Deutschlandweite Kaninchenseuche: Update zu RHDV-2

Die wichtigsten Fragen zur Kaninchenseuche RHDV/RHDV2 beantwortet das FLI in einem Fragen- und Antwortenkatalog (Foto: © Titelseite FLI-FAQ)

Für ungeimpfte Kaninchen endet die auch „China-Seuche“ genannte RHDV-2 Infektion meist tödlich. Inzwischen hat sich das Virus deutschlandweit etabliert. Ein Update zu zugelassenen Impfstoffen, den Empfehlungen der StIKO Vet und einem Frage-Antwort-Katalog des Friedrich-Loeffler-Institutes.

(jh) – Zuletzt nannte Schleswig-Holstein Anfang Oktober Zahlen zur RHDV-2-Verbreitung: In 2017 konnte das Landeslabor das Virus bereits bei 33 von 44 untersuchten Tieren aus unterschiedlichen Landesteilen nachweisen (30 Haus- und 3 Wildkaninchen). Auch in Berlin und Umgebung wurden bis September insgesamt 21 Seuchenausbrüche durch RHDV-2 bestätigt. Deutschlandweit verbindliche Zahlen gibt es nicht, da für die Rabbit Haemorrhagic Disease (RHD) keine Meldepflicht gilt. Die Dunkelziffer der nicht erfaßten Fälle gilt als sehr hoch. Das FLI hält aber fest: Die Fallzahlen mit hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten steigen weiter an.

Nur Impfung schützt

Ohne Impfung verläuft die Krankheit sehr oft tödlich. Allerdings variiert die Todesfallrate deutlich (20-100 %) und hängt unter anderem stark vom Immunstatus, Alter und dem Allgemeinzustand der Tiere ab. Schutz bietet nur eine Impfung. Inzwischen sind in Deutschland zwei Impfstoffe zur Immunisierung gegen RHDV-2-Infektionen zugelassen:

  • Filavac VHD K C+V (aus Frankreich) enthält einen inaktivierten RHDV+RHDV-2 Stamm. Impfung ab der 10. Woche einmalig, Immunität nach 7 Tagen, Auffrischung alle 12 Monate, in stark durchseuchten Gebieten, wird empfohlen alle 6 Monate zu boostern.
  • Cunipravac RHD Variant (aus Spanien) ist in Deutschland unter dem Namen Eravac zur Impfung von Mastkaninchen zugelassen (inaktivierter RHDV-2 Stamm). Impfung ab dem 30. Lebenstag, erste Immunität nach 7 Tagen, Booster nach 6 Wochen, Auffrischung alle 6 Monate.
  • Die klassischen RHD-Impfstoffe Cunivak RHD und RIKKA-VAC RHD schützen einen Großteil der Tiere vor dem letalen Ausgang der RHDV-2-Infektion. Vorübergehende Krankheitserscheinungen wie Fieber und Inappetenz können jedoch nicht ausgeschlossen werden (Details: Tabelle c / Indikation StIKO Vet-Hinweise).

Die Ständige Impfkommission der Veterinärmedizin (StIKO Vet) hat mit neuen „Hinweisen zu neuen RHDV-2-Impfstoffen“ (PDF-Download – Stand 4/2017) ihre bisher geltende „Stellungnahme zur Immunisierung von Kaninchen gegen RHDV-2“ (PDF-Download – Stand 11/2016) ergänzt.
Die Hinweise beschreiben im Tabellenteil, welche zugelassenen Impfstoffe es gegen RHD und RHDV-2 gibt und wie sie angewendet werden.
Über die beste Kombination der Impfungen gegen RHDV-2, klassische RHD und Myxomatose berät der Tierarzt individuell. Obwohl RHDV-2 sich flächendeckend in ganz Deutschland ausgebreitet hat, darf der Schutz gegen die klassische RHD nicht vernachlässigt werden, da sie mitnichten ausgerottet ist.

FLI beantwortet die wichtigsten Fragen zu RHDV-2

Die wichtigsten Fragen zur Kaninchenseuche RHDV/RHDV2 beantwortet das FLI in einem Fragen- und Antwortenkatalog (Foto: © Titelseite FLI-FAQ)

Unter dem Titel
FAQ – Hämorrhagischen Krankheit der Kaninchen (RHDV, RHDV-2 – PDF-Download)
hat das Friedrich-Loeffler-Institut einen ausführlichen Fragen- und Antworten-Katalog (FAQ) erstellt. Themen sind unter anderen:

  • Was unterscheidet die beiden Virus-Varianten? Anders als bei RHDV erkranken an RHDV-2 auch sehr junge Tieren (unter 2 Wochen). Es existiert keine Nestlingsimmunität bei Tieren, die jünger als 4-6 Wochen alt sind.
  • Wie wird RHD übertragen? In erster Linie durch direkten Kontakt. Dabei spielen Wildkaninchen und Grünfutter, das mit Ausscheidungen infizierter Wildkaninchen verunreinigt ist, eine wichtige Rolle. Eine Infektion ist aber auch indirekt über Personenkontakt und Gegenstände möglich.
  • Was ist nach einem Ausbruch der Krankheit in einer Kaninchenhaltung zu beachten? Gegenstände, die mit erkrankten Tieren in Kontakt gekommen sind (z. B. Kleidungsstücke und Schuhsohlen, Gehege, Käfige) müssen gründlich gereinigt und mit geeignetem Desinfektionsmittel gegen unbehüllte Viren(!!) exakt nach jeweiliger Anweisung desinfiziert werden. Eine Liste geeigneter Präparate findet man über die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft hier.
    Wie man mit den Ställen, Erdreicih und Wiesenflächen umgehen kann, haben Kaninchenhalter hier beschrieben.
  • Wie haltbar ist das Virus in der Umwelt? RHDV und RHDV-2 sind sehr überlebensfähig. Bei höheren Temperaturen (bis 50° Celsius) und Trockenheit bleiben die Viren über längere Zeit stabil, z.B. getrocknet bei Raumtemperatur mindestens über 15 Wochen. In Kadavern hält sich das Virus bei tiefen Temperaturen nachweislich sieben Monate.
    Tote Kaninchen sollten bei RHDV-Verdacht deshalb unbedingt über die Tierkörperbeseitigung entsorgt und nicht im Garten vergraben werden.
  • Warum überleben einige Tiere und andere sterben, obwohl sie mit dem gleichen Impfstoff geimpft sind? Dieses Phänomen ist nicht RHD-spezifisch, sondern wird auch bei anderen aggressiven Infektionskrankheiten beobachtet. Eine übergreifende und genaue Erklärung dafür gibt es nicht, hierfür sind die immunologischen Faktoren zu komplex. Das kann z. B. vom Alter, Rasse und Geschlechts abhängen.
  • Kann ein Kaninchen, das eine RHDV-2-Infektion überstanden hat, das Virus weiterhin übertragen? Das ist wissenschaftlich nicht belegt, aber Erfahrungsberichte zur Virusdynamik/ Re-Infektion in Kaninchenbeständen (Epidemiologie) unterstützen die Annahme, dass es tatsächlich zur Infektion von neueingestallten Tieren durch Dauerausscheider kommen kann.

Quellen:
direkt im Artikel verlinkt
Übersichtsseite des FLI zur „Hämorraghischen Kaninchenkrankheit“ mit weiterführenden Links

Auch viele Kanninchenhaltervereine/verbände informieren auf ihren Webseiten über RHDV-2 – zwei Beispiele: ein Flyer (PDF-Download) und eine Webseite .
In diesem Forum sind „Ausbrüche“ 2016/2017 sortiert nach Postleitzahlen. Dies ist aber keine „offizielle Fallliste“(!) 

Hintergrund RHDV/RHDV-2:

Die hämorrhagische Krankheit der Kaninchen wird durch ein Calicivirus, das Rabbit Haemorrhagic Disease-Virus (RHDV), verursacht. Nachdem das klassische RHDV seit den 1980er-Jahren bekannt ist, wurde erstmals 2010 eine weitere Virusvariante – RHDV2 – nachgewiesen. Sie trat in Frankreich, später auch in Italien und auf der Iberischen Halbinsel auf, und verursachte auch bei geimpften Tieren eine Letalität von bis zu 50% .
2013 wurde diese, als RHDV-2 (in Spanien auch als RHDVb) bezeichnete Variante erstmals in Deutschland (NRW) nachgewiesen. Inzwischen hat sich RHDV-2 deutschlandweit verbreitet.
An beiden Virusvarianten können Haus- und Wildkaninchen sowie an RHDV2 zusätzlich Feldhasen erkranken.

Krankheitsbild der Rabbit Haemorrhagic Disease (RHD)

RHD-Symptome an Leber und Lunge eines erkrankten Kaninchens

RHD-Symptome an Leber und Lunge eines erkrankten Kaninchens (Foto: © CVUA Karlsruhe)

Die Krankheitssymptome der klassischen RHD sind nicht von denen der RHD2 zu unterscheiden. Beide Erkrankungen führen bei bis zu 100 Prozent der infizierten Tiere zum Tod. Oft sind 12 bis 36 Stunden zuvor Fieber, Fressunlust, Teilnahmslosigkeit und untypische Krankheitsanzeichen erkennbar. Diese Anzeichen können teilweise mit Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen sowie Blutungsneigung verbunden sein.
Die Erkrankung ist durch einen perakuten Verlauf gekennzeichnet, der mit einer nekrotisierenden Hepatitis und einer generalisierten Gerinnungsstörung einhergeht. Es kommt zu hohem Fieber und bei ca. 10-20 Porzent der Tiere zu blutigem Nasenausfluss. Klinisch erkrankte Tiere verenden in der Regel nach 24-72 Stunden, chronische Verlaufsformen werden nur selten beobachtet.
Jungtiere bis zu einem Alter von 8-10 Wochen erkranken nicht an der klassischen RHD-Form (juvenile Resistenz). Das gilt nicht für die neue RHDV-2-Variante. Sie infiziert auch sehr junge Tier (unter 2 Wochen). Es existiert keine Nestlingsimmunität.

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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