Mit einem Bauchschuss hat ein Landwirt einen Tierarzt schwer verletzt. Der Leiter des Veterinäramtes im Landkreis Cuxhaven war in Polizeibegleitung auf dem Hof, um Tiere einzuziehen. (aktualisiert: 6.2.2017)
(jh) – Polizisten und mehrere Veterinäramtsmitarbeiter hatten am Mittwochmorgen (1.2.2017) den Hof aufgesucht, um die dort gehaltenen Rinder, Schafe und Pferde „aufgrund unsachgemäßer Haltung aus der Obhut des Landwirts zu entziehen“, wie es im Polizeibericht heißt. Der Landwirt (55) sei bei dem Einsatz kurz ins Haus gegangen. „Als er das nächste Mal rauskam, hat er geschossen“, sagte ein Polizeisprecher. „Plötzlich und unvermittelt“.
Der Leiter des Veterinäramtes Cuxhaven (65) wurde getroffen und erlitt schwere Verletzungen im Bauchbereich. Sein Zustand sei auch einen Tag nach der Tat stabil, aber weiterhin kritisch. Er wäre in drei Monaten pensioniert worden.
Ein begleitender Polizist hatte nach dem Angriff einen Warnschuss abgegeben, worauf sich der Tierhalter widerstandslos festnehmen ließ. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Haftbefehl wegen versuchten Totschlages erlassen.
Behörden wußten von der Waffe
Der 55 jährige Landwirt galt als ein schwieriger, unkooperativer Mensch. Dass er zwei Waffen – Erbstücke – besaß, war den Behörden bekannt. Er war zuletzt 2011 vom Ordnungsamt überprüft worden, durfte die Waffen besitzen, aber nicht nutzen. Die Munition müsse er sich illegal beschafft haben.
Der Landrat des Landkreises Cuxhaven, Kai-Uwe Bielefeld, zeigte sich gegenüber der Kreiszeitung bestürzt: „Ich bin entsetzt darüber und fassungslos, was dort passiert ist.“ Der schwer verletzte Leiter des Veterinäramtes sei ein äußerst erfahrener Tierarzt und sehr erprobt in Konfliktsituationen. Rangeleien und Pöbeleien gebe es bei solchen Maßnahmen immer wieder, schwere Gewalttaten nicht. „Mit einem solchen Gewaltexzess war überhaupt nicht zu rechnen.“
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian beklagte die zunehmende Gewalt gegen Tierärzte: Es sei „unfaßbar“ und „vollkommen inakzeptabel, Vertreter staatlicher Stellen, die ihrer Aufgabe nachkommen, einzuschüchtern, sie zu bedrohen oder Gewalt gegen sie auszuüben.“
Mehrere Verfahren wegen Tierhaltungsmängeln
Die Behörden hatten den Landwirt wegen seiner Tierhaltung schon länger im Blick. Es habe zahlreiche Gespräche und Verhandlungen gegeben, sagte der Landrat. Das Verwaltungsgericht hatte zuletzt ein Tierhaltungsverbot bestätigt, das die Amtstierärzte vollstrecken wollten. Die Tiere sollten an Viehhändler übergeben werden.
Der Deutsche Landkreistag (Erklärung hier) und der Niedersächsische Landkreistag (Erklärung hier) zeigten sich bestürzt über die erneute Gewalttat und verurteilten sie scharf. Sie appellieren an die Bürger, bei Konflikten zwischen der Behördenentscheidungen und den Menschen, die sie umsetzen (müssen), zu unterscheiden.
Mehr Gewalt gegen Amtstierärzte?
- Anfang 2015 hatte in Brandenburg ebenfalls ein Landwirt auf Mitarbeiter des Veterinäramtes geschossen und einen Angestellten getötet (wir-sind-tierarzt berichtete hier). Das Landgericht Potsdam verurteilte den 72-Jährigen Landwirt im September 2015 zu sieben Jahren Haft (ein Prozeßbericht hier).
- Im Mai 2016 steigt ein Landwirt auf seinen Trecker und rammt fünf Polizeiautos und zwei Transporter von Veterinären von der Strasse. Ein Tierarzt wurde dabei verletzt. Sie sollten den Rindern im amtlichen Auftrag Ohrmarken einziehen.
- Oktober 2016 hatte ein Landwirt im Kreis Kleve mit einer Eisenstange auf zwei Veterinäramtsmitarbeiter eingeschlagen und einen von ihnen schwer verletzt. Er wurde wegen versuchten Mordes angeklagt. Der Veterinärausschuss des Landkreistages NRW hat dazu eine Stellungnahme verfasst (PDF-Download).