Ich erhielt einen Anruf: „Mein Nachbar hat seinem Hund mit einem Teppichmesser den Hals durchgeschnitten.“ Ich dachte: „Ja, ja, erzähl Du mal …“ Protokoll einer unglaublichen Geschichte.
Gastbeitrag von Amtstierarzt Sebastian Buchmann
Ich bat den Anrufer, Daten und eventuelle Fotos per Mail zu senden. Zwei Stunden später erhielt ich die Adresse – und Fotos von Blutlachen und einer Mülltonne mit Hund drin. Ich fuhr mit einer Kollegin hin, fand Mülltonne, Blut und Teppichmesser im Hof. Allerdings keinen Hund.
Nun suchten wir den Angezeigten auf. Ein 74 jähriger Herr öffnete und sagte, nachdem wir uns vorgestellt hatten, (scheinbar) unberührt: „Dann werde ich wohl bestraft.“ Er gab alles zu. Als Grund gab er an, er sei von seinem sechsjährigen Rüden, den er als Welpe bekommen habe, gebissen worden.
Beim Spiel gebissen
Der Hergang war wie folgt: Sein Nachbar habe auch einen Hund. Beide sollten zusammen spielen, wollten dies jedoch nicht, sondern „prügelten“ sich. Beim Versuch, die Hunde zu trennen, sei er von seinem gebissen worden. Er wies auf seine Hand, die jedoch unverletzt schien: So was gehe ja nicht, daher habe er den Hund umgebrungen (O-Ton).
Auf den Hinweis, dass ein solches Verhalten beim Hund ganz natürlich im Kampf sei, antwortete er nicht. Auf den weiteren Hinweis, das dies eine Straftat sei, meinte er, dann müsse man ihn halt bestrafen. Danach teilte er noch mit, dass die Polizei alles aufgenommen und den Hund mitgenommen habe. Die Frage, ob er noch einmal Tiere halten wolle, verneinte er.
„ungeheuerliche Tat, vollkommen emotionslos …“
Die Kollegin und ich waren sprachlos. Ich dachte, ich kenn schon alles. Doch diese Schilderung einer ungeheuerlichen Tat so vollkommen emotionslos …. solch ein Verhalten war mir bisher völlig fremd. Ich habe über derartige emotionale Entgleisungen in Berichten über das Personal von Konzentrationslagern gelesen. Aber in Natura ist es schon gruselig.
Wir haben Strafanzeige gestellt. Wegen des Alters und des Alkoholspiegels von 1,4 Promille, wird das Verfahren wohl eingestellt. Was bleibt ist das Entsetzen. Über das Verhalten „sonst ganz unauffälliger Mitbürger“.