Unversorgte Zahnprobleme bei Nagern, zu kleine oder ungeeignete Volieren und Terrarien, schwere Mangelzustände bei Reptilien – für die Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg gibt es auch bei Heimtieren erhebliche Tierschutzprobleme. Sie hat deshalb einen konkreten Formulierungsvorschlag für eine „Tierschutz Heimtierverordnung“ vorgelegt.
(jh) – Über die artgerechte Haltung von Nutztieren wird öffentlich intensiv gestritten. Hier gibt es Vorschriften wie die Schweinhaltungshygieneverordnung oder auch den Entwurf für eine Rinderhaltungshygienverordnung. Für die über 30 Millionen Haus- und Heimtiere aber fehlen – außer den allgemeinen Vorschriften des Tierschutzgesetzes – konkrete Vorgaben. Hier sieht die Landestierschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Handlungsbedarf. Dr. Cornelie Jäger erhofft sich von einer Verordnung zum Schutz von Heimtieren bei Haltung, Zucht und Handel „insbesondere einen präventiven Effekt für die Heimtierhaltung.“ Häufig entstünden aus „fehlender Kenntnis bei den Tierhaltern gravierende Probleme für die Tiere.“
Grundlage für den Vollzug
Jäger will die Überwachung von Tierhaltungen in Wohnräumen nicht ohne Maß und Ziel ausdehnen. Aber: Neben dem präventiven und informierenden Charakter, könne eine solche Verordnung auch eine wertvolle Beurteilungsgrundlage für vielfältige Fragestellungen des Tierschutz-Vollzugs darstellen.
Im Klartext: Erst wenn es Tierhaltungsvorschriften für Haustiere gibt, können die Behörden diese auch wirklich durchsetzen.
Zentrale Forderung: Sachkundenachweis
Tierhalter müssen vor Beginn einer Heimtierhaltung ein Mindestmaß an (überprüfbarer) Sachkunde erwerben. Wenn ein Haushalt Tiere halte, müsse es mindestens eine verantwortliche Person mit tierartspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten geben.
Das ist eine zentrale Forderung des Diskussionsvorschlages aus Baden-Württemberg. Was diese Sachkunde umfassen sollte, das regelt der Entwurf und die ergänzenden „Heimtier-Karten“. Die beschreiben die Grundanforderungen an die Haltung von 35 einzelner Tierarten und reichen von der Farbmaus über den Weißbauchigel bis zu Edelsittichen und „unzertrennlichen“ Vogelarten sowie Reptilien.
„Heimtier-Karten“ mit konkreten Haltungsvorgaben
Der Inhalt der „Tierschutz Heimtierverordnung“ (TierSchHeimtV) gliedert sich ansonsten in 29 Paragraphen und einen Anhang (die Heim-Tierkarten). Das reicht von der Ausformulierung von Selbstverständlichkeiten (tägliche Versorgung mit Futter und Tränkewasser in ausreichender Menge und Qualität) bis zu Vorschriften für die Haltungseinrichtungen (Käfige, Terrarien).
Versorgung durch den Tierarzt ist Pflicht
Auch die „verbesserungsbedürftige Tiergesundheit bei Heimtieren“ regelt der Verordnungsentwurf. Die Tiere sind demnach mindestens einmal täglich auf Krankheitsanzeichen und Verletzungen zu überprüfen. Soweit erforderlich sei unverzüglich das Hinzuziehen eines Tierarztes zu veranlassen. Wenn Tiere Auslauf im Freien erhalten, sind sie verpflichtend in regelmäßigen Abständen gegen Infektionskrankheiten zu impfen und bei Bedarf gegen Parasiten zu behandeln.
29 Paragraphen: Von Kennzeichnungspflicht bis „Käfig-TÜV“
Weitere Vorschriften der Verordnung …
- … fordern eine Kennzeichnungspflicht für Hunde und Katzen mit Registrierung in einer Datenbank. Für Freigängerkatzen gilt eine Kastrationspflicht.
- … regeln, dass Heimtiere sozial lebender Tierarten nicht einzeln gehalten werden dürfen. Ausnahmen gelten nur bei Krankheiten.
- … machen konkrete Platzvorgaben für einzelne Tierarten und zur Ausgestaltung der Haltungseinrichtungen („Käfig-TÜV“). So sind etwa für Hauskatzen mindestens 15 Quadratmeter Platz vorgeschrieben. Frettchen (Käfigmindestgröße 2 qm) müssen sich einmal täglich für mehrere Stunden außerhalb des Käfigs bewegen können. Vorschriften gibt es auch für Kleinsäuger und Vögel.
- … verbieten „tierschutzwidriges Zubehör“ insbesondere für Heimtiere oder Vögel. Was darunter zu verstehen ist, wird ebenfalls gesondert definiert.
Vorgaben für Züchter
Wer Tiere züchten will, muss ein Zuchtbuch führen. Beim Verkauf hat er sich über die Sachkunde des Käufers zu informieren und diesen schriftlich über Vorgaben der artgemäßen Haltung zu unterrichten. Auch eine unentgeltliche Abgabe oder Abgabe gegen eine Schutzgebühr gilt laut Verordnungsentwurf als Handel.
wir-sind-tierarzt.de meint: Guter Vorschlag
(jh) – Es tut sich was beim Tierschutz für Haustiere. Das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium startet mit der Webseite „Haustierberater“ eine Informationskampagne – erkennt also das Problem an.
Was aber immer noch fehlt, sind eben konkrete Vorschriften. Erst wenn es gesetzliche Tierhaltungsvorgaben für Haustiere gibt, können die Behörden sie auch wirklich durchsetzen.
Die Vorarbeit aus Baden-Württemberg ist hier sehr konkret. Sie könnte die lange laufende Diskussion ein Stück weiter voranbringen. Und das ist notwendig.