Paukenschlag: US-Konzern Mars Petcare kauft Klinikkette AniCura

Paukenschlag: Der US-Konzern Mars Petcare kauft die Klinikkette AniCura und steigt so auch in den deutschen Tierarztmarkt ein. (Montage Firmenlogos: WiSiTiA/jh – © der Logos bei den Unternehmen)

In den USA betreibt Mars Petcare fast 2.000 Tierarztpraxen und Kliniken. Jetzt wagt der Konzern den Sprung über den Atlantik und kauft in Europa die schwedische Klinikkette AniCura und das britische Praxisnetzwerk Linnaeus. Zusammen haben sie 287 Praxisstandorte in acht europäischen Ländern. AniCura ist mit 30 Praxen/Kliniken in Deutschland die bisher größte Tierarztkette.
(veröffentlich: 11.6.2018 – zuletzt aktualisiert: 12.6.2018)

von Jörg Held

Es ist der – auch von wir-sind-tierarzt – schon länger erwartete „strategische Eintritt in den europäischen Markt der tierärztlichen Versorgung“ – wie es in der AniCura-Presserklärung heißt: Mars Petcare – Teil des US-Konzern Mars – kauft die schwedische Klinikkette AniCura, für – so berichten Reuters und das Wall-Street-Journal – einen Betrag von etwas unter zwei Milliarden Euro.

Im Januar 2017 hat wir-sind-tierarzt in einem Kommentar (zu einem Artikel über die Expansion von Mars-Petcare) den Einstieg der Amerikaner prognostiziert:

>>Der Mars-Banfield-VCA-Deal lässt erahnen, worauf die Käufer deutscher (und europäischer) Tierkliniken und Praxen spekulieren: Schnell eine kritische Größe erreichen, um als „Übernahmeziel“ für die ganz Großen der Branchen interessant zu werden. Zu Evidensia gehören – verteilt über Europa – fast 170, zu AniCura über 130 Praxen und Kliniken.<< (Stand Januar 2017)

US-Konzern mit 100 Millionen Dollar Risikokapital für petcare-Investments

Mars sieht im Haustiermarkt die Zukunft – der Süßigkeiten-Geschäft gilt als perspektivlos. Neben den Mitteln für große Akquisitionen (siehe nächster Absatz oder die Neun-Milliarden-Dollar Übernahme der US-Klinikkette VCA in 2017) haben die Amerikaner im März auch einen 100-Millionen-Dollar-Risikokapitalfonds aufgelegt. Mit dem Geld wollen sie in Start-ups investieren, die sich auf alles konzentrieren, was mit Haustieren zu tun hat – von der Ernährung bis zur Genetik – berichtet das Wall-Street-Journal.
Entsprechend „stolz“ ist man – so steht es in der US-Presseerklärung von Mars zum AniCura-Deal – auf den Einstieg des Konzerns in den mit 200 Millionen Haustieren, zweitgrößten Pet-Markt Europa. Die Expansion sei ein logischer Schritt. Dazu hatte Mars bereits Anfang Juni den Kauf des britischen Praxisnetzwerkes „Linnaeus“ vom Investmentfonds Sovereign Capital Partners bekannt gegeben (siehe Übersicht der Mars Tierarztfirmen unten). Jetzt folgt die AniCura-Übernahme aus dem Besitz des Fonds Nordic Capital.
Beides bezeichnet Mars „als Start in den europäischen Markt“, weitere Akquisitionen dürften also folgen. Der Tierarztmarkt entwickelt sich nach Mars-Auffassung „rapidly“; die Amerikaner erwarten, dass der Markt rund um die Versorgung von Haustieren in Europa den nächsten Jahren deutlich wachsen werde.

AniCura-Investoren steigen aus

Mit dem Verkauf machen die hinter AniCura stehenden Investoren – der Investmentfonds Nordic Capital (seit 2014 Mehrheitseigner) und der Fonds Fidelio sowie die Stiftung „Stiftelsen Djursjukhus i Stor-Stockholm“ (nach sieben Aufbaujahren) – Kasse. Über den AniCura-Kaufpreis ist zwar noch nichts offizielles bekannt. Der verkaufende Investmentfonds Nordic Capital bezeichnet die Transaktion aber als eine der größten im Veterinärmarkt weltweit.
Die Nachrichtenagentur Reuters und auch das Wall-Street Journal beziffern den Kaufpreis unter Verweis auf beteiligte Kreise auf einen Betrag von etwas unter zwei Milliarden Euro. Nordic Capital soll die AniCura-Mehrheit in 2014 für rund 220 Millionen Euro erworben haben.

Die Amerikaner steigen also auch mit einem finanziellen Paukenschlag in den europäischen und damit auch den deutschsprachigen Tierarztmarkt ein. Sie besitzen jetzt in acht europäischen Ländern 287 Tierarztpraxen-/Kliniken (Linnaeus 87 / AniCura 200) – davon 30 AniCura-Standorte in Deutschland (Liste hier) sowie je vier in Österreich und der Schweiz. Die 2011 gegründete AniCura Group ist durch rasante Zukäufe auf diese Größe gewachsen und beschäftigt inzwischen europaweit 1.200 tierärztliche Mitarbeiter.

(Mehr über die Aktivitäten verschiedener Kapitalinvestoren im deutschen Praxismarkt lesen sie hier.)

Mars Petcare: Weltgrößter Tierarztpraxenbesitzer

Zum Mars-Geschäftsbereich „Petcare“ gehören neben den Futtermarken bereits folgende Tierarztpraxis-/Tierklinikbetreiber:

  • Die Klinikkette VCA betreibt – je nach Quelle – zwischen 750 und 800 Praxen in den USA und Kanada, beschäftigt 4.700 Tierärzte und erwartete für das Jahr 2016 einen Umsatz von fast zwei Milliarden US-Dollar. Die börsennotierte Gruppe ist seit 1987 im US-Markt aktiv und gehört seit September 2017 zu Mars Petcare. Außerdem gehört zu VCA die Laborkette Antech. Sie ist mit 60 Laboren einer der größten Labordienstleister in den USA für etwa 14.000 Tierarztpraxen.
  • Banfield ist mit 975 Praxisstandorten und über 3.500 Tierärzten der größte Praxis-Anbieter in den USA. Die Praxiskette gründet und betreibt überwiegend Praxisfilialen in PetSmart-Märkten für Heimtierbedarf (Vorbild für das hierzulande geplante Fressnapf-Projekt „activet„) sowie einige spezialisierte Kliniken.
    1994 hatte Mars zunächst in die 1987 gegründete Banfield-Gruppe investiert und diese dann 2007 vollständig übernommen.
  • Bluepearl Veterinary Partners hat 65 Standorte und ist die einzige echte „Klinik“-Kette im Mars-Verbund: Bluepearl betreibt nur Notfall-Kliniken und Spezialistenpraxen. Die Gruppe wurde 2015 übernommen.
  • Das britische Tierarztnetzwerk Linnaeus gehört als erstes Tierarztinvestment in Europa seit Anfang Juni 2018 ebenfalls zur Mars Petcare Veterinary Health Group. Die Briten betreiben fünf sogenannte „specialist referral hubs“ und 82 Tierarztpraxen.
  • Jetzt folgt die Übernahme von AniCura. Die Schweden sind seit 2014 (mit dem Einstieg des Fondsinvestors Nordic Capital) von 50 auf inzwischen europaweit 200 Praxisstandorte rasant gewachsen.
  • Zu Mars Petcare gehört in den USA außerdem das tierärztliche Beratungs- und Einkaufsnetzwerk „PetPartners“ mit rund. 2.000 Partnerpraxen. AniCura betreibt mit VetFamily in Europa und in Deutschland einen ähnlichen Verbund (deutsche Webseite hier).

Langfristinvestor Mars: Gekommen, um zu bleiben

Die Übernahme durch Mars Petcare nennt AniCura in einer Pressemitteilung einen „Anschluss an ein renommiertes, familiengeführtes Unternehmen mit fundierter Branchenkenntnis und einer nachhaltigen Hingabe zur Tiergesundheit.“ Der Verkauf sichere auch zukünftig eine rasche Entwicklung. Mars Petcare habe eine langfristig orientierte unternehmerischen Ausrichtung.

Diese gilt als sicher, denn der Konzern hat zuletzt in den USA Milliarden Dollar in den Ausbau seines Tiermedizingeschäftes investiert (siehe Übernahmeliste oben – oder hier)
Das US-Unternehmen ist familiengeführt und hat über 75.000 Mitarbeiter in 50 Ländern. Bekannt geworden durch Süßigkeiten erzielt inzwischen aber die Mars-Petcare-Sparte (Futter und Tiermedizin) als wichtige Säule etwa die Hälfte des Konzernumsatzes: In den Tiermedizinablegern arbeiten weltweit etwa 50.000 Mitarbeiter. Hierzulande bekannt ist Mars Petcare durch seine Tierfuttermarken, darunter Royal Canin, Pedigree, Whiskas, Sheeba oder Eukanuba.
Die Strategie des Konzerns beschreibt dieser Satz recht gut:
„When people find out more about what their pets need, there’s a good chance Mars has a product for it.“

Die deutsche Mars Petcare-Webseite vermeldet noch nichts über die Expansion (Stand: 11.6.2018/12:45).

Die Marke AniCura bleibt erhalten

Das gegenwärtige Management-Team von AniCura, unter Leitung von CEO Peter Dahlberg, wird – so steht es in der Pressemeldung – die Führung und Entwicklung des Unternehmens auch zukünftig verantworten. AniCura werde weiterhin den Betrieb als eigenständiges Geschäft führen und die eigene Marke fortführen.

Dem Kauf von AniCura durch Mars Petcare müssen die Regulierungsbehörden noch zustimmen. Er soll dann im 4. Quartal 2018 abgeschlossen sein.

Quellen:
US-Pressemeldung Mars Petcare (Englisch)
Pressemeldung des Investmentfonds Nordic Capital (Englisch)

AniCura-Pressemeldung AniCura Group (Englisch)
Pressemeldung AniCura Germany (Deutsch)
weitere Quellen direkt im Artikel verlinkt

Alle in diesem Beitrag zur Illustration verwendeten Logos sind Markenzeichen der beteiligten Firmen

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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