„Nicht aktzeptabel“ – die Tierarztverbände lehnen einhellig die vorgeschlagene 12-Prozent-Erhöhung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) ab. Sie sei viel zu niedrig und gefährde die wirtschaftliche Existenz vieler Praxen. Auch die Kastration von eingefangenen freilebenden Katzen für weniger als den einfachen GOT-Satz sei inakzeptabel. Tierschutzfragen könne man nicht auf Kosten der Tierärzte lösen.
Hinweis: Die GOT-Erhöhug ist zum 27.7.2017 in Kraft getreten – einen Übersichtsartikel mit Link zur neuen GOT/neuen Preisen finden Sie hier
eine Einordnung von Jörg Held
(mit Kommentar)
Aktualisierung: Am 14. Juni hat das Bundeskabinett die GOT-Erhöhung praktisch unverändert beschlossen – die Einwände der Tierärzteschaft wurden (fast) komplett ignoriert (mehr hier)
Nur zwölf Prozent mehr hatte die Bundesregierung den Tierärzten zugestehen wollen (mehr hier). Und das neun Jahre nach der letzten Anpassung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), die schon damals nicht einmal einen Inflationsausgleich darstellte. Nur 15 Tage Zeit – inklusive Himmelfahrt und Pfingsten – ließ das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) den Tierarztverbänden für eine Stellungnahme zu seinem Vorschlag. Doch der Meinungsbildungsprozess in den 17 Landestierärztekammern und im Bundesverband der praktizierenden Tierärzte (bpt) war eindeutig:
Die vorgeschlagenen zwölf Prozent Erhöhung der GOT-Sätze seien ebenso inakzeptabel wie die 30 Prozent Aufschlag für die Bestandsbetreuung. Auch die gesetzlich vorgesehene Unterschreitung des einfachen Gebührensatzes für die Kastration freilebender Katzen lehnen die Verbände kategorisch ab.
Stattdessen bekräftigen die Tierärzte ihre Forderungen nach einer Gebührenerhöhung, die zumindest die seit 2008 aufgelaufenen Inflationsverluste und Kostensteigerungen ausgleicht. Die entsprächen einer jährlichen fällig gewesenen Anpassung von rund 2,5 Prozent – das bedeutet:
- Mindestens 20 Prozent Aufschlag fordert die Bundestierärztekammer (BTK)
- Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) hält sogar insgesamt 25 Prozent für zwingend notwendig.
- Die BTK fordert außerdem künftig eine laufende Anpassung der Gebührensätze an die Teuerungsrate. Das soll die praktizierenden Tierärzte davor schützen, dass erneut mehrere Jahre keine GOT-Erhöhung erfolgt.
Die vorgeschlagene Gebührenerhöhung um lediglich zwölf Prozent gefährde nicht nur die Überlebensfähigkeit von rund einem Drittel der Tierarztpraxen in Deutschland, sondern verschärfe auch das Problem der Altersarmut bei Tierärzten noch weiter.
Die Verbandspositionen im einzelnen sind nachzulesen in den ausführlich Stellungnahmen
- der Bundestierärztekammer (BTK / hier – PDF-Download)
- und des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt / hier – PDF-Download).
Tierschutzprobleme nicht auf dem Rücken der Tierärzte austragen
Die Verbände wehren sich auch unmissverständlich dagegen, Tierschutzprobleme auf Kosten der Tierärzte lösen zu wollen, in dem man ein Unterlaufen der GOT-Sätze legitimiert. Es sei nicht akzeptabel, dass für die Kastration von eingefangenen freilebenden Katzen und damit zusammenhängende Leistungen allein die Tierärzteschaft durch Verzicht auf eine angemessene Vergütung aufkommen soll.
- Eine Unterschreitung der GOT lehnt die BTK deshalb kategorisch ab. Tierschutz sei als Staatsziel eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb gebe es keinen Grund, Tierschutzprobleme ordnungspolitisch auf dem Rücken der Tierärzte auszutragen.
- Die vorgesehene Regelung sei außerdem extrem missbrauchsanfällig, kritisiert der bpt, da sie nicht nur von Tierheim-Trägervereinen, sondern grundsätzlich von jedem Tierhalter in Anspruch genommen werden könne. Es könne auch nicht sein, dass der Deutsche Tierschutzbund mit seiner Forderung zur Unterschreitung des einfachen Gebührensatzes sowohl auf den Fortbestand der Gebührenordnung als Ganzes wie auch auf die Definition der Guten Veterinärmedizinischen Praxis einen derartig bestimmenden Einfluss nehme.
Bestandsbetreuung: Politische Ziele verfehlt
Auch die vorgeschlagene Erhöhung des einfachen Gebührensatzes für die Beratung von Nutztierhaltern um 30 Prozent (Bestandsbetreuung) halten die Verbände unisono für deutlich zu niedrig.
30 Prozent klingt zwar nach viel, bedeutet aber de facto, dass für eine qualifizierte tierärztliche Beratung lediglich 89,33 Euro/Stunde angesetzt werden. Davon sind dann sämtliche Praxiskosten und Sozialabgaben zu bezahlen. Jede Lackiererstunde in der Autowerkstatt ist höher bewertet.
Schon 1996(!) bei der Einführung der Integrierten tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB) wurde ein Stundensatz von 160.- DM diskutiert. Der wäre mit den 89.- Euro jetzt 20 Jahre später erreicht? Das kann keine ernsthafte Option des Gesetzgebers sein.
Für die Tierärzte ist eindeutig: Der vorgeschlagene Betrag verfehlt das eigentliche – politisch gesteckte – Ziel klar. Angesichts von Tierschutzdebatten und der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen hatte man den Anteil der tierärztlichen Beratung am Gesamtumsatz der Nutztierpraxis aufwerten und parallel durch gesetzliche Regelungen (Antibiotikamonitorig) gleichzeitig den Medikamentein- und -umsatz reduzieren wollen.
Bisher halten nur die Tierärzte ihre Reduzierungsbemühungen ein – 53 Prozent oder 901 Tonnen weniger Antibiotikaeinsatz seit 2011 (mehr hier). Auf eine ernstzunehmende Aufwertung ihrer Beratungsleistung warten sie bisher aber vergeblich.
- Die Forderung hier lautet: 137.- Euro/Stunde
wir-sind-tierarzt.de meint: Unverzagt klare Kante zeigen
(jh) – Gut, dass die Verbände so klar und einstimmig reagieren: „Nicht akzeptabel“ ist die einzig richtige Antwort. Nicht nur auf die mageren Prozentzahlen verknüpft mit der GOT-Aufweichung bei hehren Tierschutzzielen. Es ist auch die richtige Reaktion auf das ganze Verfahren, denn eigentlich war der Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums schon fast unverschämt:
- Da wird eine magere zwölf-Prozent-Erhöhung plötzlich ohne Vorankündigung mit einer „Kröte“ verknüpft: dem „Sonderpreis“ für die Katzenkastration, der ein Einstieg in die Aufweichung der GOT nach unten ist.
- Da wird nach fünf Jahren und zahllosen Nachfragen – 2012 hatten die Tierarztverbände einen Vorschlag zur kompletten Neustrukturierung und Neubewertung der GOT vorgelegt – zwar grundsätzlich zugestanden, dass die „Tierarztforderungen berechtigt sind“. Nur leider gebe es eben auch andere berechtigte Interessen.
Die Tierärzte fragen zu Recht, weshalb eine Gebührenerhöhung von 20 Prozent für die Verbraucher nicht zumutbar erscheint? Schließlich hat der Verordnungsgeber eine regelmäßige und schrittweise Anpassung der Gebühren über neun Jahre verschleppt. - Bei der Bestandsbetreuung – die Tierarztforderung nach einem Stundensatz von 137.- Euro basiert auf 210 Arbeitstagen im Jahr mit acht Stunden – wurde die Ablehnung auch damit begründet: Ein selbständiger Praktiker könne ja auch mehr arbeiten und so ein höheres Einkommen erzielen. Das empfinden die Kammern zurecht als „schlichtweg unverschämt“.
- Das ganze Vorschlagspaket wird dann noch mit einer Frist zur Stellungnahme von nur 15 Tagen (inklusive zweier langer Feiertagswochenenden) versehen. Ob man da dachte, die Tierärzte schaffen es nicht, hier eine gemeinsame Position zu finden?
Sie haben es hinbekommen. Tierärztekammern und Praktikerverband sind sich absolut einig in der Ablehnung.
Ob das Votum der Verbände in einem Wahljahr zu einer Änderung des BMEL-Vorschlages führt, ist aber völlig offen. Tierärzte sind bei weitem keine so große „Wählergruppe“ wie die Nutztierhalter oder gar Tierschützer.
Es kann also durchaus sein, dass es nun gar keine Erhöhung gibt. Oder dass das Ministerium seinen Vorschlag trotz Widerspruch unverändert in Kraft setzt.
Die Verbandsvertreter haben auch über den den Fortbestand der GOT insgesamt diskutiert. Noch hat nur eine der 17 Landestierärztekammern für eine Abschaffung der GOT votiert – die anderen wollen sie behalten.
Doch in anderen EU-Ländern ohne Gebührenordnung (NL/DK/GB/Skandinavien) sind zwar die Tierarztkosten für die Tierhalter deutlich höher – aber auch die Umsätze und Gewinne der Praxen.
Zumindest die leidige Prozentfeilscherei mit einem zögerlichen Gesetzgeber wäre man dann los. Der freie Markt regelt die Preise. Diese Option wird immer interessanter für die Branche.