Das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration rückt langsam näher. 2019 ist es soweit. Aber welche Betäubungsmethode ist die beste? Zugelassen ist nur die Injektionsnarkose. Isofluran braucht eine Ausnahmegenehmigung. Die Lokalanästhesie hat sich nicht bewährt. Ein Vergleich der Verfahren.
von Annegret Wagner
Über den aktuellen Stand der Forschung zur Ferkelbetäubung informierte Dr. Doris Höltig von der Klinik für kleine Klauentiere der Tierärztliche Hochschule Hannover auf dem Niedersächsischen Tierärztetag. Ihr Fazit: Auf die Kastration der männlichen Ferkel wird man wohl auch in Zukunft nicht verzichten können. Aktuell gibt es aber keine wirklich empfehlenswerte Betäubungsmethode.
Ebermast nicht erfolgversprechend
Die Erfahrungen mit dem „Ersatzverfahren“, der Ebermast, sind alles andere als vielversprechend. Kämpfe und teilweise schwere Verletzungen in der Endmast sowie während des Transports zum Schlachthof lassen Zweifel an der Tierschutzgerechtigkeit aufkommen. In gemischt-geschlechtlichen Gruppen sind die Tiere weniger aggressiv, dafür besteht aber die Gefahr, dass trächtige Sauen geschlachtet werden. Außerdem gibt es immer noch kein standardisiertes Nachweisverfahren für Ebergeruch, was die Vermarktung erschwert und Eberfleisch hat ohnehin eine andere Qualität und Zusammensetzung als das Fleisch von Kastraten.
Drei Betäubungsverfahren
Generell gibt es drei mögliche Betäubungsverfahren:
- die lokale Anästhesie
- die Injektionsnarkose
- und die Inhalationsnarkose.
Lokalanästhesie …
Die Anästhesie mit dem Lokalanästhetikum Procain (einziges in Deutschland zugelassenes Medikament) entweder subkutan, intratestikulär oder in Kombination, hat sich nicht bewährt. Lediglich die Kombinationsbehandlung führt zu einer signifikanten Reduktion des reinen Kastrationsschmerzes. Allerdings muss dann für den Eingriff ein enges Zeitfenster eingehalten werden, denn der Schmerz wird nur kurz gelindert.
… ist schmerzhafter als Kastration

Die interatestikuläre Lokalanästhesie schmerzt mehr als eine betäubungslose Kastration. (Foto: © Vortrag Höltig/WiSiTiA/aw)
Außerdem ist effektivste Lokalanästhesie, die intratestikuläre Injektion selbst sehr schmerzhaft, was Zöls und Mitarbeiter bereits in 2006 eindrucksvoll zeigen konnten. Die lokale Betäubung und anschließende Kastration verursachte bei den Ferkeln größere Schmerzen (Kortisolmessung) als die betäubungslose Kastration. Aus Tierschutzgründen ist die lokale Betäubung daher nicht zu empfehlen.
Auch die topische Anwendung von Sprays oder Cremes führt nicht zu einer Reduktion des Kastrationsschmerzes. Im Gegenteil, die zusätzliche Applikation von Sprays bewirkt signifikant höhere Kortisolwerte im Vergleich zur betäubungslosen Kastration.
Injektionsnarkose
Die einzige rechtlich zugelassene Narkose in Deutschland beim Schwein ist die intramuskuläre Injektionsnarkose mit Azaperon und Ketamin. Sie verringert den Kastrationsschmerz selbst ausreichend und hat keine negativen Auswirkungen auf das Gewebe am Injektionsort. Allerdings hat auch diese Methode eine Reihe von Nachteilen:
- Die Nachschlafphase beträgt drei bis vier Stunden und während dieser Zeit müssen die Ferkel von der Sau getrennt werden. Dadurch kann es zu einem erhöhten Energieverlust kommen und außerdem gibt es im Wurf anschließend mehr Unruhe, weil die Ferkel erneut um Zitzenverteilung kämpfen.
- Das Risiko von Ferkelverlusten im Zusammenhang mit der Narkose ist deutlich höher als bei der betäubungslosen Kastration, es kommt häufiger zu Wundheilungsstörungen und der postoperative Schmerz muss zusätzlich mit NSAIDs behandelt werden.
- Weil die Wirkung zu lange anhält kommt es auch zu höheren Mortalitätsraten als ohne Betäubung.
Auch diese Betäubungsmethode ist laut Höltig also nicht optimal.
Inhalationsnarkose
Die Inhalationsnarkose ist zur Zeit in Deutschland nicht zugelassen und eine flächendeckende Umwidmung im Rahmen eines Therapienotstandes nicht möglich, da es ja die zugelassene Injektionsnarkose gebe. Trotzdem laufen – insbesondere in Bio-Haltungen – Versuche mit CO2 und Isofluran.
Eine Narkose von Ferkeln mit CO2 ist nicht praktikabel. Das Gas reizt die Atemwege, führt zu Herzarrhythmien bis hin zum Herzstillstand und durch Erstickungsängste erhöht sich die Stressbelastung der Tiere deutlich. Die Verwendung von CO2 zur Ferkelkastration wurde bereits in 2010 von der Association of Veterinary Anaesthetists als nicht angemessene Technik verurteilt. Sie wird aber i den Niederlanden favorisiert.

Standardisierte-Isofluran-Narkosen wirken abhängig vom Alter und Gewicht der Ferkel nur eingeschränkt. (Foto: © Vortrag Höltig/WiSiTiA/aw)
Die von vielen Tierschützern bevorzugte Isofluran-Narkose hat ebenfalls reichlich Schwachstellen. Da zur Betäubung Atemmasken verwendet werden, spielt die passende Größe der Ferkel eine wichtige Rolle. Die Narkosetiefe hängt außerdem vom Gewicht und Alter der Ferkel ab. Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Anteil von ausreichend anästhesierten Ferkeln mit zunehmendem Gewicht abnimmt.
Bei den über drei Kilogramm schweren Tieren sind nur noch 71,5 Prozent wirklich betäubt. Besonders deutlich zeigt sich die Schwäche der Isofluran-Narkose in Abhängigkeit zum Alter der Tiere. Mehrere Studien zeigen, dass bei Ferkeln im Alter von sieben Tagen nur noch 61 Prozent und mit acht Tagen nur noch 55 Prozent ausreichend anästhesiert sind. Bestenfalls sind 86 Prozent aller Ferkel ausreichend betäubt. Die Methode erzielt also mit der heutigen (Masken)Technik nie eine ausreichende Betäubung bei allen Ferkeln.
Die Masken haben außerdem den Nachteil, dass sie zu einer Verschleppung von Krankheitskeimen beitragen (Strep. suis, Staph. aureus, H. parasuis, M. hyopneumoniea, PCV-2). Isofluran scheint darüber hinaus das Risiko von Wundheilungsstörungen zu erhöhen.
Zudem gibt es rechtliche Vorgaben für die Verwendung von Isofluran (Arbeitsschutz). Diese sind zwar für die Humanmedizin gedacht, es werden aber keine Ausnahmen für die Tiermedizin formuliert. Eine Vorgabe lautet: Mindestens 90 Prozent der Anästhesie ist mit einem geblocktem Endotrachealtubus durchzuführen ist. Das erfüllen die Ferkelmasken nicht. Die aus ihnen entweichenden Narkosegase sind ein erhebliches Gesundheitsrisiko für den Operateur.
Weiterentwickelte Isofluran-Narkose mit Potential
Trotzdem kommt Dr. Höltig zu dem Schluss, dass die Isofluran-Narkose das größte Potential für eine Praxistauglichkeit haben könnte, wenn die Geräte entsprechend verbessert (u.a. bessere Steuerbarkeit der Narkose) und die rechtlichen Aspekte zum Arbeitsschutz berücksichtigt werden.