Stallräumung: 72-jähriger Landwirt schießt auf Amtsveterinäre

(aw/hh) – Ein 72-jähriger Landwirt aus Klein Behnitz bei Nauen (Landkreis Havelland/Brandenburg) hat sich gegen die Räumung seines Rinderstalls gewehrt und dabei einen 61-jährigen Mitarbeiter* des Veterinäramts Havelland getötet. Zwei Tierärztinnen kamen mit einem Schock davon. Bedrohliche Situationen sind für Amtstierärzte und Kontrolleure kein Einzelfall. (veröffentlicht: 20.1.2015 /22:00 – update: 22.1.2015 / 22:00)

Die drei Mitarbeiter, zwei Tierärztinnen und ein Futtermittelkontrolleur, sollten den Abtransport der 30 Rinder des Brandenburger Bauern überwachen, berichtet die Märkische-Oder-Zeitung (MAZ). Der Rinderbestand sollte „wegen nicht artgerechter Haltung nach dem Tierschutzgesetz“ geräumt werden. Die behördliche Maßnahme war lange angekündigt und der Termin für den 20.1.2015 dem Landwirt mitgeteilt.

Bauer lässt Ersthelfer nicht auf den Hof

Nach ersten Erkenntnissen, so berichtet die MAZ, ließ der 72- jährige Wilfried Z. die Mitarbeiter  zunächst gewähren, bevor er dann mit einer Schrotflinte erschien und auf sie schoss. Während die beiden Frauen unverletzt blieben, traf der Landwirt ihren Kollegen Frank M. tödlich. Er starb noch auf dem Bauernhof, da Helfer erst auf den Hof konnten, nachdem die Polizei den Landwirt überwältigt und festgenommen hatte.
Es ist allerdings nicht klar, ob der Landwirt nur um sich schoss oder absichtlich auf den Mann gezielt hatte. *Entgegen erster Meldungen handelt es sich bei dem Opfer nicht um einen Tierarzt sondern um einen Futtermittelkontrolleur, der die beiden Tierärztinnen unterstützen sollte.

Woher kam das Gewehr?

Als „irrsinnige Tat“ bewertete der Landrat von Havelland Dr. Burkhard Schröder den Vorfall. Dem rbb gegenüber sagte Dr. Schröder, dass eine Beschlagnahmung von Tieren kein Anlass sei, bei dem man sich nett unterhalte, diese Tat sei aber nicht vorhersehbar gewesen. Der Landwirt hatte keine Waffenbesitzkarte und woher das Gewehr stammt, ist derzeit unklar.

„Kein Einzelfall“

wir-sind-tierarzt.de hat mit verschiedenen Amtstierärzten gesprochen. Sie bestätigen: Bedrohliche Situationen sind kein Einzelfall. In den Ämtern versucht man mögliche Risiken im Vorfeld zu erkennen und zu minimieren. So berichtet Dr. Rudolf Müller, Amtstierarzt aus Friedberg:  „Wir haben immer wieder im Bereich Tierschutz uneinsichtige ,Kundschaft‘. Ich selbst wurde von Frauen mit der Mistgabel bedroht, als ich in einem Animal-Hoarding-Fall Pferde beschlagnahmen wollte. Ich habe sofort gedroht, sie KO zu schlagen und sie haben nachgegeben … .“ Er schicke seine Kolleginnen aber zu solchen Aktionen immer nur zu zweit raus. „Wenn ich weiß, dass es riskant sein könnte, bekommen sie auch noch Polizeischutz.“ Auch seine Mitarbeiter wurden schon mit Schusswaffen und verbal bedroht, zugeparkt, ausländerfeindlich beschimpft … „Es geht dabei fast ausnahmslos um Tierschutzfälle“, so Müller. Die häufigsten Androhungen seien, für eine „schlechte Presse“ zu sorgen und Dienstaufsichtsbeschwerden einzureichen.

Landwirt mit Tierhaltung überfordert

Eine Bestandsräumung hat immer – so auch in diesem Fall – eine längere Vorgeschichte. Der Betrieb war nicht immer in einem schlechten Zustand, aber in den letzten Jahren galt der allein lebende Landwirt zunehmend mit der Tierhaltung überfordert. Nachdem seine Mutter vor einigen Jahren gestorben war, kam Wilfried Z. mit der Arbeit nicht mehr klar. Gebäude und Zäune waren in schlechtem Zustand und die Versorgung mit Futter und Wasser unregelmäßig. Dadurch sind die Rinder immer wieder ausgebrochen und kilometerweit umhergestreift.
Zwischenzeitlich wurde die Herde zu einem anderen Landwirt gebracht, um Wilfried Z. Gelegenheit zu geben, die Zustände zu verbessern. Außerdem bekam er einen Landwirt zur Seite gestellt, der ihm helfen sollte, hatte diese Hilfe dann aber wieder abgelehnt.

Auflagen ignoriert

Das Veterinäramt stellte zwar keine Verwahrlosung der Tiere fest, aber sehr wohl die Überforderung des Bauern. Doch nach Rückkehr der Tiere blieb alles beim alten. Die Auflage aus dem Sommer 2014, nach der er nur noch fünf Tiere halten dürfte, ignorierte der Landwirt weiterhin. Angeblich betrachtete er seine Rinder als seine einzigen Freunde.

Keine erste Hilfe möglich?

Laut Aussage eines Nachbarn war der Mann in Brandenburg nicht sofort tot. Der Landwirt habe aber alle Personen mit dem Gewehr bedroht, die dem Verletzten helfen wollten. Da der Betrieb mitten in der kleinen Ortschaft liegt, gab es viele Zeugen. Bis zum Eintreffen von Polizei und Krankenwagen sollen angeblich 45 Minuten vergangen sein. Zu diesem Zeitpunkt war der Amtsmitarbeiter verblutet, die Hilfe kam zu spät.

Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen des Getöteten.

Ausführlich berichtet die Märkische-Oderzeitung über den Fall. Aus diesem Bericht stammt auch der screenshot/das Aufmacherfoto dieses Artikels.

 

 

 

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