Gegen Tierquälerei: Amtstierärzte stoppen 5.000-Kilometer Transport einer Kuh

Ämter verweigern Vorerzeugnisse für Zucht- und Schlachtviehtransporte (Symbolbild: © Henrik Hofmann)

(PM/BR/hh) – Obwohl es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt, dass EU-Recht und damit Tierschutzvorgaben bis zum Bestimmungsort der Tiere einzuhalten sind, wird dies in der Praxis oft nicht genügend umgesetzt. Zudem sind die Tierschutzbestimmungen in den Zielländern oft unzureichend oder gar nicht vorhanden.
(Siehe auch die Forderung der Bundestierärztekammer: „Tiertransporten in Drittländer: Tierschutzrecht anwenden oder verbieten“)

Trächtige Kuh sollte 5.000 Kilometer-Reise antreten

„Für Amtstierärzte, die Tiertransporte in ein solches Land (…) genehmigen sollen, stellt sich deswegen die Frage ob sie/er mit dieser Amtshandlung nicht eine Beihilfe dazu leistet, dass an den Tieren (…) der Strafbestand der Tierquälerei verwirklicht wird?“ So zitiert der Bayerischen Rundfunk, aus der Fachzeitschrift „Amtstierärztlicher Dienst“.
Im konkreten Fall hatte das Veterinäramt Landshut den Transport einer trächtigen Kuh über 5.000 km nach Usbekistan nicht genehmigt, weil sich die Veterinäre keine Tierquälerei vorwerfen lassen wollten. Sie haben den Viehtransport des Zuchtverbands Mühldorf  gestoppt.

„Für mich ist es Tierquälerei, wenn Rinder aus unserer Region mehrere tausend Kilometer transportiert werden, um dann in Ländern geschlachtet zu werden, in denen es keinen Tierschutz gibt.“
Peter Dreier, Landrat des Landkreises Landshut  im BR

Veterinäramt will Langstreckentransporten nicht mehr zustimmen

Der aktuelle Fall aus Mühldorf am Inn, könnte zum Präzedenzfall werden. Das Veterinäramt will nämlich auch in Zukunft keinem dieser Transporte mehr zustimmen. Das heißt: Der Amtstierarzt verweigert das sogenannte „Vorzeugnis“, ohne das Tiere vom Bauernhof nicht zum Viehhandelszentrum zugelassen werden.
Nur noch auf Anweisung des zuständigen Ministeriums werden in diesen Fällen Vorzeugnisse ausgestellt, heißt es aus dem Landratsamt. Damit gibt Landrat Dreier die die Verantwortung an den bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) weiter.
Mittlerweile haben drei Landkreise diese Art der Tiertransporte gestoppt. Auch die Veterinärämter in den Kreisen Freyung-Grafenau und Passau keine Vorerzeugnisse mehr aus. Beide Ämter warten auf klare Anweisungen durch das zuständige Ministerium.
Ein Sprecher des bayerischen Umweltministeriums erklärte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, man arbeite an einer grundsätzlichen juristischen Prüfung des Sachverhalts. Diese dauere aber noch, den Fall könne man deshalb nicht bewerten. Die Genehmigung von Tiertransporten sei stets eine Einzelfallentscheidung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde.

Tierschutzbund stellt sich hinter Amtstierärzte

„Das konsequente Vorgehen der Veterinärin in Landshut ist extrem mutig und vorbildlich,“ sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Kein Tier, und schon gar kein trächtiges, sollte eine fünftausend Kilometer weite Fahrt antreten müssen, wo bekannt sei, dass die Tiere jenseits der EU-Außengrenzen oft zu extremsten Bedingungen transportiert und geschlachtet werden. Schröder weiter: „Kein Amtsveterinär, der nicht sicherstellen kann, dass die Tierschutzvorschriften bis zum Zielort eingehalten werden, sollte solche Transporte genehmigen.“
Nicole Brühl, Vorsitzende des Landesverbands Bayern des Deutschen Tierschutzbundes, ergänzt: „Die Entscheidung der Veterinärin ist ein wichtiges Signal und sollte Amtstierärzte in ganz Deutschland ermutigen, Genehmigungen für Lebendtierexporte in Drittländer zu verweigern. Wir hoffen, dass sich viele Veterinärämter und Landkreise ein Vorbild an Landshut nehmen.“

Zuchtverband will klagen

Josef Frank vom Zuchtverband Mühldorf, über den die Kuh exportiert werden sollte, kann dagegen die Entscheidung des Amtes nicht nachvollziehen. Er droht mit juristischen Schritten. „Wenn die Auflagen zum Export erfüllt sind, müsse dieses Vorzeugnis auch ausgestellt werden“, so Frank zum Bayerischen Rundfunk. Außerdem sei das Tier ein Zuchttier und kein Schlachttier.

Vor einigen Jahren gab es einen ähnlichen Fall:
Im Landkreis Oberallgäu hatte eine Veterinärin einen Transport nach Usbekistan verweigert. Der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof. Dort gab es 2015 ein wegweisendes Urteil: Der Tierschutz endet nicht an den Außengrenzen der EU.

Quellen:
im Artikel verlinkt
Fachartikel im „Amtstierärztlichen Dienst“ zur juristischen Bewertung Tiertranspportgenehmigungen (Ausgabe 4/2018 – PDF-Download)

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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