Einen Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist heute (27.7.2017) die im Juni von Bundesregierung und Bundesrat beschlossene Erhöhung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) in Kraft getreten. Damit steigen erstmals seit neun Jahren die tierärztlichen Gebühren: der sogenannte Einfachsatz (1,0-fach) der GOT-Leistungen um zwölf Prozent; die Sätze für tierärztliche Bestandsbetreuung von Nutztieren um 30 Prozent.
(jh) – Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) ist eine Verordnung des Bundes. Die darin genannten Gebührensätze müssen die Tierärzte mindestens abrechnen. Im sensiblen Bereich der Tiergesundheit soll die vom Staat vorgegebene GOT so zum einen für Preistransparenz sorgen und Tierhalter vor Übervorteilung schützen. Zum anderen soll sie aber auch eine angemessene Vergütung der Tierärzte sicherstellen, damit diese dem Qualitätsanspruch der Tierhalter etwa durch Fortbildung und Investitionen nachkommen können. Ein Wettbewerb zwischen den Tierärzten soll vorwiegend über die Leistung und weniger über den Preis stattfinden.
Steigen jetzt in allen Praxen die Preise um zwölf Prozent?
Nicht zwingend. Der 12-Prozent-Aufschlag ist immer dann ein Muss, wenn (bisher) nur der einfache Satz der GOT abgerechnet wird.
Die neue GOT (Stand 7/2017mit den aktuellen Preisen können Sie hier als von der Bundestierärztekammer kommentierte Version PDF-Format herunterladen
Hinweis d. Red: Seit Februar 2020 gelten für Tierärzte neue Notdienstgebühren. Hier können sie die aktualisierte Fassung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT / Stand 2/2020) als PDF herunterladen.
Die GOT erlaubt aber schon immer eine sogenannte „Faktorstaffelung“ vom 1,0- bis zum 3,0-fachen Satz. Dies ermöglicht den Praxen die (Zitat GOT) „… besonderen Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Schwierigkeit der Leistungen, des Zeitaufwandes, des Wertes des Tieres sowie der örtlichen Verhältnisse“ berücksichtigen. Speziell im letzten Punkt geht es um technische Ausstattung einer Praxis oder andere praxisindividuelle Mehrkosten (etwa höhere Mieten in Ballungsräumen).
Betriebswirtschaftlich abrechnende Praxen haben in den letzten neun Jahren ohne GOT-Anpassung über diese Faktoren auch die jährlichen Preissteigerungen an ihre Kunde weitergegeben, indem sie als Basis nicht den einfachen, sondern einen 1,x-fachen Satz berechnet haben.
Auch diese Praxen werden den Basissatz – wie es gesetzlich vorgeschrieben ist – um zwölf Prozent erhöhen. Aber sie müssen die Erhöhung nicht auf einen Schlag komplett weitergeben, sondern können sie über veränderte Nachkommafaktoren etwas abfedern.
(Gut erklärt hat die Abrechnungsmechanismen betriebswirtschaftlich unterschiedlich aufgestellter Praxen der Kollege Ralph Rückert hier in einem Blogbeitrag)
Sonderpreise für Kastrationsaktionen erlaubt
Mit der GOT-Änderung erlaubt der Gesetzgeber jetzt auch, dass Tierärzte den einfachen Gebührensatz für die Kastration frei lebender Katzen zukünftig legal unterschreiten dürfen. Das aber nur dann – und das hatten die Tierarztverbände nachträglich durchgesetzt – wenn sie die Kastration im Auftrag einer gemeinnützigen Tierschutzeinrichtung (Tierschutzvereins) durchführen. Dies ist im übrigen eine „Kann-“ und keine „Muss-Regel“. Die Praxen entscheiden selbst, ob sie diese anwenden.
Über die „politische Geschichte“ der aktuellen GOT-Erhöhung und die Aktivitäten der tierärztlichen Verbände auf diesem Feld, hat wir-sind-tierarzt.de regelmäßig berichtet. Hier eine Übersicht der akutellsten Artikel.
Sie liefern auch Argumente, warum die Anpassung mehr als überfällig war.
- „100 Millionen Euro für raffgierige Tierärzte“
Für Aussenstehende klingen 12 oder gar 30 Prozent Anpassung, als ob die Tierärzte kräftig zuschlagen: 100 Millionen Euro beträgt das Volumen der aktuellen Erhöhung der tierärztlichen Gebührenordnung (GOT). Warum so viel auf einmal? Sind die Tierärzte raffgierig? Dieser Kommentar ordnet die Erhöhung ein, die kaum die Inflation der letzten neun Jahre ausgleicht und liefert Zahlen als Beleg.
Chronologie der aktuellen GOT-Erhöhung
- Dezember 2016 – „Die GOT-Erhöhung kommt sicher – aber wann?“
Nachdem Politik und auch Tierärzte lange befürchtet hatten, die GOT komplett zu verlieren, weil die EU drohte, sie als wettbewerbsfeindliche Preisabsprache zu bewerten, hat sich diese Sorge mit dem Brexit etwas reduziert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sagt im Dezember 2016 eine „zügige Erhöhung“ zu. - März 2017 – „GOT-Erhöhung stockt“
Die Tierarztverbände sorgen sich, dass die „zügig zugesagte“ GOT-Erhöhung womöglich im Wahljahr doch nicht umgesetzt werden könnte. Der fertige Entwurf liege beim Bundeslandwirtschaftsminister, doch die Ressort- und Verbändeabstimmung steht noch aus. - Mai 2017 – „12 Prozent GOT Erhöhung verknüpft mit einer „Kröte“
Das Ministerium stellt offiziell einen Entwurf für die GOT-Erhöhung vor: Der einfache Satz soll um 12 Prozent angehoben werden. Die Beratungssätze der tierärztlichen Bestandsbetreuung sollen 30 Prozent teurer werden. Beides bleibt erheblich hinter den Tierarztforderungen zurück. Und: Künftig soll für die Kastration frei lebender Katzen der einfache-GOT-Satz unterschritten werden dürfen. Die Tierarztverbände stehen vor der Frage: Akzeptieren oder ablehnen? Frist für eine Stellungnahme: 14 Tage. - 7. Juni 2017 – „Nicht akzeptabel – Tierarztverbände lehnen vorgeschlagene GOT-Erhöhung kategorisch ab“
Die Argumentation: Die Anpassung sei nach neun Jahren viel zu niedrig und bedeute kaum einen Inflationsausgleich. Das gefährde die wirtschaftliche Existenz vieler Praxen. Auch die Kastration von eingefangenen freilebenden Katzen für weniger als den einfachen GOT-Satz sei inakzeptabel. Tierschutzfragen könne man nicht auf Kosten der Tierärzte lösen. - 14. Juni 2017 – „GOT-Anpassung beschlossen – Tierarztprotest wirkungslos“
Der Tierarztprotest hat (fast) nichts bewirkt. Das Bundeskabinett hat wenige Tage nach Ende der Anhörungsfrist die GOT-Erhöhung mit den Prozentzahlen aus dem Entwurf beschlossen. Nur die Sonderpreisregelung für die Kastration freilebender Katzen wurde leicht nachgebessert. Die GOT-Unterschreitung wird nur für gemeinnützige Tierschutzvereine erlaubt. Erstmals wird ein Zeitpunkt für das Inkraftreten genannt: voraussichtlich ab August 2017. - 7. Juli 2017 – „Bundesrat stimmt GOT-Erhöhung zu“
Es war eine Formsache: 23 Tage nachdem das Bundeskabinett die Gebührenordnung für Tierärzte beschlossen hatte, stimmt auch der Bundesrat zu. Die Tierarztverbände sind dennoch enttäuscht. Die Gebührenanpassung kann mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Dies wird Ende Juli/Anfang August sein. - 26. Juli 2017 – Die GOT wird im Bundesgesetzblatt veröffentlich und tritt einen Tag später in Kraft.
- 10. Februar 2020 – nach langen Verhandlungen und mehrfach verschobener Abstimmung wird die GOT um neue Notdienstgebühren ergänzt. Der aktuelle GOT-Stand (2/2020) ist hier verlinkt.