Gerichtsverfahren: Amtstierarzt möge „sich selbst den Arsch chippen“

Chip oder Brandzeichen – Hintergrund für einen Streit zwischen Amtstierarzt und Pferdzüchterin. (Foto: ©Henrik Hofmann / WiSiTiA)

Wie teuer wird es, wenn eine Pferdezüchterin einen Amtstierarzt auffordert, er solle „sich selbst den Arsch chippen“? 400.- Euro urteilte das Amtsgericht Bad Säckingen. Der Hintergrund ist allerdings ernster: Die Angeklagte weigert sich bislang wiederholt ihre Pferde,wie gesetzlich vorgschrieben, per Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Der Amtsveterinär fühlte sich schon öfter bedroht.

(jh) – Das Gerichtsverfahren um das abgewandelte Götz-von-Berlichingen-Zitat – „er möge sich selbst den Arsch chippen“ – könnte Schmunzeln machen, stünde es nicht in einem gewissen Grad beispielhaft für Konflikte zwischen Tierhaltern, die geltendes Recht nicht anerkennen wollen, und den Amtstierärzten.
Konkret geht es in diesem Fall um die für alle seit 2009 neu geborenen Pferde gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht mit einem Transponder. Die Chips sind etwa reiskorngroß und dienen zur Identifizierung und Rückverfolgung der Pferde insbesondere bei Tierseuchen – wie etwa einem Ausbruch der Equinen Infektösen Anämie (EIA).

Pferdezüchterin sieht rot

Tierseuchen aber gebe es nicht, behauptet die angeklagte Pferdwirtschaftsmeisterin. Solange ihr der Amtstierarzt deren Existenz nicht glaubhaft nachweisen könne, werde sie die Chips nicht implantieren. Sie sehe jedes Mal rot wenn, die Tierärzte vorbeikämen und mit dem Landratsamt sei sie auch im Dauerclinch. So beschreibt der Südkurier ihre Aussage vor Gericht.
Aus Sicht der angeklagten 57-Jährigen ist die Chipkennzeichung Tierquälerei, es gebe Chips mit Zyanid. Auch müssten die Pferde gewaltsam festgehalten werden, damit der Chip in den Hals implantiert werden könne. Sie hält die früher übliche, alleinige Kennzeichnung per Brandzeichen für weniger schmerzhaft als die Transponderkennzeichnung.
Schon zwei Mal habe sie wegen der Verweigerung je 1.000 Euro Bußgeld bezahlt, berichtet die Badische Zeitung.

Amtstierarzt fühlt sich bedroht

Der Widerstand der Angeklagten, die nach eigenen Angaben seit 40 Jahren Pferden züchtet, richtet sich dabei sowohl gegen das Veterinäramt Waldshut, als auch gegen die europäische Gesetzgebung. Beleidigungen und auch das Gefühl der Bedrohung muss aber unmittelbar das letzte Glied in der Kette ertragen: der Amtstierarzt.
Der hatte bei einer Routinekontrolle erneut nachgefragt hatte, ob bei den Pferden Chips implantiert seien. Die Antwort der Angeklagten: Er möge „sich selbst den Arsch chippen“.
Er habe sich durchaus auch bedroht gefühlt, gab der Amtstierarzt als Zeuge vor Gericht an. Schon bei vorangegangenen Kontrollen habe die Betreiberin eine Drohkulisse aufgebaut; Sätze wie, er habe Glück, dass gewisse Pferdebesitzer nicht anwesend seien, oder, bevor sie ihre Tiere chippen lasse, würde sie ihm die toten Pferde lieber vors Büro schmeißen, hätten stets der Einschüchterung gedient. Auch andere Zeugen bestätigten die Beleidigung. Insgesamt vermutet der Veterinär, die 57-Jährige leiste Widerstand um des Widerstandes willen.

Gericht fällt mildes Urteil

Die Staatsanwaltschaft sah den Sachverhalt als erwiesen an. Die Angeklagte hatte zugegeben, den Tierarzt beleidigt zu haben. Außerdem war sie bereits einschlägig wegen Beleidigung vorbestraft.
Die Aussage, der Amtstierarzt möge sich „sich selbst den Arsch chippen“, sei zwar beleidigend, stellte Richter Rupert Stork fest, aber keine, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert,  3.000 Euro wert (50 Tagessätze). Stattdessen verurteilte das Gericht die Pferdewirtschaftsmeisterin wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 40 Euro (400 Euro). Insgesamt sei sie damit gut weggekommen, wandte sich Richter Stork abschließend an die Angeklagte.

Quellen:
Bericht Badische Zeitung
Bericht Südkurier

Weiterführende Links:
Kennzeichnungspflicht für Pferde – Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN)
Auslegungshinweise zur Equidenpass-Verordnung – Westfalenpferde.de (PDF-Download)

Hintergrund:

Seit 1. Juli 2009 muss jeder in der EU geborene aber auch jeder eingeführte Equide durch einen implantierten Chip gekennzeichnet werden. Laut EU-Verordnung wird er im Bereich des Widerristes unter aseptischen Bedingungen implantiert. Per Lesegerät kann die 15-Stellige Transpondernummer ausgelesen und das Pferd über eine zentrale Datenbank identifiziert werden. Nach dem EU-Recht – VO(EG) Nr 504/2008 – besteht das Identifizierungssystem aus drei Elementen: Für jedes Tier wird ein einziges lebenslang gültiges Identifizierungsdokument, der sogenannte Equidenpass, ausgestellt. Die Verbindung zwischen diesem Dokument und dem Tier muss eindeutig sein; dazu dient der Transponder. Eine Datenbank speichert die Einzelheiten zur Identifikation des Tieres unter einer spezifischen Kennnummer.

Siehe dazu auch: Bericht über OVG-Urteil – „Schenkelbrand allein reicht nicht“

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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