Weniger als einen Cent pro untersuchtem Brutei kostet die technische Geschlechtserkennung im Hühnerei. Das hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) berechnet. Ab wann das Verfahren serienreif ist, sagt das BMEL nicht (mit Video der Verfahren).
(jh) – Die Kostenberechnung des BMEL bezieht sich auf das spektroskopische Verfahren zur Geschlechtserkennung. Es ist eine von zwei möglichen technischen Lösungen (Erklärung in den Videos unten). Als dritte Variante wäre noch die – am Endprodukt deutlich teurere – Aufzucht von Zweinutzungsrassen denkbar. Die Zahlen hat das BMEL auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) berechnet.
Rechtsstreit um Kükentötung
Ein Legehennenküken hat laut der BMEL-Rechnung aktuell einen Marktpreis von 88 Cent. Per Geschlechtserkennung im Ei sollen künftig die männlichen Küken der Legehennenrassen schon vor dem Bebrüten erkannt und aussortiert werden. Bisher werden die etwa 50% männlichen Eintagsküken (jährlich rd. 45 Mio) getötet, da sie keine Eier legen können, aber auch als Masttiere nicht ausreichend (schnell) Fleisch ansetzen. Ob das Tierschutzgesetz dieses Vorgehen deckt, darüber wird vor Gericht gestritten (mehr siehe unten).
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Modellrechnung basiert auf 20 Millionen untersuchten Eiern
Jährlich müssten in Deutschland etwa 100 Millionen Bruteier untersucht werden. Bei rund 50 Prozent weiblichen Tieren, kostet das Verfahren damit unter zwei Cent je produziertem weiblichen Küken. Erbringt diese Legehenne dann später die durchschnittliche jährliche Legeleistung von etwa 300 Eiern, würden die Mehrkosten umgerechnet auf die Eier im Handel 0,007 Cent pro Ei betragen. Bei dieser Kostenkalkulation des BMEL erzeugt eine Brüterei jährlich zehn Millionen weibliche Legehennen. Sie müsste als etwa 20 Millionen Bruteier untersuchen.
Diese Größe erreichen aber nicht alle Brütereien. So halten in Niedersachsen 13 Brütereien Brutplätze für rund 22 Millionen Küken vor. Kleinere Betriebe dürften also höhere Kosten haben. Laut BMEL sollen die Brütereien künftig die Kosten der Geschlechtserkennung tragen.
Mehrkosten sind verhältnismäßig
Diese geringen Mehrkosten seien angesichts des damit verbundenen Fortschritts im Tierschutz aber verhältnismäßig, schreibt das BMEL. Dass die Kosten vergleichsweise gering ausfallen, liege daran, dass das Verfahren auch Kostenvorteile bringt: Mit der Geschlechtsbestimmung können Brutkapazitäten und Energiekosten sowie die Personalkosten der Mitarbeiter für die bisher manuelle Geschlechtserkennung eingespart werden. Auch kann man die Eier der männlichen Küken noch verwerten, etwa in der Futtermittelherstellung oder der chemischen Industrie („Ei-Shampoo“).
Videos des BMEL
1. Geschlechtserkennung im Ei: Spektroskopische Verfahren
2. Geschlechtserkennung im Ei: Endokrinologisches Verfahren
Grüne Bundesländer: Verbotserlasse mit unterschiedlichem Enddatum
Niedersachsen ist Geflügelland Nummer eins. Dort will der Grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer 2017 die Kükentötung verbieten.
Für NRW (fünf Brütereien) hatte NRW-Minister Remmel bereits 2013 einen Erlass zum Kükentötungsverbot geschrieben, der dann aber 2015 vor Gericht kassiert wurde.
Hessens Grüne-Landwirtschafsministerin Priska Hinz wiederum hat einen Verbotserlass mit unbestimmten Datum herausgegeben – Zitat: „Unsere Untersagung greift zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Dieser wird durch die weitere Entwicklung und Automatisierung eines geeigneten technischen Verfahrens bestimmt.“ Gegen dieses „weiche Verbot“ hat die in Hessen angesiedelte größte Brüterei Deutschlands – anders als die vom „Sofortverbot“ betroffenen Betriebe in NRW – nicht geklagt.
Sobald die Technik zur Geschlechtserkennung marktreif ist, greift – und das ist die Position des Bundeslandwirtschaftsministeriums – sofort das Tierschutzgesetz: Es verbietet die Tötung eines Tieres ohne „vernünftige Grund“. Als Grund hatten Gerichte bisher akzeptiert, das männliche Küken von Legehennenrassen keine Eier legen können.
Ob das so rechtskonform ist wird das Bundesverwaltungsgwricht entscheiden. Es hat die Revision gegen vorinstanzliche Urteile zugelassen.