QS will weiterhin Kastraten aus dem Ausland zulassen

Ferkelkastration: Ein Beispiel für (unnötige?) Amputationen in der Nutztierhaltung. (Foto: © Initiative Massentierhaltung aufgedeckt)

Es könnte sein, dass es in Deutschland ab dem 1.1.2019 verboten sein wird, männliche Ferkel zu kastrieren. Das hängt noch davon ab, ob Bundestag und Bundesrat einer Fristverlängerung für die betäubungslose Kastration zustimmen. Eine Entscheidung dazu wird vermutlich am 14. Dezember fallen.

Die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner setzt sich für eine Verlängerung der Übergangsfrist ein, da es in Deutschland zur Zeit keine Methode gibt, Ferkel unter Schmerzausschaltung zu kastrieren. Und genau um diese Schmerzausschaltung bzw. den Stress für die Tiere im Zusammenhang mit der Kastration wird noch gerungen. In anderen EU-Ländern ist man das Problem weniger tiefschürfend angegangen.

Schmerzausschaltung versus Scherzmilderung

In Dänemark beispielsweise dürfen Ferkel unter lokaler Betäubung kastriert werden. Dass dieses Verfahren als Gesamtpaket nicht weniger schmerzhaft für das Tier ist, als eine Kastration ohne Betäubung, ist leicht vorstellbar. Immerhin bekommen die Ferkel mehrere Injektionen um oder in die Hoden ohne dass der Schmerz in der Tiefe gemildert werden kann. Dementsprechend ist diese Methode auch nur als „schmerzmildernd“ und nicht als „Schmerzausschaltung“ deklariert. Ähnlich ist es um die CO2-Narkose bestellt, die in den Niederlanden praktiziert wird. CO2-Narkosen führen nach Auffassung einiger deutscher Experten ebenfalls nicht zu einer Schmerzausschaltung, genauso wenig wie die Isoflurannarkose. Außerdem ist die CO2-Narkose unangenehm für das Tier, weil unter anderem die Atemwege stark gereizt werden. Ganz uniform ist diese „deutsche“ Sicht allerdings nicht. Während die Bundestierärztekammer alle zur Zeit diskutierten Kastrationsmethoden als nicht ausreichend im Hinblick auf eine Schmerzausschaltung ablehnt, gibt es andere Stimmen innerhalb der Tierärzteschaft, die die lokale Betäubung in Kombination mit einem NSAID als ausreichend schmerzmildernd erachten.

Dr. Nienhoff: QS kann nicht die Fehler der Politik ausbügeln

Der Geschäftsführer von QS Dr. Hermann-Josef Nienhoff verteidigt im Interview mit topagrar die Position von QS, auch nach dem 1.1.2019 kastrierte Ferkel aus EU-Nachbarländern zu vermarkten. Nienhoff wörtlich: „Sollte die von der Bundesregierung angestrebte Fristverlängerung aber wider Erwarten doch noch scheitern, ist die daraus resultierende Benachteiligung deutscher Ferkelerzeuger eine Folge des deutschen Alleingangs. QS kann in diesem Fall nicht die Fehler der Politik ausbügeln.“ Er weist auch darauf hin, dass der Begriff „Schmerzausschaltung“ selbst in Deutschland kontrovers diskutiert wird. Für Nienhoff ist beispielsweise die Lokalanästhesie, wie sie in Dänemark praktiziert wird mit dem deutschen Tierschutzgesetz vereinbar und daher kein Grund, die entsprechenden Kastraten nicht zu vermarkten.

Das gesamt Interview gibt es hier oder in der neuesten Ausgabe von topagrar

 

Meine Meinung:

Dr. Nienhoff ist der Auffassung, dass ein Importverbot von Kastraten zu Leerständen in deutschen Mastställen führen wird. Das ist meiner Ansicht nach lächerlich, denn den dänischen und holländischen Ferkelerzeugern wäre es mit Sicherheit lieber, ihre männlichen Ferkel für den deutschen Export nicht zu kastrieren, als die genannten Kastrationsmethoden zu verwenden. Schließlich ist das Kastrationsverbot ja kein Mehraufwand sondern ein Minderaufwand, verbunden mit geringeren Kosten und Risiken für die Erzeuger. Es ist einzig und allein den Interessen der fleischverarbeitenden Industrie geschuldet, dass QS weiterhin die Mast von Kastraten erlaubt.

Ein Blick in die Milchwirtschaft zeigt, was die Molkereien so alles von ihren Lieferanten fordern: Die Molkerei Berchtesgaden etwa lehnt Landwirte ab, deren Höfe optisch nicht als repräsentativ genug beurteilt werden. Die fleischverarbeitende Industrie könnte sehr wohl darauf bestehen, dass in Deutschland nur noch intakte Eber geschlachtet werden, aber sie möchte sich nicht bewegen und etwa unterschiedliche Schlachtkörpergrößen vermarkten oder Gefahr laufen, „Stinker“ verarbeiten zu müssen. Wenn es also tatsächlich rechtlich nicht möglich sein sollte, Kastraten zu verbannen, dann müssen die ausländischen Standards auch für deutsche Mäster gelten, denn sonst sind deutsche männliche Ferkel Abfallprodukte und dem Tierschutz wäre nicht geholfen. Es wird vermutlich nötig sein, zunächst einen EU-weiten Konsens zu erarbeiten, ähnlich dem CE-Siegel für technische Produkte und dafür werden die zwei Jahre Übergangsfrist wieder nicht ausreichen.

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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