Erst kamen die großen Kliniketten. Hinter ihnen stehen enorm kapitalstarke Investmentfonds. Jetzt steigt ein kleinerer Player in den deutschen Tierarztpraxismarkt ein: Die Aktiengesellschaft vetmeda zielt als Kooperationspartner auf mittelgroße Kleintierpraxen.
Update Mai 2018: Die Vetmeda AG stellt Ihre Geschäftstätigkeit ein.
von Jörg Held
Seit Mitte Februar 2017 gibt es offiziell einen neuen Player auf dem Kleintier- und Pferdepraxismarkt: Die vetmeda AG, eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Anders als die großen Klinikketten zielt sie auf den Markt der mittelgroßen Praxen mit einem Umsatzvolumen von 400.000 bis 500.000 Euro. Dabei sei aber weniger die Umsatzsumme relevant, als eine „gesunde Ertragslage“. Die beginnt bei (ausbaufähigen) 20 bis 30 Prozent vom Umsatz. In 2017 will vetmeda fünf Partnerstandorte aufbauen.
Wer sonst noch auf dem Markt für Kleintierpraxen aktiv ist, lesen Sie hier
Das Konzept: Geldgeber agieren im Hintergrund
Der deutsche Praxismarkt scheint lukrativ. Unisono sehen alle Investoren hier betriebswirtschaftliche Defizite. Entsprechend will die vetmeda AG – wie auch die Konkurrenzkonzepte (mehr hier) – vor allem die Infrastruktur, sprich Finanzierung und Management-Know-How liefern. Die beteiligten Tierärzte können und sollen ihren Fokus auf den medizinischen Teil legen. Die AG kümmert sich um Finanzierung, Einkauf, Buchhaltung, Marketing, Personalplanung, aber auch Preisgestaltung.
Der zentrale Unterschied zu Kettenmodellen: Der Partnertierarzt kann und soll die Praxis unter eigenem Namen und Auftritt entwickeln. Er ist als selbstständiger Praktiker für das tiermedizinische Profil verantwortlich. vetmeda will keine im Markt zwingend sichtbare eigene Marke/Kette sein. Man sieht sich als langfristig im Hintergrund agierender Kooperationspartner – nicht als Investor mit einer Exitstrategie. „Verdienen“ will die AG am Ertrag der Praxen.
Angestellt und dennoch selbständig?
Gemeinsam gründen Tierarzt und AG am jeweiligen Standort eine Praxis-GmbH. vetmeda strebt dabei (kammerrechtskonforme) Minderheitsbeteiligungen bis 49,9 Prozent an. Der oder die Partnertierärzte – die gemeinsam eine Praxis betreiben wollen – schließen dazu mit der AG einen Gesellschaftsvertrag.
Die Tierärzte sind dann zum einen als Geschäftsführer mit einem Fixgehalt in dieser Praxis-GmbH angestellt. Zum anderen sind sie gemäß ihrer Gesellschafteranteile am Unternehmensgewinn beteiligt.
Zusätzlich schließt die Praxis einen Kooperationsvertrag mit einer Beratungsfirma (siehe unten), die für den Managementpart verantwortlich ist.
Limitierender Faktor: Zu wenig Unternehmertierärzte
Für alle Beteiligungskonzepte im Tierarztmarkt ist momentan die Zahl der (jungen) Praxisgründer der limitierende Faktor. Immer weniger Tierärzte sind bereit, eine eigene Praxis zu gründen. Insbesondere Tierärztinnen wollen mehrheitlich angestellt arbeiten. Viele wollen und können die unternehmerische Verantwortung und auch das finanzielle Risiko nicht alleine tragen.
vetmeda – und auch die Konkurrenzkonzepte – zielen darauf ab, Tierärzten mit einer entsprechenden fachlichen Qualifikation den Schritt in die Selbständigkeit zu erleichtern, indem das Risiko – aber auch der Ertrag – geteilt wird. Die Praxisführung bleibt trotz der betriebswirtschaftlichen Begleitung durch die Investoren eine Unternehmeraufgabe, die nicht mit einer Angestelltenrolle vergleichbar ist.
Beteiligung als Einstieg in den Ausstieg
Zweite Zielgruppe sind Praxisinhaber, die einen (stufenweisen) Ausstieg aus dem Beruf planen. Schon rein demographisch – die Baby-Boomerjahrgänge nähern sich dem Rentenalter – ist dies die größere Gruppe. Alle Branchenkenner prophezeien hier eine Marktbereinigung. Viele Praxen werden keine Nachfolger finden – zumindest nicht zu dem Preis, den die Altinhaber erwarten.
Dieses (finanzielle) Risiko soll geteilt werden. vetmeda steigt als Teilhaber in bestehende Praxen ein, die in einem definierten Zeitraum komplett abgegeben werden sollen. Auch hier übernimmt die AG die Managementaufgaben. Gemeinsam wird die Praxis dann so ausgerichtet, dass sie für einen künftigen neuen vetmeda-Partner attraktiv ist.
Wer steht hinter vetmeda?
Hinter der vetmeda AG stehen aktuell sieben Anteilseigner. Vorstände sind Dr. Andreas Herzog, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens TVD-Consult und Tim Kasten vom Versicherungsdienstleister TVD-Finanz. Herzog ist seit 22 Jahren als Geschäftsführer und Berater in der Tiermedizinbranche aktiv. Das ebenfalls von ihm gegründete Beratungsunternehmen Vet.netzwerk wurde von der schwedischen Klinikkette AniCura übernommen.
Die TVD Consult übernimmt für vetmeda die Managementaufgaben. Die TVD Finanz hat durch ihre bereits bestehenden Aktivitäten in Praxisvermittlung und Gründungsberatung ein branchenweites Netzwerk.
Die vetmeda-Aktien sind (noch) nicht an der Börse handelbar. Die Form der AG hat man gewählt, um flexibel wachsen zu können. So können etwa Praxisverkäufer Anteile aus ihrem Verkauf in die AG reinvestieren, was steuerliche Vorteile bietet.