Tierärzte sind mehr und mehr im Schraubstock der (Arzneimittel)Gesetzgebung. Es gibt Apothekenkontrollen, Anwendungs- und Umwidmungsbeschränkungen, Abgabeverbote. Derweil handeln Tierhalter in den sozialen Netzwerken völlig unkontrolliert mit ihren Restbeständen an rezept- und apothekenpflichtigen Arzneimitteln.
von Henrik Hofmann
Rezeptflichtige Tierarzneimittel online via Foren oder Facebook kaufen? Das ist nicht wirklich schwierig. In geschlossenen Tierhaltergruppen und Foren verkaufen Hunde-, Katzen- oder Pferdebesitzer ihre „Restbestände“ an jedermann. Tierärztliche Kontrolle oder Verordnung: Fehlanzeige. Arzneimittelmissbrauch und Doping sind so einfach wie nie.
Eine Kollegin schilderte uns folgenden Fall:
„Tausche“ Restbestände gegen Geld
„Ich behandle ein Pferd mit Husten und möchte der Besitzerin am Ende der Untersuchung ein Hustenpulver abgeben. Doch sie sagt zu mir sie, würde es lieber auf Facebook kaufen. „Da ist es billiger.“ Ich habe gleich gefragt wo auf Facebook, und jetzt weiß ich, dass man in diversen pferdeaffinen Gruppen die Restbestände untereinander gegen Geld austauscht.
Ich bin der Gruppe Lungenkranke Pferde beigetreten und siehe da: Trotz der Aufforderung des Administrators, das zu unterlassen, werden fleißig Equimucin und Clenbuterol zum Verkauf angeboten. Ich komme mir echt total veräppelt vor. Für jeden Kaltblüter, dem ich die Zähne mache und der danach zwei Tage Wartezeit auf Domosedan hat, muss ich einen Abgabebeleg schreiben und den fünf Jahre aufheben. Während die Mädels ihr Clenbuterol auf Facebook hin- und herschieben.“
Facebook toleriert Medikamenten-Deals
„Ich habe die Verkaufsanzeige des rezeptpflichtigen Medikamentes Facebook gemeldet: Als Verstoß gegen die Facebook Richtlinien. Die Antwort: Man sehe keinen Grund, diese Posts zu untersagen, da sie „nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen“.
Ich finde diese Entwicklung sehr interessant, und vielleicht haben andere Kollegen ähnliche Erfahrungen gemacht?
(Wenn ja, mailen Sie uns diese an zentrale@wir-sind-tierarzt.de/Anm.d.Red.)
Einfach wieder mal „dispensieren“
Wie schwer es ist, solchen „illegalen Praktiken“ über eine Meldung an Facebook beizukommen, zeigt auch die Verweigerungshaltung des Netzwerks bei sogenannten „Hasspostings“.
Aber jeder Praktiker könnte selbst einen kleinen Teil dazu beitragen – indem er oder sie nur soviel Medikamente abgibt, wie auch wirklich gebraucht werden und den Rest wieder mitnimmt.
Das wäre auch ein echter Pluspunkt für die Dispensierrechtsdebatte, denn nur der Tierarzt hat ja die Möglichkeit bei der Nachuntersuchung, die nicht benötigten Medikamente wieder einzusammeln, damit genau so etwas eben nicht auf facebook landet, die (Human-)Apotheken geben ja erst Recht riesige Packungen ab.
Zur Erinnerung: Unter Dispensierrecht versteht man die Erlaubnis vom Gesetzgeber, apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel herstellen, mischen, lagern und verkaufen zu dürfen – was dem Führen einer Apotheke gleichkommt. Die Ausnahme vom Apothekenmonopol gilt nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Behandlung der Tiere. Das heißt, dass…
- … die Tiere oder der Tierbestand vor Anwendung des Arzneimittels in angemessenem Umfang und nach den Regeln der tierärztlichen Wissenschaft untersucht worden sind und dass
- die Anwendung der Arzneimittel und der Behandlungserfolg vom Tierarzt kontrolliert werden.
„Selbstverständlich ärgert es mich auch, wenn ich den ganzen Aufwand einer Hausapotheke auf mich nehme und man die Medikamente dann woanders kauft. Aber am meisten ärgert es mich, dass ich Abgabebelege schreiben muss für jedes Pferd, dessen Frauchen wieder mal nicht weiß wo der Equidenpass gerade ist, während auf facebook Cortison verkauft wird.