Weintrauben: Tödliche Gefahr – aber nicht für jeden Hund

Screenshot Video "Weintraubenvergiftung bei Hunden"

Immer wieder geht die Botschaft durchs Netz: „Weitrauben und Rosinen sind tödlich-giftig für Hunde.“ Stimmt das wirklich? Hypothesen gibt es viele, doch die Gründe sind nicht eindeutig geklärt: Tanninintoleranz, Belastung der Früchte mit Schwermetallen, Pestiziden oder Pilzgiften, zu viel Zucker oder Vitamin D. Bewiesen ist: Nicht alle Hunde leiden darunter.

Von Henrik Hofmann

Die britischen Giftzentrale für Veterinärmedizin in London hat vor einigen Jahren die Daten von 169 Hunde ausgewertet. Ziel war es, die gefährliche Dosis zu ermitteln und auch effektive Behandlungsmöglichkeiten zu identifizieren. Die Tiere hatten zuvor bis zu zwei Kilogramm Weintrauben, Rosinen und Sultaninen gegessen.

Auf unserem YouTube-Kanal haben wir ein kurzes Video geteilt: Es gibt Hunde, die können gleich kiloweise Weintrauben fressen.

101 Hunde blieben symptomfrei, 68 entwickelten klinische Symptome wie Erbrechen, Durchfall, Apathie und akutes Nierenversagen. Von ihnen erholten sich 50 wieder vollständig, ein Hund erkrankte chronisch. Aber es starben auch 13 Tiere starben und vier mussten eingeschläfert werden – zwei davon jedoch wegen anderer Erkrankungen.

Symptome eines Nierenversagens wie Oligurie, Anurie, Polydipsie, Proteinurie und erhöhte Nierenwerte wurden bei 13 der 15 wegen der Vergiftung verstorbenen Hunde festgestellt, aber nur bei vier der wieder gesundeten Tiere. Es bestand zwar ein Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge an Trauben mit der Schwere der Symptome. Manche Hunde blieben allerdings selbst nachdem sie ein Kilo Rosinen gefressen hatten symptomfrei.

Hund sind unterschiedlich empfindlich

Robuste Rasse – Australien Cattledog beim kiloweisen Weintraubenkonsum. (Screenshot: © Video Jutta Schmidt)

Robuste Rasse – Australien Cattledog beim kiloweisen Weintraubenkonsum. (Screenshot: © Video Jutta Schmidt)

Die Autoren vermuten, dass die Empfindlichkeit gegenüber Weintrauben und Rosinen innerhalb der Hundepopulation unterschiedlich ist. Eine Weintraubenvergiftung können bereits bei Aufnahme von 10 g Weinbeeren pro kg/Körpergewicht (KGW) beziehungsweise weniger als 2,8 g Rosinen pro kg/KGW auftreten. Auch der oft in abgeernteten Weinbergen ausgebrachte Trester kann eine Vergiftung verursachen.

Jutta Schmidt züchtet Australien Cattledogs. Ihre Tiere sind lebender Beweis, dass Trauben nicht für alle Hunde giftig sind. „Wir bauen auf 30 Hektar Wein an. Es ist einfach unmöglich, die Hunde von den Trauben fern zu halten,“ sagt Schmidt. Im Video ist zu sehen, wie einer ihrer Hunde kiloweise Trauben vertilgt.

Symptome

  • Erbrechen und/oder Durchfall
  • Bauchschmerz
  • Apathie
  • Appetitmangel
  • Veränderte Blutwerte, v.a. Ca, Phosphat, Creatinin, Harnstoff
  • Dehydratation
  • Oligurie (ungenügender Harnabsatz)
  • Anurie (kein Harnabsatz)
  • Nierenversagen bis hin zum Tod

Die Sterblichkeitsrate bei betroffenen Hunden beträgt bis zu 50 Prozent. Pathohistologisch zeigen betroffene Tiere Nekrosen der Nierentubuli.

Therapie-Empfehlung

Die besten Ergebnisse in der Therapie wurden erzielt, wenn die Patienten möglichst früh beim Tierarzt vorgestellt wurden. Dann sollte man sie zum Erbrechen bringen. Berichte in der Literatur legen nahe, dass die Früchte eine besonders lange Verweildauer im Magen haben. Ebenfalls empfohlen wird die wiederholte Eingabe von Aktivkohle, da diese an die Früchte bindet.

  • Emetika (erbrechen lassen)
  • Aktivkohle
  • aggressive Flüssigkeitstherapie incl. Diurese
  • evtl. Dialyse

Je nach Schwere der Symptome ist eine aggressive Flüssigkeitstherapie nötig, eventuell in Begleitung von Diurese, um den Urinabsatz zu fördern. Die Nierenfunktion muss engmaschig überwacht werden. Ebenfalls wirksam – aber nicht immer zu bezahlen und nicht in allen Praxen durchzuführen – sind die Hämodialyse und die Peritonealdialyse.

In der von den Briten ausgewerteten Datenbank fallen auch zwei Fälle von akutem Nierenversagen bei Katzen und ein Todesfall bei einem Frettchen nach Aufnahme von Weintrauben auf. Also ist auch bei diesen Tierarten Vorsicht geboten. Bis die genauen Zusammenhänge geklärt sind, sollten Besitzer auf jeden Fall spätestens dann zum Tierarzt gehen, wenn ihre Tiere erste Symptome zeigen.

Quellen:
Journal of Veterinary internal Medicine
cabDirect
Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz

Beitragsbild: screenshot aus dem Video (© Foto: WiSiTiA/hh) – wir-sind-tierarzt.de auf YouTube

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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