbrauchten Antibiotika aus.

(aw) – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet unter anderem Polypeptide (Colistin) und die Cephalosporine der 4. Generation als Reserveantibiotika. Diese Klassen sollten nach dem Willen der WHO nur bei Menschen eingesetzt werden dürfen. Auch auf europäischer Ebene hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gerade diese beiden Wirkstoffe und zusätzlich Cephalosporine der 3. Generation und Quinolone in die Kategorie restrict (= Anwendung beschränken) eingeordnet.
Die aktuellen Verbrauchszahlen der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) zeigen, dass in der Tiermedizin überwiegend mit Wirkstoffklassen gearbeitet wird, die WHO und EMA als weniger kritisch ansehen – allen voran Tetrazyklinen (34,5%) und  Penicillinen (15,2%). Die Daten legte die OIE Mitte Februar vor. Es ist der 3. Antibiotika-Report für die Tiermedizin weltweit (mit Daten aus dem Jahr 2017).

Prozentuale Verteilung der angewendeten Antibiotika-Wirkstoffklassen (Grafik: © OIE)

Der Einsatz von Cephalosporinen und Fluorquinolonen bei Tieren scheint weltweit bereits jetzt restriktiv zu erfolgen, denn die Cephalosporine der 3. und 4. Generation haben in keiner erfassten Region einen höheren Anteil als 0,4 Prozent. Die Fluorquinolone kommen auf einem Anteil von maximal 3,4 Prozent an den eingesetzten Medikamenten. Einzige Ausnahme: In afrikanischen Ländern erfreuen sich die „sonstigen Quinolone“ (außer Fluorquinolon) im Bereich der Geflügelhaltung großer Beliebtheit. Die Autoren des Reports weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Antibiotika in manchen Regionen auch nach Verfügbarkeit ausgewählt werden. In einigen afrikanischen Ländern scheinen die sonstigen Quinolone leicht verfügbar und vermutlich kostengünstig erhältlich zu sein.

Colistin weiterhin häufig verwendet

Sorgenkind ist einmal mehr Colistin. Die Humanmedizin möchte den Wirkstoff für die Tiermedizin am liebsten komplett verbieten, doch in einigen Regionen und Ländern wird Colistin – vorzugsweise zur Behandlung von Geflügel – immer noch häufig verwendet. In der Region Asien/Ozeanien liegt der Anteil von Colistin an den verbrauchten Antibiotika bei fast 14 Prozent.
Auch in Deutschland möchten die Geflügelpraktiker den Wirkstoff aufgrund seiner guten Wirksamkeit und geringen Resistenzbildung ungern aufgeben. Im gesamten Europa macht Colistin insgesamt nur 2,2 Prozent der eingesetzten Wirkstoffmenge aus, was daran liegt, dass einige Länder bereits jetzt freiwillig auf den Einsatz von Colistin verzichten.

Antibiotikaeinsatz nach Regionen der Welt

Der OIE-Report unterschiedet zwischen zwei Arten von Angaben:
Quantitave Angaben zum Einsatz der häufigsten fünf Wirkstoffgruppen
(nicht berücksichtigt sind „andere Klassen“ oder Kombinationspräparate) pro Region stammen von 116 Ländern – und zwar von 33 aus Afrika, 19 aus Nord- und Südamerika, 25 aus Asien, 38 aus Europa und einem aus dem mittleren Osten. Die übrigen 39 Länder, die sich am Report beteiligt haben, haben lediglich qualitative Angaben über den Einsatz von Antibiotika übermittelt.

Afrika N.+ S.- Amerika Asien, Ozeanien, Austalien Europa gesamt
Tetrazykline (31,7%) Tetrazykline (40,8%) Tetrazykline (31,2%) Tetrazykline (41,2%) Tetrazykline (34,5%)
Sonst. Quinolone (9,4%) Penicilline (9,2%) Penicilline (16,8%) Penicilline (20,2%) Penicilline (15,2%)
Sulfonamide (9,1%) Sulfonamide (7,3%) Polypeptide (13,6%) Sulfonamide (11,7%) Polypeptide (10%)
Makrolide (8,8%) Makrolide (5,8%) Makrolide (11,8%) Makrolide (8,1%) Makrolide (9,8%)
Penicilline (4,9%) Streptogramine (5,1%) Sulfonamide (4,3%) Aminoglykoside (4,4%) Sulfonamide (6,0%)
Polypeptide (2,8%) Polypeptide (3,8%) Polypeptide (13,6%) Polypeptide (2,2%) Polypeptide (10%)
Fluorquinolone (2,3%) Fluorquinolone (3,4%) Fluorquinolone (1,8%) Fluorquinolone (2,4%) Fluorquinolone (2,3%)
3.+4.Gen. Cephalosporine (0%) 3.+4.Gen. Cephalosporine (0,3%) 3.+4.Gen. Cephalosporine (0,4%) 3.+4.Gen. Cephalosporine (0,2%) 3.+4.Gen. Cephalo sporine (0,3%)

Die Daten des aktuellen dritten Reports lassen sich nicht mit den beiden vorherigen Erhebungen vergleichen (wir-sind-tierarzt berichtete über die Zahlen 2016 hier). Es ist also nicht möglich zu sagen, ob einige Wirkstoffklassen öfter oder weniger oft eingesetzt werden als in der letzten Erhebung. Das liegt daran, dass die Anzahl der Länder ,die quantitative Daten übermitteln kontinuierlich ansteigt. Während für den ersten Report 89 Länder quantitative Zahlen zum Antibiotikaeinsatz bereitstellen konnten, waren es im zweiten Report schon 104 der 146 Länder und im neuesten Report lieferten weitere 12 Länder mehr Daten, nämlich 116 der 155 Länder.
Während beispielsweise im zweiten Report lediglich 17 Länder aus der Gruppe Asien/Ozeanien quantitative Daten bereitstellten, waren es im jetzigen dritten Report 25 Länder. Dadurch könnte sich der insgesamt gestiegene Anteil an Polypeptiden erklären lassen, denn die asiatischen Länder setzen den Wirkstoff deutlich häufiger ein als Länder der anderen Regionen.

Immer mehr Länder verbieten Antibiotikaeinsatz zur Leistungsförderung

Eine weitere positive Entwicklung ist der Rückgang an Ländern, in denen Antibiotika als Leistungsförderer eingesetzt werden dürfen. Während im Jahr 2016 der Einsatz von Leistungsförderern in 60 Ländern erlaubt war, sind es in 2017 nur noch 45 Länder. Gleichzeitig steigt die Zahl der Länder, in denen antibiotikabasierte Leistungsförderer verboten sind von 86 im Jahr 2016 auf 110 Länder im Jahr 2017.

 

Anwendung Leistungsförderer 2016 (Grafik: © OIE)

 

Anwendung von Leistungsförderern 2017 (Grafik: © OIE)

Quellen:
3. OIE-Report
2. OIE-Report

weiterführender Link:
Antibiotikaabgabemengen in Deutschland (für 2017)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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