Biosicherheit ist eines der zentralen Themen in der modernen Tierhaltung. Das Ziel: Keine Krankheiten in einen gesunden Tierbestand einschleppen. Tierärzte sind durch ihre vielfältigen Tierkontakte dabei ein besonderer Risikofaktor. Aus den USA kommt ein Update, woran Tierärzte beim Thema Biosicherheit denken müssen.
(aw) – Im Rahmen der vorgeschriebenen Bestandsbetreuung besuchen Tierärzte regelmäßig Betriebe – aus ökonomischen Gründen auch mehrere pro Tag. Damit gehören sie zu der Personengruppe, die potentiell Krankheitserreger von Betrieb zu Betrieb „übertragen“, denn: Je mehr Kontakt man zu verschiedenen Schweinehaltungen hat, desto größer wird das Risiko. Die spanische Kollegin Anna Romagosa von PIC Europe hat auf der Jahrestagung der amerikanischen Schweinpraktiker (AASV / American Association of Swine Veterinarians) noch einmal auf Punkte hingewiesen, die bei überschaubarem Aufwand ein Plus an Sicherheit bringen.
Priorität 1: Kommunikation und Planung
Kommunikation ist für Anna Romagosa sehr wichtig: “Wenn Sie planen, mehrere Betriebe pro Tag zu besuchen, sollten Sie das auch den Landwirten sagen.“ Termine, bei denen direkt am Tier gearbeitet werden muss (z.B. Probenentnahmen oder Behandlungen) gehören für Romagosa dabei immer ans Ende einer Tour. Sie rät zur sorgfältigen Planung der Betriebsreihenfolge. Außerdem erwartet sie von den Tierärzten, dass sie sich auch selbst „unter Quarantäne stellen“ – und zwar dann, wenn sie in einem Betrieb auf ein infektiöses Krankheitsgeschehen stoßen. Dann sollten keine weiteren Besuche am gleichen Tag erfolgen.
Tips über das „Schwarz-Weiß-Prinzip“ hinaus
Einige der folgenden Ratschläge Romagosas gehen über das Schwarz-Weiss-Prinzip hinaus, das in Deutschland mehr oder weniger gründlich eingehalten wird. „Schwarz“ steht dabei für die Stallumgebung, die nicht als sauber gilt und „Weiß“ für die Bereiche in einem Stall, die nur mit betriebseigener Schutzkleidung betreten werden dürfen, damit keine Krankheitserreger eingeschleppt werden.
Vor dem Stall
- Auto nicht direkt am Stall parken – stattdessen besser außerhalb des Bereiches abstellen, in dem hofeigene Maschinen agieren. Autos können pathogene Keime genauso aufnehmen und weiter verteilen wie Menschen.
- Auto nur mit Plasik-Überschuhen verlassen – so kann kein unerwünschter Schmutz an die Schuhe gelangen.
Im Stall
- Allgemeine Hygieneregeln beachten – Händedesinfektion ist immer Pflicht.
- Bestandsspezifische Reinigungsprotokolle einhalten – entsprechende (betriebseigene/Einmal-) Schutzkleidung tragen sowie Ein/Aus-Duschen sind der Königsweg.
- Keine unnötigen Instrumente, Medikamente oder Geräte mit in die Stallungen nehmen.
Nach einem Besuch
- Auto im Anschluss an einen Bestandsbesuch desinfizieren – das gilt, wenn möglich. Den Innenraum auch zwischendurch reinigen: Lenkrad, Fußmatte und Pedale mit Desinfektionsmittel abwischen.
- Equipment sorgfältig verpacken – alle im Betrieb verwendeten Gegenstände und Medikamente sollten im Auto gut „isoliert“ transportiert oder vor Ort entsorgt werden.
- Entnommene Proben sorgfältig transportieren – man sollte sie so behandeln, als seien sie infektiös.
- Falls ein hochpathogenes Geschehen vermutet wird, sollte sich der Tierarzt selbst unter Quarantäne stellen und keineswegs weiter arbeiten.
Grundausstattung eines Tierarztwagens
Darüber hinaus empfiehlt Dr. Romagosa allen Tierärzten, folgende Hygieneartikel immer im Auto dabei zu haben:
- Handdesinfektionsmittel und Seife
- Plastiküberschuhe
- Desinfektionsmittel (z.B. antibakterielles Spülmittel, Wasserstoffperoxid, Virkon-S), Bürste, kleinen Eimer)
- Mülltüten
Für Tierärzte beginnt Biosicherheit – das machte Dr. Romagnosa in ihrem Vortrag deutlich – bereits weit vor der Stalltür und nicht erst mit den spezifischen Sicherheitsmaßnahmen auf einem Betrieb.
In Deutschland gibt es im Zusammenhang mit der Biosicherheit immer wieder Kritik an der „7-Tage-Regel“. Sie besagt, dass Tierärzte Antibiotika nur für sieben Tage auf einem Betrieb lassen dürfen – also ist nach Ablauf dieser Frist erneut ein Besuch fällig. Das erhöht auf der einen Seite die Zahl der Betriebsbesuche und ist damit eine gewisses Hygienerisiko. Auf der anderen Seite ist es ein Qualitätssicherungsinstrument für die Behandlung. Einer von vielen Zielkonflikten in der Nutztierhaltung.