Megaösophagus bei Hunden: Trockenfutter als Auslöser?

Röntgenbild Speiseröhre: MegaösophagusEine Ausbruchswelle von sonst eher seltenen Megaösophaguserkrankungen kostete in Australien bisher 13 Hunde das Leben (Foto: Röntgenbild gedehnte Speiseröhre © Tierärzteverband Lettland)

Seit 2014 in Lettland, jetzt aktuell in Australien: Eine ungewöhnliche Häufung von sonst eher seltenen Megaösophagus-Erkrankungen bei Hunden mit insgesamt fast 3o Todesfällen stellt Tierärzte vor ein Rätsel. Als möglicher Auslöser gelten neurotoxische Komponenten in Trockenfutter.

von Annegret Wagner

Das gehäufte Auftreten des Krankheitsbildes „Megaösophagus“ bei Hunden stellt zur Zeit australische Tierärzte vor ein Rätsel. In den letzten Monaten sind bereits 13 Hunde an der eher seltenen Erkrankung gestorben, mindestens 34 weitere Tiere werden aktuell behandelt.Die Präsidentin des australischen Tierärzteverbandes (AVA) Dr. Paula Parker hat sich daher an die Öffentlichkeit gewandt, die Krankheitssymptome erklärt und um weitere Mithilfe gebeten.

Schluckstörungen und Erbrechen

„Bei der Speiseröhre (Ösophagus) handelt es sich im wesentlichen um einen Muskelschlauch, der das Futter vom Mund durch die Brusthöhle in den Magen befördert. Megaösophagus bedeutet, dass die Speiseröhre ausgedehnt ist und das Futter nicht mehr normal zum Magen transportiert wird“, beschreibt Paula Parker das Problem: Klinische Anzeichen seien daher Schluckstörungen oder Erbrechen von unverdautem Futter. Die betroffenen Tiere fressen widerwillig oder gar nicht. Außerdem besteht die Gefahr, dass Futter oder Flüssigkeit in die Luftröhre gelangt und zu Husten oder Atemnot führt.

Die Ursachen für einen Megaösophagus sind vielfältig. Neben der angeborenen Form kommen vor allem Verletzungen der Speiseröhre, Erkrankung der versorgenden Nerven und verschiedene Toxine in Frage. „Es ist – wie bei jeder Erkrankung – wichtig, dass Tierbesitzer bei den ersten Anzeichen einer veränderten Futteraufnahme oder Husten sofort einen Tierarzt aufsuchen“, betont Parker. Da eine Verbindung zwischen einem bestimmten Trockenfutter und der Erkrankung möglich sein könnte, seien die australischen Tierärzte sensibilisiert.

Trockenfutter als Auslöser?

Im Verdacht, etwas mit der Erkrankungswelle zu tun zu haben, steht das Trockenfutter ADVANCE Democare von Mars Petcare. Alle betroffenen Hunde hatten es erhalten. In manchen Haushalten erkrankten gleich mehrere Hunde, was auf eine gemeinsame Ursache hindeutet. Bisher konnte allerdings noch kein kausaler Zusammenhang zwischen Futter und Auftreten der Krankheitsfälle belegt werden. Mars hat aber vorsichtshalber das Produkt so lange vom Markt genommen, bis weitere Erkenntnisse vorliegen.

: Screenshot Mars-Webseite: Vorbeugender Rückruf durch Mars Petcare Australien, bis mögliche Zusammenhänge geklärt sind.

Vorbeugender Rückruf durch Mars Petcare Australien, bis mögliche Zusammenhänge geklärt sind. (Foto: Screenshot Mars-Webseite)

Vergleichbare Ausbruchswelle in Lettland

Bereits in den Jahren 2014/2015 gab es eine ähnlich ungewöhnliche Häufung von Hunden mit Megaösophagus in Lettland: Dort erkrankten gut 140 Tiere. Als Ursache nehmen die Tierärzte ebenfalls Futter an. In diesem Falle jedoch das eines lokalen Herstellers, denn rund 94 Prozent der betroffenen Hunde hatten dieses Futter erhalten.
Die lettischen Kollegen haben die klinischen Symptome nach Häufigkeit sortiert:

  • 94 Prozent der Hunde zeigten Erbrechen oder Regurgitieren,
  • bei 78 Prozent der Tiere traten Atemnot und Husten auf
  • und bei 72 Prozent lag eine Dysphonie (Stimmstörung) vor.
  • 61 Prozent der erfassten Hunde litten durch die Schwierigkeiten bei der Futteraufnahme an einem deutlichen Gewichtsverlust (mehr als zehn Prozent)
  • und 52 Prozent darüber hinaus unter allgemeiner Schwäche.
  • 16 der erkrankten Hunde (17 Prozent) mussten aufgrund der extremen Gewichtsabnahme beziehungsweise Schwäche euthanasiert werden.

Aufruf zur internationale Mithilfe

Den lettischen Kollegen ist es – genau wie den australischen – noch nicht gelungen, den genauen Zusammenhang zwischen Futter und Erkrankung zu ergründen. Sie vermuten eine neurotoxische Komponente im Futter, haben aber nichts Entsprechendes nachweisen können.
Daher bittet PhD. Ilze Matīse-Vanhoutana alle internationalen Kollegen um Mithilfe und Erfahrungsaustausch.

In einem TED-Talk (Video/Englisch) berichtet die lettische Kollegin Ilze Matīse‑VanHoutana wie es ist, als Tierärztin im „Zentrum eines Skandals“ zu stehen:

Quellen:
Megaösophagus-Ausbruchswelle in Australien – FECAVA
Information der Australian Veterinary Association (AVA)
Information des Lettischen Tierärzteverbandes
Rückruf Mars-Petcare Australien (Link abgerufen: 2.4.2018)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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