12-Prozent GOT-Erhöhung verknüpft mit einer „Kröte“

Erfolg für den Tierschutzbund: Künftig soll der einfache GOT-Satz für Katzenkastrationen unterschritten werden dürfen. (Foto: © Kampagnenmotiv des deutschen Tierschutzbundes)

Neun Jahre gab es keine Gebührenerhöhung für Tierärzte. Jetzt liegt ein Vorschlag vor: Um 12 Prozent soll die GOT angehoben werden. Die Beratungssätze der tierärztlichen Bestandsbetreuung sollen 30 Prozent teurer werden. Beides bleibt erheblich hinter den Tierarztforderungen zurück. Und: Künftig soll für die Kastration frei lebender Katzen der einfache-GOT-Satz unterschritten werden dürfen. Akzeptieren oder ablehnen – das ist jetzt die Frage.

Hinweis: Die GOT-Erhöhug ist zum 27.7.2017 in Kraft getreten – einen Übersichtsartikel mit Link zur neuen GOT/neuen Preisen finden Sie hier

von Jörg Held

Der Entwurf für die Erhöhung der Gebührenordnung für Tierärzte liegt vor. Die Prozentzahlen bleiben – wie befürchtet und hier auf wir-sind-tierarzt.de berichtet – deutlich unter den Forderungen der Verbände:

  • 12 Prozent mehr auf alle GOT-Positionen
  • 30 Prozent Aufschlag für die tierärztliche Beratung von Nutztierhaltern. Damit will die Politik die Bestandsbetreuung angesichts der Debatten über Tierschutzfragen und die Entwicklung der Antibiotikaresistenzen grundsätzlich etwas aufwerten.

„Kröte“: GOT-Unterschreitung bei Kastration von Tierschutzkatzen

Völlig unerwartet enthält der Verordnungsentwurf aber auch eine weitere, zuvor mit den Tierarztverbänden nicht besprochene Änderung:

„Daneben wird die Möglichkeit eröffnet, die einfachen Gebührensätze für die Kastration und Sterilisation frei lebender Katzen und für die damit zusammenhängenden Leistungen unterschreiten zu können.“

Damit hat der Deutsche Tierschutzbund im Ministerium eine langjährige Forderung durchsetzen können, für die er auch aktuell wieder eine Kampagne fährt. Zuletzt hatte DTB -Präsident Thomas Schröder auf der BTK-Delegiertenversammlung Ende März in Berlin deutlich gemacht, dass diese „Ausnahmeregelung für viele Tierschutzvereine existentiell sein könnte – und von den Delegierten Protest geerntet: Kammern und auch einzelne Tierärzte beteiligen sich zwar an Kastrationsaktionen. Viele Kollegen unterstützen auch über Spenden die lokalen Tierschutzvereine Eine generelle Aufweichung der GOT aber haben die Verbände bisher kategorisch abgelehnt.

Zustimmen oder ablehnen – wie positioniert sich die Tierärzteschaft?

Lange Liste – diese Verbände werden bei einer GOT-Erhöhung angehört, ob ihre „berechtigten Interessen“ beeinflusst werden. (Foto: Verteiler BMEL-GOT-Anschreiben – Mailadressen geschwärzt)

Die Frist ist kurz: Tierarztverbände –  und die anderen „Beteiligten“ (siehe Kommentar unten) – müssen jetzt bis zum 8. Juni entscheiden, ob sie gegen den Entwurf noch Einwände erheben wollen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die GOT-Erhöhung nämlich – nach langer Verzögerung – plötzlich doch zügig umsetzen.
Das ist wenig Zeit, um in den Landestierärztekammern und im Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) eine Meinungsbildung über den Vorschlag herbeizuführen. Die Fragen lauten:

  • Ist der vorliegende Entwurf das maximal Erreichbare und müssen die Tierärzte die „Kröte“ der GOT-Unterschreitung bei Kastrationen frei lebender Katzen schlucken, wenn sie mehr Geld wollen?
  • Ist die gesetzlich erlaubte Unterschreitung des Einfachsatzes für eine „gute Sache“ ein Dammbruch, der einer weiteren GOT-Aufweichung die Tür öffnet?
  • Oder sollten die Verbände diesen Vorschlag schlicht komplett ablehnen? Ist es an der Zeit, einmal deutlich „Nein“ zu sagen? Zumal der Verordnungsgeber zwar (Zitat) „die Forderung nach einer Anpassung der GOT an die wirtschaftliche Entwicklung seit 2008 grundsätzlich als berechtigt“ anerkennt. Gleichzeitig aber will er „berechtigten Interessen“ anderer Beteiligter „Rechnung tragen“, indem er nur moderat erhöht und die Ausnahme einfügt. Einige Tierarztfunktionäre werten dies als Affront.

In den nächsten Tagen entscheiden die Verbände, ob sie klare Kante zeigen – auch auf die Gefahr hin, dass die GOT vorerst nicht erhöht, womöglich sogar komplett in Frage gestellt wird?

Hintergrund der „Prozentzahlen“

12 Prozent Aufschlag klingt zunächst viel. Die Zahl deckt wenn überhaupt nur knapp die Inflationsrate seit 2008 – dem letzten Zeitpunkt einer GOT-Erhöhung ab. Eine Preiserhöhung, die wirtschaftlich für die Praxen ein echtes Plus bedeutet, ist das nicht. Die müssen die Tierärzte sich über die Abrechnungsfaktoren (ein- bis dreifacher Satz) selber holen – und werden dann von manche Medien als Abzocker dargestellt.
Schon 2008 gab es nur 12 Prozent mehr. Auch damals hatten die Tierärzte neun Jahre auf eine Erhöhung der zuletzt 1999 festgelegten GOT-Sätze Warten müssen. Damit konnten die Verbände seit 18 Jahren nicht mal einen echten Inflationsausgleich durchsetzen. Ihre Forderung von mindestens plus 20 Prozent sowie eine Erhöhung der einfachen Gebührensätze für die Beratung von Nutztierhaltern um mindestens 100 Prozent wurde auch diesmal nicht erfüllt.

Der Verordnungsgeber – die Bundesregierung – schreibt dazu:

Die Forderung nach einer Anpassung der GOT an die wirtschaftliche Entwicklung seit 2008 wird seitens der Bundesregierung grundsätzlich als berechtigt angesehen. Bei der Regelung der Entgelte für tierärztliche Leistungen ist allerdings den berechtigten Interessen aller Beteiligter Rechnung zu tragen (vgl. § 12 Absatz 1 Satz 2 der Bundes-Tierärzteordnung). Vor diesem Hintergrund soll eine pauschale Erhöhung der einfachen Gebührensätze lediglich um 12 % erfolgen. Die Erhöhung des Entgeltes für Beratungstätigkeit soll mit 30 % deutlich darüber hinaus gehen. Beide Erhöhungen bleiben damit erheblich hinter den o. g. Forderungen zurück.

wir-sind-tierarzt.de meint: Lieber ein Ende mit Schrecken

(jh) – Forderungen nach „Gehaltserhöhungen“ enden bei Tarifpartnern immer mit einem Kompromiss. So gesehen könnte man das Ergebnis akzeptieren. Doch zwei Punkte haben einen  für Tierärzte langsam nicht mehr akzeptablen Beigeschmack:

  • Der Verordnungsgeber nennt die 20-Prozent-mehr-Forderung der Tierärzte ausdrücklich „berechtigt“. Er gesteht ihnen aber aus Rücksicht auf andere – letztlich nicht sachorientiert –  nur niedrigere Sätze zu. Das fühlt sich an, als ob man politisch den „Brotpreis“ künstlich niedrig halten will, damit das Wahlvolk (Landwirtschaft oder Tierschützer) nicht rebellieren. Nur, dass hier die Tierärzte den Preis dafür zahlen – und nicht der Staat.
  • Warum haben andere Gruppen überhaupt ein Mitspracherecht? Mir ist nicht bekannt, dass bei der Gebührenordnung für Architekten die Bauträger um Zustimmung gebeten und dort Sondertarife für den sozialen Wohnungsbau eingearbeitet werden. Oder, dass die Rechtsschutzversicherungen bei der Gebührenordnung für Rechtsanwälte mitreden.

Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, sich von der GOT zu verabschieden. Vielfach halten sich auch die Tierärzte selbst nicht daran – Stichwort „Dumper“. Das schwächt die Verhandlungsposition der Verbände.
Fällt die GOT, müsste man für einige Jahre wohl ein Tal der Tränen durchwandern. Aber dann dürfte sich der Markt durchsetzen – siehe Niederlande: Dort ist nach dem Verlust der Gebührenordnung das Preisniveau inzwischen deutlich höher.

Die Bundestierärztekammer könnte außerdem ihren mit viel fachlichem Aufwand umfangreich überarbeiteten GOT-Vorschlag „in Kraft setzen“. Der enthält neben neuen angemessenen Preisen auch zeitgemäße neue Leistungsdefinitionen. Als eine Art „Gebührenleitlinie“ hätten die Tierärzte damit weiter eine Orientierung für ihre Kalkulation und Leistungsdefinition. Bei Streitfragen haben „Leitlinien“ anerkannter Verbände ja auch in anderen Feldern Orientierungscharakter.

Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende.

Quelle:
Entwurf 3. Verordnung zur Änderung der Tierärztegebührenordnung (GOT – PDF-Download ohne Leistungsteil)

Die letzte GOT-Erhöhung erfolgte 2008 – die Tierarztverbände müssen entscheiden, ob sie den Vorschlag 2017 akzeptieren oder komplett ablehnen.

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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