FDA: Herzkrank durch getreidefreie Fütterung?

kjgvu (Quelle: Dr. Henrik Hofmann)kjgvu (Quelle: Dr. Henrik Hofmann)
Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) alarmiert Tierbesitzer und Tierärzte: In den letzten Jahren traten immer wieder Fälle von Herzerkrankungen bei Hundenrassen auf, die genetisch als „nicht anfällig“ dafür gelten. Der Verdacht: „Mode-Futter“ und damit verbundene Mängel könnten Auslöser sein.(FDA/hh) – Der amerikanische Kardiologe Dr. Josh Stern von der University of California-Davis alarmierte vor kurzem die Öffentlichkeit: Unter anderem waren mehrere Golden Retriever an dilatativer Cardiomyopathie (DCM) erkrankt. Das ist erstaunlich – denn eigentlich gilt die Rasse als genetisch nicht gefährdet.

Ursache „getreidefrei“?

Die Amerikaner vermuten, dass die gemeldeten Fälle auf eine Taurin-Mangelernährung zurück zu führen sind. In den aktuellen Fällen, so die FDA, seien Diäten gefüttert worden, die vor allem Kartoffeln oder Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und Samen von Hülsenfrüchten und deren Protein-, Stärke- und Faserderivate in der Zutatenliste aufführten. Das weise darauf hin, dass sie Hauptbestandteile sind. Und diese „Diäten“ seien häufig „getreidefreie“ Futtermittel-Sorten.

Was ist DCM?

Bei der DCM, so Kardiologe Dr. Ingo Schneider aus Heldenbergen, handelt es sich um eine Erkrankung, bei der sich der Herzmuskel „erweitert (dilatiert) und eine schlechte Kontraktion (schlechte Pumpleistung) zeigt.“ Man unterscheide eine primäre (vermutlich genetische) Form und eine sekundäre Form. Letztere sei eine Folge von zum Beispiel Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) oder Medikamenten (z.B. Chemotherapie mit Doxorubicin). Auch Mangelerscheinungen durch unausgewogene Fütterung oder Resorptionsstörungen im Darm könnten die Entstehung einer DCM fördern. „Vor allem Carnitin- und Taurinmangel (beides sind Aminosäuren und damit Eiweißbausteine) sind da zu erwähnen.“ Taurin ist eine essentielle Aminosäure, die zum Teil vom Körper selbst hergestellt werden kann, aber speziell in fast allen Fleischarten vorkommt. Nicht dagegen in Pflanzen-Eiweiß.

Erkrankte Rassen untypisch

Die zugrunde liegende Ursache von DCM ist nicht eindeutig bekannt, man vermutet aber, dass sie eine genetische Komponente hat. Zu den Rassen, die in der Regel häufiger von DCM betroffen sind, gehören große und riesige Hunde wie Doggen, Boxer, Neufundländer, Irish Wolfhounds, Bernhardiner und Dobermann Pinscher. Seltener ist sie dagegen bei kleinen und mittelgroßen Hunden außer amerikanischen und englischen Cocker Spaniels. Das Ungewöhnliche an den aktuellen Fällen: Golden Retriever gelten als „nicht anfällig“ für diese schwere, häufig tödlich verlaufende Erkrankung des Herzmuskels. Und gerade bei ihnen traten die genannten Fälle in den USA auf. Zu den Rassen, die der FDA gemeldet wurden, gehören ausserdem Labrador-Retriever, Whippets, ein Shih Tzu, ein Bulldog und ein Zwergschnauzer sowie gemischte Rassen.

Bei Katzen seit langem bekannt

Bei Katzen spielt Taurinmangel  „eine große Rolle bei der Entstehung der DCM, da Taurin für die Katze eine essentielle Aminosäure ist“, schreibt Kardiologe Schneider  weiter. „Die DCM der Katze, die nicht auf einen Mangel an Taurin zurückzuführen ist, ist eine seltene Erkrankung. Da mittlerweile alle Katzenfutter mit Taurin substituiert werden, tritt diese Erkrankung sehr selten auf. Meist sind reine Hauskatzen mit fehlerhafter Fütterung (Hundefutter oder selbstgekocht ohne Taurinsubstitution) betroffen. Freigänger-Katzen decken ihren Taurinbedarf über den Verzehr von Mäusen, da vor allem die Mäuseleber einen sehr hohen Tauringehalt hat.“

Weitere Forschung notwendig

Die FDA arbeitet weiterhin mit Veterinär-Kardiologen zusammen, um die klinischen Bilder der erkrankten Hunde besser zu verstehen. Die Agentur war auch in Kontakt mit Tiernahrungsherstellern, um diese Berichte zu diskutieren und zur weiteren Untersuchung beizutragen. Die FDA ermutigt Tierhalter und Tierärzte, Fälle von DCM bei Hunden zu melden, bei denen ein Zusammenhang mit der Ernährung vermutet wird.
Die erkrankten Hunde sind alle in Behandlung, bei den meisten verbessert sich das klinische Bild mittlerweile. 

wir-sind-tierarzt kommentiert:

(hh) – Von vielen Medien wird inzwischen grundsätzlich getreidefreie Ernährung für die genannten Fälle verantwortlich gemacht. Auch wenn diese unter Experten – wie viele andere „heilbringende Mode-Ernährung“ – umstritten ist, ist das, wie oben geschildert nur „die halbe Wahrheit“: Getreidefreie Fütterung scheint nicht generell verantwortlich zu sein. Sondern eben nur einige getreidefreie Fertigfutter-Sorten.
In wieweit es sinnvoll ist, Hunde so zu ernähren, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Annahme, man müsse Hunde ernähren wie Wölfe, ist längst überholt. Hunde sind nach 20.000-jährigem Zusammenleben mit dem Menschen keine Wölfe mehr. Ihr Verhalten, ihr Körperbau und eben auch ihr Stoffwechsel hat sich längst dem Menschen angepasst, sie können längst Getreide verdauen.

Quellen: FDA, Dr. Ingo Schneider

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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