Schlechte Bewertungen im Internet sind schlecht fürs Geschäft. Im Extremfall können sie existenzbedrohend sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt nun die Rechte der Ärzte – und nimmt Bewertungsportale in (teure) Pflichten: Notengeber müssen eine Behandlung beweisen (können).
(hh/jh/PM) – Über einen aktuellen Fall, in dem eine Kollegin unversehens einem Shit-Storm ausgesetzt war, berichteten wir vor kurzem hier. Dagegen kann man sich wehren. Ein Zahnarzt aus Berlin, der sich auf einem Bewertungsportal falsch bewertet sah, bekommt nun die Möglichkeit einer genauen Nachprüfung. Er hatte das Internetportal Jameda 2013 zunächst vergeblich aufgefordert, eine schlechte Bewertung zu löschen: Seine „Schulnote“ 4,8, vergeben von einem anonymen Bewerter, setzte sich aus Einzelnoten zusammen, darunter jeweils der Note „6“ für „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“. Wichtig in diesem Fall: Der Zahnarzt bestreitet, dass er den Patienten überhaupt behandelt hatte.
Bewerter müssen Behandlung beweisen können
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied am 1. März 2016: Bewertungsportale müssen in einer solchen Situation den Bewerter auffordern, den Arztbesuch genau zu beschreiben und Unterlagen vorzulegen, die die Behandlung belegen könnten, etwa Rezepte, Bonusheft „oder sonstige Indizien“. Eine Weitergabe an den Arzt komme in Betracht, wenn trotzdem die Anonymität des Bewerters gewahrt bleibt. (Az.: VI ZR 34/15).
Künftig werde es also für Ärzte leichter, sich gegen ungerechte Bewertungen zu wehren. Darüber hinaus habe das Urteil weitreichende Folgen auch für andere Internetportale, die ihre Prüfprozesse nun anpassen müssen, sagte eine BGH-Sprecherin.
Tierarzt-Tipp: Öfter die eigene Praxis „googeln“
Jameda ist das bekannteste Arztbewertungsportal, aber es gibt noch eine Vielzahl weiterer Anbieter, die entweder nur oder auch Tierärzte bewerten: „Tierarzt-Onlineverzeichnis„, die Webseite „KennstDuEinen“ oder „mein-guter-tierarzt.de“ zum Beispiel. Auch unter „www.klicktel.de“ oder .“MeineStadt.de“ kann man Tierarzt-Bewertungen abgeben.
Jeder Praxisinhaber sollte dort hin und wieder nachsehen oder per Suchanfrage via google überprüfen, ob und wie seine Praxis im Internet bewertet wird – und ob dies korrekt ist.
Bei Jameda (und auch anderen Portalen) müssen sich Benutzer zwar registrieren, können dann aber anonym Praxen bewerten. Das erfolgt etwa mit einer „Schulnoten“-Skala für insgesamt fünf vorformulierte Kategorien: „Behandlung“, „Aufklärung“, „Vertrauensverhältnis“, „genommene Zeit“ und „Freundlichkeit“. Außerdem kann man in einem Freitextfeld kommentieren.
Im Deutschen Tierärzteblatt (März 2016) beschreibt ein Anwalt detailliert, worauf Tierärzte bei Bewertungen achten müssen und wie sie dagegen vorgehen können (PDF-Download hier)
BGH sieht „gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen“
Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein „gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich“, schreibt der BGH. Die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärke das noch. Solche verdeckt abgegebene Bewertungen erschwerten es dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen.
Im Interesse der Meinungs- und Medienfreiheit seien zwar Meldungen aller Art grundsätzlich zu dulden, aber Beanstandungen müssten sorgfältig und gewissenhaft geprüft werden. Deshalb hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Und sie hätte den Bewertenden auffordern müssen, den Behandlungskontakt umfassend zu belegen – etwa durch Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. In diesem Fall hatte Jameda das nicht getan und so die „ihr obliegende Prüfpflichten verletzt“, urteilte das Gericht.
Vor dem Oberlandesgericht wird nun erneut verhandelt, ob die Bewertung zu löschen ist. Dazu muss das Portal dann die geforderten Prüfmassnahmen vorlegen – oder eben löschen.
(weiterführende) Quellen:
Pressemeldung des BGH zum Urteil
Diverse Medienberichte – beispielhaft zeit-online
Artikel in Deutschen Tierärzteblatt – Ausgabe März 2016 (als PDF)
Beitragsbild: Screenshot jameda.de
Zum Thema: Facebook-Terror: „Dr. Missgeburt“ und die „Tierhändlerin“ – ein wir-sind-tierarzt.de-Bericht