Lahmheitsursache: Körperfettabbau in der Klaue

Kuh in einem Problemstall: Zu kurzer Stand ohne Platz für den Kopfschwung. Die Kühe müssen verkehrt aufstehen, wodurch die Hinterbeine stark belastet werden. Das führt zu Schwellungen und Lahmheiten. (Foto: ©WiSiTiA/hh)Kuh in einem Problemstall: Zu kurzer Stand ohne Platz für den Kopfschwung. Die Kühe müssen verkehrt aufstehen, wodurch die Hinterbeine stark belastet werden. Das führt zu Schwellungen und Lahmheiten. (Foto: ©WiSiTiA/hh)

Lahmheiten sind ein besonders eklatantes Gesundheitsproblem in der Rinderhaltung: Der Prozentsatz lahmer Kühe pro Betrieb schwankt zwischen durchschnittlich 17 Prozent und über 55 Prozent – je nach Land und Bewertungsmodus. Eine mögliche Ursache ist eine schlechte Köprerkondition.

(aw) – Es ist es nicht immer einfach herauszufinden, was genau die Ursache für eine Lahmheit ist. Aber: „Sobald eine Lahmheit festgestellt wird, muss ein Behandlungsplan greifen, um das Problem so schnell wie möglich zu beseitigen, “ betont Gerard Cramer, Tierarzt an der University of Minnesota. „Besonders in der frühen Laktation kann die Lahmheit das Huhn oder das Ei sein“, erklärt Cramer: Ist der (zum Teil starke) Gewichtsverlust und die damit einhergehende Stoffwechselbelastung aller Organe Auslöser einer Lahmheit oder nimmt die Kuh so stark ab, weil sie Schmerzen aufgrund einer Lahmheit hat und dementsprechend weniger Futter aufnimmt?

Hormone und die Klauengesundheit

Ein Faktor, der indirekt auf die Klauengesundheit wirkt, sind beispielsweise Hormone. Die gleichen Substanzen, die dafür sorgen, dass sich die Beckenbänder vor der Geburt weiten und die Geburt voranschreitet, beeinflussen auch andere Bänder. Der Bandapparat im Klauenbereich ist daher im geburtsnahen Zeitraum besonders anfällig für Verletzungen.

Kuh in einem Problemstall: Zu kurzer Stand ohne Platz für den Kopfschwung. Die Kühe müssen verkehrt aufstehen, wodurch die Hinterbeine stark belastet werden. Das führt zu Schwellungen und Lahmheiten. (Foto: ©WiSiTiA/hh)

Kuh in einem Problemstall: Zu kurzer Stand ohne Platz für den Kopfschwung. Die Kühe müssen verkehrt aufstehen, wodurch die Hinterbeine stark belastet werden. Das führt zu Schwellungen und Lahmheiten. (Foto: ©Henrik Hofmann)

Körperfettabau – auch in der Klaue

Neben der Geburt ist die Gewichtsabnahme in der Frühlaktation eine erheblicher Risikofaktor für Lahmheiten da. Kühe bauen nämlich überall Körperfett ab, um Energie für die Milchproduktion bereit zu stellen. Dadurch wird auch die Fetteinlagerung in der Klaue verringert, was zu einer schlechteren Dämpfung und zu häufigeren Klauenhornverletzungen führt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kuh an Klauenproblemen leidet, ist 3,4 mal so hoch, wenn das Sohlenpolster dünner ist“, erläutert Cramer.
Eine Studie der Cornell University an 501 Kühen kommt zu dem gleichen Ergebnis. Bei allen Kühen wurde per Ultraschall die Dicke des Fettpolsters im Sohlenbereich gemessen und mit der Körperkondition und dem Lahmheitsgrad verglichen. Mit Abnahme der Körperkonditon in der frühen Laktation nahm auch der Durchmesser des Fettgewebes ab. Genau wie Cramer folgerten auch die Tierärzte aus Ihaca, dass nicht die Lahmheit Ursache für die schlechte Körperkonditon ist, sondern die schlechte Körperkondition zu einer Verschlechterung der Sohlendämpfung und damit zur Lahmheit führt.

Dünne Kühe – höheres LahmheitsrisikoAnzeige World Buiatrics Congress 2016

Zwei Studien aus Großbritannien mit 1137 und 724 Kühen bestätigen diese Annahme. Die Briten konnten eindeutig zeigen, dass ab einer Körperkondition von mehr als 2,5 das Lahmheitsrisiko deutlich abnimmt. Dünne Kühe (weniger als 2,5 auf einer Skala von 1 bis 5) mit niedrigem Körperfett-Anteil sind demnach besonders anfällig für Klauenprobleme und daraus resultierenden Lahmheiten. Eine optimale Fütterung zur Vermeidung einer starken Gewichtsabnahme in der Frühlaktation ist daher nicht nur im Sinne einer stabilen Stoffwechselsituation ein Muss, sondern offensichtlich auch im Bezug auf Lahmheiten tierschutzrelevant.

Kraftfutterverzicht kann tierschutzrelevant sein

Gerade in Zeiten niedriger Milchpreise aus Kostengründen auf eine ausreichende Energiezufuhr (Kraftfutter) in der Hochlaktation zu verzichten und starke Gewichtsverluste billigend in Kauf zu nehmen, verschärft die Tierschutzsituation.
Wenn mangelnde Fettpolster im Sohlenbereich für Schmerzen und Lahmheiten verantwortlich sind, wäre das gleichzeitig ein Erklärungsansatz dafür, warum weiche Gummiböden von den Kühen deutlich besser angenommen werden als Beton. Ein weicher Bodenbelag, mindestens im Wartebereich vor dem Melkstand und an den Fressplätzen, kann das Lahmheitsrisiko effektiv senken.

Bild: (c) Henrik Hofmann

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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