Männliche Eintagsküken von Legehennenrassen dürfen getötet werden. In erster Instanz hat das Oberverwaltungsgericht Minden den elf Brütereien Recht gegeben, die gegen den NRW-Erlass mit Tötungsverbot geklagt hatten. Das Verfahren geht jetzt in die zweite Runde. Beide Parteien wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Ein einfacher ministerialer Erlass reiche nicht aus, um das Töten männlicher Eintagsküken zu verbieten. Für einen derart weitreichenden Eingriff in die Berufsfreiheit hätte es eine grundsätzliche parlamentarische Entscheidung gebraucht, urteilte das Verwaltungsgericht Minden. Eine Untersagung allein bezogen auf NRW diene außerdem dem angestrebten Tierschutz nur begrenzt. „Das verlagert die mit der Tötungspraxis verbundene Tierschutzproblematik lediglich in andere Länder,“ sagt das Gericht.
NRW geht in Berufung
Der Grüne NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hält das Urteil für falsch: „Es darf nicht sein, dass aus reinen wirtschaftlichen Gründen jedes Jahr 50 Millionen Eintagsküken (in ganz Deutschland, NRW 5,4% davon / Anm. d. Red.) ohne triftigen Grund vergast und geschreddert werden, nur um die Gewinnspanne bei den Unternehmen zu erhöhen.“ Das Land werde in Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster gehen.
Politik wartet auf Gerichte
Offiziell machen die Grün-geführten Bundesländer öffentlich Druck in der Eintagskükenfrage. Doch hinter den Kulissen ist klar, dass beide Seiten den Streit bis zum EuGH führen wollen, um eine überregional tragfähige Rechtsgrundlage zu haben. So hatte Hessen zwar einen ähnlichen Verbots-Erlass verkündet, ihn allerdings daran gekoppelt, dass es eine wirtschaftlich vertretbare und funktionierende Alternative zur Geschlechtsbestimmung gebe. Niedersachsens ebenfalls Grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer will in spätestens fünf Jahren eine Lösung des Problems sehen. So lange dürfte entweder der Rechtsstreit dauern oder bis dahin könnten die Geschlechtserkennungsmethoden im unbebrüteten Ei praktikabel sein.
Gericht: Keine wirtschaftliche Alternative
Auf die bislang fehlende Wirtschaftlichkeit der Alternativen hebt auch das Mindener Gericht ab. Die Richter halten fest: Es gebe derzeit keine Alternativen zur Tötung der männlichen Küken. Die von einem Verbot betroffenen Betriebe stünden unmittelbar vor dem Aus, da es „keine in der Massentierhaltung praxistaugliche oder die allgemeine Konsumentennachfrage deckende Verfahren“ gebe, um das Geschlecht der Küken rechtzeitig zu erkennen oder die Brüder der Legehennen wirtschaftlich aufzuziehen.
Die Vorgeschichte
Im Herbst 2013 hatte das NRW-Verbraucherschutzministerium in einem Erlass die Kreisordnungsbehörden angewiesen, den Brütereien in NRW das Töten der männlichen Eintagsküken als tierschutzwidrig zu untersagen. Diese Untersagungsverfügungen hätten ab dem 1. Januar 2015 gegolten, wurden aber jetzt vom Gericht zunächst aufgehoben.
Das NRW-Ministerium hatte für seinen Erlass die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Münster übernommen: Für die stellte das Töten der Küken keinen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes dar. Damit sei es strafbar. Diese strafrechtliche Bewertung veranlasste das Ministerium 2013 gegen diese Praxis in der Legehennenzucht auch verwaltungsrechtlich vorzugehen.