Neues Urteil zu Bewertungsportalen: Jameda muss Arztprofile löschen

Zu wenig transparent: OLG Köln sieht bei Jameda "verdeckte Vorteile" für zahlende Ärzte. Unfreiwillige Basiskunden würden als Werbeplattform für zahlende Kunden benutzt. (Illustration: screenshots Jameda-Webseite / Montage: WiSiTiA/jh)

Zwei Ärzte haben erfolgreich das Online-Bewertungsportal Jameda auf Löschung des ohne ihr Einverständnis angelegten Basisprofiles verklagt. Die Plattform gewähre zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise „verdeckte Vorteile“ und verlasse so die Rolle des „neutralen Informationsmittlers“. Bei dem Urteil geht es aber nicht um das grundsätzliche Problem ungerechtfertigter negativer Bewertungen. (mit Kommentar)

von Jörg Held

Das Bewertungsportal Jameda gerät immer wieder in die Kritik, weil es ungefragt von Ärzten und Tierärzten sogenannte „Basisprofile“ anlegt, auf denen Nutzer dann Bewertungen abgeben können. Gleichzeitig gibt es „Premiumprofile“ zahlender Kunden, die attraktiver aufgemacht sind und vom Auftraggeber mit mehr Informationen bestückt werden können – ohne das in der Übersichtsliste selbst unmittelbar zu erkennen ist, dass dafür bezahlt wird. So entsteht eine „lenkende Wirkung von Patienteninteresse“, ein „verdeckter Vorteil“ für die zahlenden Ärzte.

Unzulässige, weil „verdeckte Vorteile“ für zahlende Kunden

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat deshalb entschieden (14.11.2019): Jameda habe zwar eine grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittlerin“. Diese habe die Plattform jedoch dadurch verlassen, indem sie den zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ zukommen lasse. Die Profile der – ohne ihre Einwilligung aufgenommenen – Basiskunden auf dem Portal würden als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt. Letzteren würden durch die Darstellung ein Vorteil gewährt, der für die Nutzer nicht erkennbar sei.
Somit diene das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen (potentiellen) Patienten. In diesem Fall müssten Ärzte auch nicht hinnehmen, ohne ihre Einwilligung als Basiskunden aufgeführt zu werden. Sie können ihr Profil löschen lassen.
(Details zum Urteil und die Begründung nach dem Kommentar – siehe auch Anmerkung zum Rechtsanspruch auf Löschung am Artikelende)

Die wenigsten Jameda-Nutzer dürften wissen, dass Ärzte für ihre „Profile“ bis zu 2.000 Euro im Jahr bezahlen. (Screenshot: Jameda-Preisübersicht)

wir-sind-tierarzt kommentiert:
Werbung kennzeichnen und gut is …

(jh) – Die Bewertungsportale berufen sich auf eine grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittler“. Sie würden nur Kundenmeinungen bündeln und ein Plattform für Bewertungen zur Verfügung stellen. Alles sei gedeckt durch die Meinungsfreiheit.
Meinetwegen. Aber es ist auch ein Geschäft. Jameda und Co sind ja keine Samariter, die selbstlos Millionen in IT-Infrastruktur und Suchmaschinensichtbarkeit investieren. Sie wollen – völlig legitim – Geld verdienen. Nur: Dann sollen sie auch deutlich machen, woran sie verdienen.
Die ganze Streiterei liesse sich einfach auflösen, indem – wie in anderen Medien auch – eine Kennzeichnungspflicht für Werbung/bezahlte Profile eingeführt wird: Über jeder Profillistung, die bezahlte Elemente enthält, sollte dann verpflichtend klar formuliert „bezahltes Profil“ oder „Werbung“ stehen müssen – statt eines euphemistischen „Gold Kunde“ (o.ä. weiter hinten im Profil). Die anderen sind mit „kostenloses Basisprofil“ zu kennzeichnen.

Blöd nur, dass – meiner Meinung nach – dann auch die ganze neutrale „Attraktivität“ dieser Plattformen einen erheblichen Knacks bekommt.
Ohne diese „Werbekennzeichnung“ sind – wie ich finde und da hat ein hier kommentierender User nicht ganz unrecht – solche Plattformen momentan eher eine Art digitaler Schutzgelderpresser: >Zahlst Du nicht, wirst Du (ungefragt) schlechter präsentiert. Und da ich inzwischen eine Reichweitenmarktmacht habe, „musst“ Du zahlen, willst Du nicht schlechter sichtbar sein.<

Informationen zum noch größeren Streithema ungerechtfertigte Bewertung finden Sie hier

Die vier Kritikpunkte des Oberlandesgerichtes Köln im Detail:

Das OLG Köln beanstandet als von Jameda gewährte „unzulässige verdeckte Vorteile“ für zahlende Kunden insbesondere diese vier Punkte:

1. Fehlender Verweis auf Konkurrenz bei bezahlten Profilen

Um zu erfahren, ob ein Arzt für sein Profil bezahlt, muss man es zunächst in der Übersicht anklicken und kann dann erst den dezenten „Gold-Kunden-Hinweis“ abfragen. (Illustration: Screenshot Jameda)

Neben den, ohne Einwilligung der betroffenen Ärzte eingerichteten, Basisprofilen wurde auf eine Liste mit weiteren – zahlenden – Ärzten verwiesen. Bei Profilen von Ärzten, die Beiträge an die Plattform bezahlen, fehlten dagegen solche Hinweise auf andere Arztprofile.
Das Gericht bewertet dieses Weglassen des Buttons zu „weiteren“ Ärzten in der näheren Umgebung als Instrument, um den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, die Premiumkunden hätten keine örtliche Konkurrenz. Der bei Basiskunden eingeblendete Button sei als „Absprungplattform“ auf die Profile anderer Ärzte anzusehen. Dabei sei für die Nutzer nicht deutlich gewesen, warum bei einem Profil der Konkurrenverweis fehle, beim anderen nicht. (Anm. d. Red.: Der Nutzer kann nicht erkennen, das diese Premiumkunden für ihre Profile bezahlen)
Auch wenn die Plattform den Button zwischenzeitlich abgeschafft habe, könne sie zur Unterlassung verurteilt werden, da Wiederholungsgefahr bestehe, sagt das OLG.

2. Unzulässig: Foto (zahlend) vs. grauer Schattenriss (Basisprofil)

Ein „verdeckter Vorteil“ sei ebenfalls, dass die zahlenden Ärzte in Auflistungen mit Bild dargestellt wurden, während bei den anderen Ärzten nur ein grauer Schattenriss zu sehen sei. Dadurch werde ein erhebliches „optisches Gefälle“ zwischen Basiskunden und Premiumkunden erzeugt, womit die Plattform im Vorfeld der endgültigen Arztwahl lenkend in den Wettbewerb zwischen den örtlichen Konkurrenten eingreife.

3. „Unfähig“, Fachartikel zu schreiben?

Dasselbe gelte für den Verweis auf Fachartikel von (anderen) zahlenden Ärzten, während auf den Profilen von sogenannter Platinkunden ein solcher Verweis unterbleibt. Dies erwecke bei den Nutzern den unzutreffenden Eindruck, Basiskunden wollten oder könnten keine entsprechenden Fachartikel veröffentlichen. Tatsächlich könne diese Funktion aber nur bei Buchung eines Premiumpakets durch den Arzt genutzt werden. Wenn die eingeblendeten Artikel von zahlenden Ärzten stammten, die in einer Entfernung von bis zu 100 km zu nicht zahlenden Ärzten praktizierten, ergebe sich eine mögliche Konkurrenzsituation.

4. „Spezialisten-Liste“ erweckt Eindruck unzureichender Qualifikation

Schließlich sei auch der Hinweis auf eine Liste mit Ärzten für spezielle Behandlungsgebiete ein unzu- lässiger verdeckter Vorteil, weil diese „Konkurrenz“ ebenfalls auf den Profilen zahlender Ärzte nicht zu sehen ist. Durch den Hyperlink könne beim Nutzer der Eindruck entstehen, dass der (Basisprofil)-Arzt möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert sei, weil auf seinem Profil auf weitere Kollegen für das „spezielle“ medizinische Fachgebiet verwiesen werde. Dagegen fehlen auf Premienprofilen solche Hinweise auf „Spezialisten“. Dort gebe es für den Nutzer keinen „Anreiz“, die Suche nach einem möglichst qualifizierten Arzt fortzusetzen (sprich, das Profil zu verlassen / Anm.d.Red.).

Fazit des OLG: Mit den vorbeschriebenen Funktionen habe das Portal die Funktion als „neutraler Informationsmittler“ verlassen.

Anmerkung der Redaktion:
Einige der bemängelten Punkte finden sich aktuell (so) nicht mehr auf der Jameda-Webseite. Das Unternehmen scheint auf das Urteil reagiert zu haben. Ob damit weiterhin ein Anspruch auf Löschung eines Basisprofils besteht, können wir nicht sicher beurteilen. Ggf. ist anwaltlicher Rat einzuholen.

Quellen:
Pressemeldung des OLG-Köln (14.11.2019)
Die Urteile mit den Altenzeichen Az.15 U 89/19 und Az. 15 U 126/19 werden demnächst im anonymisierten Volltext unter www.nrwe.de veröffentlicht.
Kritisch mit dem Urteil setzt sich Rechtsanwalt Christian Stadler auf seinem Blog auseinander. Er arbeitet für die Kanzlei, die Jameda in den Verfahren vertreten hat

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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