Subklinische Mastitiden sofort antibiotisch behandeln?

Kuh: Euterinjektion mit antibiotischem TrockenstellerAntibiotikaeinsatz reduzieren, auch bei Mastitiden (Foto: © WiSiTiA/aw)

Klinische Euterentzündungen bei Milchkühen müssen in der Regel mit Antibiotika behandelt werden, um die Gesundheit und Leistung der Tiere nicht zu gefährden. Doch ist es auch sinnvoll, frische subklinische Mastitiden während der Laktation sofort mit Antibiotika zu behandeln? Eine niederländische Untersuchung rät zu einem sehr zurückhaltenden Medikamenteneinsatz.

(aw) – Werden klinische Mastitiden bei Milchkühen nicht behandelt, so kann das zu chronisch erhöhten Zellzahlen, sinkender Milchleistung führen. Unter Umständen droht auch der Verlust des betroffenen Euterviertels. Doch neben diesen klinischen Euterentzündungen treten auch subklinische Formen auf. Bei denen können weder am Euter noch an der Milch grobsinnlich Veränderungen bemerkt werden. Sie äußern sich lediglich durch gestiegene Zellzahlen.

Sind subklinische Mastitiden behandlungswürdig?

Diese Mastitiden fallen vor allem bei automatischen Melksystemen auf, da diese bei jedem Melkvorgang die aktuelle Zellzahl erfassen sowie auch im Rahmen der regelmäßigen Milchuntersuchungen (LKV etc.). Ein niederländisches Tierärzteteam um Bart von den Borne (Universität Wageningen) und Theo Lam (Universität Utrecht) wollten herausfinden, ob bei solchen subklinischen Entzündungen tatsächlich eine antimikrobielle Behandlung notwendig ist, um die Eutergesundheit zu erhalten.

  • Die Niederländer wählten für ihre Untersuchung Kühe aus, bei denen erstmalig ein erhöhter Zellgehalt festgestellt wurde und ein bakteriologische Befund vorlag,
  • Einen Teil dieser Tiere behandelten sie intramammär mit verschiedenen Antibiotika.
  • Einen weiterer wurde als Kontrollgruppe zunächst nicht behandelt.
  • Wiesen diese unbehandelten Kühe bei der nächsten Messung immer noch erhöhte Zellzahlen auf und/oder es konnten bei ihnen Staphylokokken nachgewiesen werden, dann wurde ebenfalls wieder ein Teil antibiotisch versorgt. Die andere Hälfte blieb als Kontrollgruppe unbehandelt.
  • Insgesamt wurden so 638 Euterviertel von 486 Kühe aus 38 Herden erfasst und 229 Viertel von 175 Kühen behandelt.

Individuelle Abwägung vornehmen

Mit der Antibiotika-Behandlung der subklinischen Mastitiden liessen sich die Zellzahlen der betroffenen Euterviertel reduzieren. Aber: Bei Milchleistung und Wahrscheinlichkeit nachfolgender Mastitiden gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Autoren raten daher vor dem Hintergrund des verantwortungsvollen Umgangs mit Antibiotika dazu, sorgfältig abzuwägen, ob in jedem Fall eine antibiotische Therapie notwendig ist.

wir-sind-tierarzt kommentiert: Keine Antibiotika-Behandlung nötig

(aw) – Es freut mich, dass die Kollegen zu einer gewissen Gelassenheit im Bezug auf erhöhte Zellzahlen raten. Während meines Studiums galten Zellzahlen über 300.000 pro ml Milch als Indikator für eine subklinische Euterentzündung. Mittlerweile ist dieser Wert schrittweise auf 100.000 Zellen pro ml Milch gesunken. Das führt dazu, dass wesentlich mehr potentiell subklinische Mastitiden antibiotisch behandelt werden als früher, weil die Landwirte schlechtere Milchleistungen und damit wirtschaftliche Einbußen befürchten. Die vorliegende Untersuchung bestätigt diese Annahme nicht und findet keine Unterschiede in der Milchleistung. Selbst eine etwas niedrigere Milchleistung rechtfertig in meinen Augen im Hinblick auf das One-Health-Konzept keine antibiotische Behandlung subklinischer Mastitiden während der Laktation.

Quelle: Journal of Dairy Science (Volltext PDF / englisch)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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