Fressnapf eröffnet neue Tierarztpraxen

Planen den Neustart einer Tierarztkette: Fressnapf und activet. (©Logos: Fressnapf/activet – Montage WiSiTiA/jh)Planen den Neustart einer Tierarztkette: Fressnapf und activet. (©Logos: Fressnapf/activet – Montage WiSiTiA/jh)

Zoohandels-Gigant Fressnapf plant einen Neustart im Tierarztpraxismarkt. Zunächst mit sechs Standorten in NRW – als Partner von selbständigen Tierärzten. Einst sollte die Tochter „Activet international“ mit über 100 Standorten ein großen Player im Markt der Tierarztketten werden – bevor sie 2012 aufgegeben wurde. Jetzt sind die Praxen für Fressnapf-Gründer Torsten Toeller Teil einer Service-Offensive.

Update 11/2017: Die aktuelle Zahl der „Fressnapf Tierarztpraxen“ finden Sie hier auf der Activet-Webseite

von Jörg Held

Gerüchte darüber, dass – neben den  schwedischen Kapitalinvestoren AniCura und Evidensia – auch „alte“ Player wieder neues Interesse am deutschen Markt der Kleintierpraxen haben, brodelten schon länger. Fressnapf-Chef Torsten Toeller hat in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa – u.a. hier veröffentlicht) inzwischen auch offiziell bestätigt: Er wolle in den nächsten zwei Jahren testen, ob es geschäftlich sinnvoll ist, selbständige Tierarztpraxen in die Fressnapf-Filialen zu integrieren. Neu ist die Idee nicht (siehe Info-Box am Textende). Aber anders als die Investoren im Highend-Klinikmarkt, sind die Fressnapf-Pläne eine echte Konkurrenz für mittelgroßen Praxen.

Die Tierarztpraxis als Service für Futterkäufer

Tierarztpraxen als Service-Angebot in Futtermärkten – Fressnapf-Gründer Torsten Toeller plant einen Neustart von activet. (Foto: ©Fressnapf/Rainer Lohmann)

Tierarztpraxen als Service-Angebot in Futtermärkten – Fressnapf-Gründer Torsten Toeller plant einen Neustart von activet. (Foto: ©Fressnapf/Rainer Lohmann)

Die Pläne der „Nr. 1 im europäischen Handel mit Heimtierprodukten“ (Eigenwerbung) gehören zu einer „Service-Offensive“, die das stationäre Geschäft in den Märkten stärken soll – und zwar vor allem gegenüber Online schnell(er) wachsenden Wettbewerbern wie Zooplus. So sollen noch in diesem Jahr in zehn Fressnapf-Märkten Hundesalons eröffnet werden – der erste im März.
Tierarztpraxen zählt Toeller ebenfalls zu den Angeboten, die ein Onlinehändler eben nicht bieten könne. Mit der neuen Unternehmensstrategie „CHALLENGE 2020“ hat Fressnapf das Ziel definiert: „Wir wollen DER Ansprechpartner rund ums Tier sein.“ Echte „Fressnapf-Fans“ sollen die Kunden werden. Das gute Image einer (eigenen) Tierarztpraxis im Markt soll die Strahlkraft erhöhen und Kunden binden.

wir-sind-tierarzt.de hat bei Dr. René Reinhold, dem tierärztlichen Geschäftsführer der Activet-Tierarztpraxen GmbH, nachgefragt wie dieses Praxiskonzept genau aussehen sollen?

Strahlkraft des Tierarztimages

Die neue „activet“ – ein passender Name wird noch gesucht – unterscheidet sich in einem zentralen Punkt vom damaligen Konzept: Statt angestellte Tierärzte in eigenen Praxisfilialen zu beschäftigen, „setzen wir jetzt auf Tierärzte, die selbständige Unternehmer sein wollen,“ betont Dr. Reinhold. In kammerrechtskonformen Praxis-GmbH’s soll der Partner-Tierarzt jeweils 50.1 Prozent halten, 49.9 die Fressnapf-Firma. Gesucht sind „selbständige Tierärzte, die ihr eigenes Business aufbauen wollen“, die man aber umfangreich im Backoffice unterstütze. Das sei das wesentliche Unterscheidungsmerkmal „zu allen bestehenden Systemkonzepten“.

Praxen mit vier bis fünf Tierärzten

Tierarztpraxis im Futtermittelmarkt: Das gab es schon einmal 2009 –ehemalige Praxis im Fressnapf Berlin. (Foto: WiSiTiA/hh)

Tierarztpraxis im Futtermittelmarkt: Das gab es schon einmal 2009 –ehemalige Praxis im Fressnapf Berlin. (Foto: WiSiTiA/hh)

Den oder auch die tierärztlichen Partner – die Standorte sollen bis zu 4 oder 5 Tierärzte beschäftigen –, erwartet eine auch technisch volleingerichtete Praxis, die schlüsselfertig übergeben wird. Gleichzeitig gebe es betriebswirtschaftliche Unterstützung und Fortbildung, etwa im Bereich Personalführung über die Fressnapf-Akadmie. Auch Buchführung, Abrechnung, Einkauf, Marketing – eben alle Verwaltungsaufgaben übernimmt die neue activet laut Reinhold.
Der Tierarzt ist aber dennoch  Unternehmer und muss sich als solcher natürlich finanziell beteiligen. Er soll sich aber vorrangig „auf sein ärztliches Tun“ konzentrieren können – und er müsse dafür sorgen, dass „sein Team funktioniert“. Es soll keine Ketten-Struktur mit austauschbaren Akteuren und Discount-Angeboten entstehen, sondern individuelle inhabergeführte Tierarztpraxen mit einer hohen Kunden- und Mitarbeiterbindung.

Start mit sechs Standorten in NRW

Fressnapf wählt die Standorte aus – geplant sind binnen zwei Jahren zunächst sechs Praxen in NRW-Märkten als „Keimzelle“. Eine Praxis im Fressnapf-Krefeld existiert bereits, demnächst kommt eine im Megazoo-Duisburg dazu. Die geografische Nähe in NRW soll den beteiligten Tierärzten und der activet den Austausch erleichtern. Man wolle gemeinsam am Konzept feilen. Die Grundidee funktioniere aber, betont Reinhold. Die bestehende Praxis in Krefeld habe neu ausgerichtet binnen zwei Jahren den Umsatz verdoppelt.
Ein Roll Out des Konzepts ist durchaus möglich: Gut 850 Filialen hat Fressnapf in Deutschland. Etwa 150 bis 200 könnten eine Praxis aufnehmen. Davor stehe aber immer ein genaue Standortanalyse. Denkbar sind auch Kooperationen mit bestehenden Praxen, die sich an oder in einem Markt ansiedeln.

Win-Win-Situation?

Dabei wolle Fressnapf nicht an der Tierarztleistung mitverdienen, aber natürlich seine Kosten decken. Die Win-Win-Situation für den Konzern ist die Aufwertung der Standorte. Und es soll eine Empfehlungs-Wirkung aus der Praxis in den Fressnapf-Markt geben. Umgekehrt profitierten die Praxen – neben dem Management-Support – ab dem ersten Starttag von einen unmittelbaren Kontakt zu potentiellen Kunden: 300 bis 500 Tierbesitzer, gehen täglich in den ins Auge gefassten Standorten ein und aus.

Profitable Nachbarschaft

Gute Nachbarn, aber geschäftlich nicht verbandelt: Tierarztpraxen als Fressnapf-Nachbarn gibt es auch heute schon – hier in Rosenheim. (Foto: WiSiTiA/aw)

Gute Nachbarn, aber geschäftlich nicht verbandelt: Tierarztpraxen als Fressnapf-Nachbarn gibt es auch heute schon – hier in Rosenheim. (Foto: WiSiTiA/aw)

Das Modell Tierarztpraxis an oder im Futtermittelmarkt/Zoohandel ist nicht neu. Auch viele selbständige Praxen profitieren von der Nähe (Foto). Nach einer ersten wir-sind-tierarzt-Recherche beherbergen auch mindestens 13 Märkte, die zur Fressnapf-Gruppe gehören, schon jetzt eine Tierarztpraxis – aber nur eine davon (Krefeld) gehört zu activet. Sieben Standorte betreibt als Pächter der ehemalige Activet-Konkurrent SmartVet, vier gehören selbständigen Tierärzten – und dann gibt es noch einen Sonderfall:

[box]Tierarzt betreibt Fressnapf-Markt
Ein klein wenig verkehrte Welt gilt in Forchheim: Hier ist es der Tierarzt Dr. Idrissa Traoré, der als Franchise-Nehmer einen Fressnapf-Markt betreibt – und darin zugleich seine eigene Tierarztpraxis angesiedelt hat: Das Tierzentrum Franken.[/box]

Vorbild Österreich?

In Österreich ist Fressnapf – mit einem allerdings nicht 1:1 vergleichbaren Konzept – schon etwas weiter: Im Oktober 2015 eröffnete im Fressnapf-Wien die erste „TIERplus-Tierarztpraxis“. Weitere Standorte sollen laut einer Fressnapf-Pressemeldung folgen. TIERplus wiederum ist ein eigenständiges Franchisekonzept für Tierarztpraxen, an dem Fressnapf nicht direkt beteiligt ist. Die aktuell vier weiteren Standorte in Österreich sind ebenfalls alle in/an einem Megazoo-Markt angesiedelt. Megazoo gehört als Premium-Marke wiederum zur Fressnapf-Gruppe.

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Hintergrund: Die activet Geschichte

activet international hatte 2009/2010 große Pläne: Von neun auf zwölf Praxen sollte die Kette laut Fressnapf-Pressemeldung damals binnen Jahresfrist wachsen. 100 bis sogar 200 Standorte wurden in Hintergrundgesprächen als Zielmarke genannt. Zu Spitzenzeiten waren es dann tatsächlich 13 eigene Praxen. Auch das Grooming-Konzept mit den „fellini-wellness-Hundesalons“ stammt aus dieser Zeit, hat es aber auch nur auf fünf Standorte gebracht.
Doch es war wohl zu früh für eine Tierarzt-Kette im Futtermarkt. Die Gesellschaft wies in einem Anfang 2012 veröffentlichten Geschäftsbericht einen Verlustvortrag von 3,5 Millionen Euro aus sowie einen Jahresfehlbetrag von rund 1,4 Millionen Euro. Ob es am Billig-Discounter-Image der Fressnapf-Märkte lag, das auf die Tierarztpraxen abfärbte und Vertrauen kostete, ist eine Spekulation.
Tatsache ist: 2012 gab activet alle Standorte auf – bis auf die Praxis im Krefelder Stamm-Markt der Fressnapf-Kette. Hohe Personalfluktuation sei auch ein Grund gewesen, räumte die Geschäftsführung damals ein. Womöglich haben die angestellten Tierärzte in den Standorten sich nicht genug mit dem Konzept identifiziert. Aber auch das Unternehmen hatte in sechs Jahren drei tierärztliche Geschäftsführer.
Konkurrent SmartVet übernahm 2012 sechs der activet-Standorte – und wuchs damit zur bisher einzigen etablierten Tierarztkette in Deutschland: 20 SmartVet-Praxen sind es aktuell (plus zwei mobile-Angebote in München).

Alle Quellen sind im Text verlinkt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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