Das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration rückt näher – selbst wenn es eine weitere Fristverlängerung um zwei Jahre geben sollte, müssen dringend gangbare Alternativen gefunden werden. Doch wie diese auszusehen haben, scheint sich für jede Interessengruppe anders darzustellen.
In einem offenen Brief wenden sich Tierärzte der AG Schwein der Tierärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe an den Präsidenten der Bundestierärztekammer Dr. Uwe Tiedemann. Dabei umreissen die Kollegen sehr pragmatisch, wo Theorie und Praxis kollidieren und wer letzendlich die Bemühungen zur Einhaltung des Tierschutzes torpediert.
Tierärzte würden intakte Tiere vorziehen
Wörtlich heisst es: „In diesem Schreiben bekennen wir uns – genau wie die BTK – dazu, dass die körperliche Unversehrtheit des Ferkels oberstes Ziel sein sollte. Dies kann durch leichtere Schlachtgewichte wie auch durch die Impfung mit Improvac geschehen. Beide Wege werden zur Zeit vom Lebensmitteleinzelhandel und der Schlachtindustrie abeglehnt.“ Sollten also trotz Verstoß gegen die körperliche Unversehrtheit auch in Zukunft die meisten männliche Ferkel kastriert werden, dann muss vorher zumindest eine effektive Schmerzausschaltung erfolgen. Die praktizierenden Kollegen weisen darauf hin, dass sie zeitlich nicht in der Lage sein werden, diese Anästhesie in den von ihnen betreuten Betrieben selbst vorzunehmen. Es muss nach Ansicht der Kollegen möglich werden, die entsprechende Anästhetika an die Landwirte abzugeben – ein Szenario, das die BTK strikt ablehnt.
Kastration alternativlos?
Friedrich Ostendorff, Agrarpolitischer Sprecher der Grünen und selbst Landwirt sieht die Problematik recht ähnlich und appelliert daher in einem Brief an die fünf größten Lebensmittelhändler, die möglichen Alternativen zur betäubungslosen Kastration zu unterstützen. Neben der Immunokastration und der Ebermast sieht Ostendorff die Inhalationsnarkose als gangbaren Weg.
Für CDU/CSU dagegen ist eine Fristverlängerung unbedingt nötig, um legale Kastrationsmethoden zu etablieren. In ihrem Statement ist die Mast intakter Eber nicht vorgesehen, da Verbraucher und Vermarkter diese Alternative nicht akzeptieren würden. Stattdessen wird indirekt der „4.Weg“ favorisiert, mit Abgabe der nötigen Medikamente an die Landwirte.
Schlachtindustrie und LEH haben kein interesse an Ebern
Die Tatsache, dass MdB Ostendorff sich direkt an den Lebensmitteleinzelhandel wendet zeigt, dass die Vermarkter vorgeben, wie das Produkt zu sein hat (in diesem Fall Schweinefleisch). Dabei sind die Ansprüche, die der LEH stellt, nicht mit dem Kastrationsverbot zu vereinbaren, denn er möchte das gleiche Produkt wie vor dem Verbot der betäubungslosen Kastration. Ebermast könnte zu „Stinkern“ führen und die Immunokastration ist dem Verbraucher schwer zu erklären, da es sich um komplexe Vorgänge handelt die dazu führen, dass das Fleisch nicht den Geschlechtsgeruch des Ebers annimmt.
Selbst wenn sich Bundestag und Bundesrat für eine Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration entscheiden sollten, darf bei der Suche nach rechtskonformen Alternativen keine Zeit mehr mit unrealistischen Forderungen vergeudet werden.