Staatsziel „Tierschutz“ verschlafen?

Ferkelkastration: Ein Beispiel für (unnötige?) Amputationen in der Nutztierhaltung. (Foto: © Initiative Massentierhaltung aufgedeckt)
In einer Pressemeldung äußert sich nun die Bundestierärztekammer zum zweiten Mal innerhalb einer Woche zum Thema betäubungslose Ferkelkastration, nachdem der Juraprofessor Dr. Jens Bülte von der Universität Mannheim die geplante Fristverlängerung als verfassungswidrig eingestuft hat.

Pressemeldung Bundestierärztekammer (BTK) im Wortlaut:

Staatsziel „Tierschutz“ verschlafen?

Beim Fachgespräch im Bundestag am 10.10.2018, das von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen organisiert wurde, gab es eine erhellende Erkenntnis, die der ganzen Diskussion um die betäubungslose Ferkelkastration eine andere Dimension verleiht. Laut Prof. Dr. Jens Bülte, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an der Universität Mannheim, sei laut Artikel 20a Grundgesetz (Tierschutz als Staatsziel) ein sofortiges Verbot der betäubungslosen Kastration unvermeidlich, da der Schutz des Verfassungsgutes (in diesem Fall der Tierschutz) anders nicht gewährleistet werden könne. Eine Verlängerung der im Tierschutzgesetz rechtlich verankerten Frist wäre also verfassungswidrig, denn es gibt ausreichend Alternativen.

Fachgespräch zum Thema Ferkelkastration im Bundestag (Foto: © BTK)

Vor diesem Hintergrund steht die Ankündigung der Regierungskoalition, mittels einer Koalitionsinitiative eine Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration zu erreichen, in einem schlechten Licht. „Für den Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration von Ferkeln gab es bereits eine Übergangsfrist von fünf Jahren, die nicht genutzt wurde“, meint Dr. Uwe Tiedemann, Präsident der Bundestierärztekammer (BTK). Eine Verlängerung um weitere zwei Jahre ist mit dem Staatsziel Tierschutz nicht vereinbar, sondern ein reines Zugeständnis der Großen Koalition an die Agrarlobby. Es stehen drei mögliche Alternativen zur Verfügung: Die Durchführung des Eingriffs unter Narkose, die Jungebermast und die Impfung gegen Ebergeruch, die nach Aussage des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) tierschutzfachlich der beste Weg ist.

„Der sogenannte „4. Weg“ ist nach jetzigem Stand der Wissenschaft kein gangbarer Weg, denn es müssen alle Alternativen daran gemessen werden, ob sie der Zielstellung, nämlich der Verbesserung des Tierschutzes, gerecht werden“, sagt Prof. Dr. Karl-Heinz Waldmann, Vorsitzender des BTK-Ausschusses für Schweine. Eine Änderung des Tierschutzgesetzes, in der der Begriff „Schmerzausschaltung“ durch den Begriff „Schmerzminderung“ ersetzt würde, um die Lokalanästhesie durch die Landwirte zu ermöglichen, wäre absolut inakzeptabel.

Die BTK appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Beenden Sie die betäubungslose Ferkelkastration!

Ende der Pressemeldung

Bereits am 6. Oktober hatten sich Bundestierärztekammer, die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) und die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) in einer gemeinsamen Erklärung (PDF-Download hier) gegen die Fristverlängerung ausgesprochen:

 

Für diese Stellungnahme wurden die Tierärzte von der Landwirtschaft kritisiert, allen voran von der Redaktion der topagrar: „Erstens kann es wohl kaum Aufgabe des Staates sein, für den Hersteller des Impfstoffes die Werbetrommel zu rühren. … Und das ist die Vermarktung weiblicher oder kastrierter Tiere.“ Kein Wort mehr über die Düsseldorfer Erklärung und den Verzicht auf die Kastration.

 

 

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