Antibiotika: CDU/CSU und SPD greifen Tierarztvorschläge auf

(Logo-Montage: WiSiTia/jh)

Dispensierrecht erhalten, Tiergesundheitsdatenbank einführen, Bestandsbetreuung verpflichtend machen – dass ein politisches Papier zum Thema Antibiotika-Resistenzen Tierarztforderungen so konkret aufgreift, ist eher selten. Ein gemeinsamer Bundestagsantrag der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD tut das – auch wenn nicht alles in dem Papier „tierarztfreundlich“ ist.

von Jörg Held

Unaufgeregt und lösungsorientiert adressieren CDU/CSU und SPD beim strittigen Thema Antibiotika-Resistenzen die Verantwortung von Human- und Tiermedizin gleichermaßen – es sei ein weltweit und auch für Deutschland bedrohliches und hochkomplexes One-Health-Problem. Der etwas sperrige Titel ihres gemeinsamen Antrages „Antibiotika-Resistenzen vermindern – Erfolgreichen Weg bei Antibiotikaminimierung in der Human- und Tiermedizin gemeinsam weitergehen“ gibt die Gewichtung vor: „Resistenzen minimieren“ steht vor „Mengen reduzieren“. Die 26 Forderungen des Papiers hätten denn auch – eben weil der Antrag von der Parlamentsmehrheit kommt – gute Chancen auf Umsetzung, wäre nicht in zwölf Monaten schon wieder Bundestagswahl.
Für die Tierärzte sind einige der Forderungen dennoch eine wichtige Standortbestimmung der Regierungsparteien.

Zentral ist die Forderung, dass „Überwachungssysteme zum Antibiotika-Verbrauch bzw. zur Antibiotikaabgabe und zu Antibiotika-Resistenzen in der Human- wie auch der Tiermedizin weiter gestärkt und ausgebaut werden“ sollen.

Dispensierrecht erhalten

Ausdrücklich sprechen sich CDU/CSU und SPD für die „Beibehaltung des (tierärztlichen) Dispensierrechts“ aus.
Aber: Sie wollen auch, dass „bestehende ökonomische Fehlanreize bei Tierarzneimitteln abgeschafft werden“, indem die Rabattgewährung seitens der Hersteller von antimikrobiell wirksamen Mitteln überprüft, die Preisgestaltung überarbeitet und Schritte eingeleitet werden, um „bestehende Fehlanreize“ zu beseitigen (Punkt III/19).
Mit der deutlichen Betonung auf „bestehende Fehlanreize“, setzen auch die Regierungsparteien etwas als gegeben voraus, was die Tierärzteschaft eigentlich durch die Datenlage widerlegt sieht, denn binnen fünf Jahren konnte die Antibiotikamenge um über 50 Prozent reduziert werden – mit Dispensierrecht und bei den bestehenden Preisgestaltungsregeln.

Hier können Sie eine Zusammenfassung der Debatte zum Koalitionsantrag nachlesen – oder im Parlamentsfernsehen nachverfolgen

Tiergesundheitsdatenbank einführen

Die Forderung nach einer Tiergesundheitsdatenbank ist ebenfalls eine tierärztliche. Schon das Antibiotikaminimierungskonzept der Bundestierärztekammer aus 2011 setzt auf ein (Zitat) „umfangreiches Portal für Tiergesundheit … , in dem gesundheitsrelevante Daten einschließlich der Untersuchungs- und Produktionsparameter … verknüpft und ausgewertet werden“ können. Nur so lässt sich damals wie heute aus Tierarztsicht bewerten, ob staatliche Regulierungmaßnahmen leztlich wirklich mehr Tiergesundheit zur Folge haben.

Mit ihrem Antrag wollen jetzt auch die Regierungsparteien – fünf Jahre später – eine solche „umfassende Tiergesundheitsdatenbank“ einrichten. Sie soll „bereits vorhandene Dokumentationspflichten nach dem Lebensmittel-, Tierschutz-, Tierarzneimittel- und Tiergesundheitsrecht, dem Antibiotika-Monitoring, von Schlachthofbefunden sowie Mortalitätsraten der Tierbestände“ zusammenführen und „im Bedarfsfall behördlich nutzbar machen“ (Punkt III/7).
Gut ist: Die Definition der fachlichen Anforderungen an die Tiergesundheitsdatenbank soll in Zusammenarbeit mit Tierärzten, Tierhaltern, Wissenschaftlern und Vertretern von Fachverbänden festgelegt werden (Punkt III/8).

Antibiotikamonitoring „zeitnah“ verbessern

Auch die Tierarztkritik am staatlichen Antibiotika-Minimierungskonzept greift der Antrag auf. Er fordert, das Konzept „zu verbessern und zeitnah an die Anforderungen der Praxis anzupassen und insbesondere auf die Prüfung folgender Punkte hinzuwirken:

  • den Antibiotikaeinsatz aller Tierarten und aller Produktionsstufen (Integrationen) in das Antibiotika-Minimierungskonzept zu integrieren;
  • zu regeln, dass jeder zur Meldung verpflichtete Tierhalter auch den Nichteinsatz von Antibiotika im Erfassungszeitraum zu melden hat;
  • die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Nutzung der auf der Grundlage der 16. AMG-Novelle erhobenen Daten in anonymisierter Form zu schaffen, um eine systematische Auswertung und Ursachenforschung beim Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft zu ermöglichen“ (Punkt III/10).

Leider bedeutet „zeitnah“ hier, dass dies wohl erst mit der geplanten Evaluation des Gesetzes erfolgt? So steht es zumindest im Teil II des Antrages. Das wäre aber erst 2019 – und damit aus Tierarztsicht viel zu spät, denn die Mängel des Monitorings sind bereits jetzt klar ersichtlich. Auch gibt es deutlich mehr Kritikpunkte (nicht nur von Tierärzten), als der Antrag auflistet (Details dazu hier).

„Reserveantibiotika“ in Human und Tiermedizin gleichermaßen reduzieren

Der Antrag fordert weiter, Wirkstoffgruppen, die für die Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten des Menschen besondere Bedeutung haben – oftmals, nicht aber im Antrag, als „Reserveantibiotika“ bezeichnet – , „in Human und Tiermedizin zu beschränken“. Die Bundesregierung soll dabei „EU-Bestrebungen unterstützen … auf nationaler, eu- und internationaler Ebene gemeinsame Konzepte zu erarbeiten“ – also keinen nationalen Alleingang beschreiten (Punkt III/5).

Für die Tiermedizin werden aber dann doch zusätzlich verschärfend „grundsätzlich vorab Antibiogramme“ gefordert. Für die Humanmedizin gibt es diese Forderung nicht (Punkt III/6).
Geregelt werden diese Einschränkungen für die Tierärzte in der anstehenden Änderung der tierärztlichen Hausapothekenverordnung (Eckpunktepapier mit den Kernaussagen hier).

(Logo-Montage: WiSiTia/jh)

(Logos: © Bundestag/Parteien / Logo-Montage: WiSiTia/jh)

Bestandsbetreuung rechtlich vorschreiben

Auf EU-Ebene wird die Bestandsbetreuung im Tiergesundheitsrechtsakt bereits gefordert und auch CDU/CSU und SPD erwarten, dass die Bundesregierung „eine nachweislich bestandsgebundene, tierärztliche Betreuung in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf nationaler Ebene zeitnah verbindlich vorgibt“ (Punkt III/21).
Auch diese Pflicht zur regelmäßigen Bestandsbetreuung durch eine Praxis ist eine „alte“ tierärztliche Forderung.

International: Antibiotika verschreibungspflichtig machen

Was in Deutschland selbstverständlich ist, gilt international sowohl in manchen EU-Staaten und erst Recht in Asien, Afrika oder Südamerika noch lange nicht: Antibiotika sollen „nur nach sachgerechter Diagnose durch human- und veterinärmedizinische Fachkräfte“ eingesetzt werden dürfen und „sowohl in der humanmedizinischen Versorgung als auch in der Tiermedizin weltweit verschreibungspflichtig werden“ (Punkt III/25). Hierfür soll sich die Bundesregierung einsetzen. Ebenso, wie für ein Verbot des „Internethandel mit Antibiotika auf EU-Ebene“ (Punkt III/22).

Für Deutschland möchten CDU/CSU und SPD, dass „im Sinne des One-Health-Ansatzes ein einheitlicher Rechtsrahmen für ein umfassendes Hygiene-, Gesundheits- und Haltungsmanagement in der Tierhaltung“ entwickelt wird (Punkt III/4).
Außerdem sei zu prüfen, ob „ein ständiges veterinär- und humanmedizinisches Fachgremium“ eingerichtet werden kann, „welches regelmäßig die Resistenzlage der Antibiotika evaluiert, bewertet und zeitnah eine Empfehlung zum Antibiotika-Einsatz abgibt (Punkt III/14).

Impfung als wichtigste Prävention

Die „Forderungen“ von CDU/CSU und SPD basieren auf den in Teil I des Antrags getroffenen „Feststellungen“:
Die Parteien sehen „zunehmend das Risiko, dass bislang wirksame Medikamente gegen bakterielle Infektionen gar nicht mehr oder nur noch begrenzt helfen“. Damit sind Antibiotika-Resistenzen nicht nur ein „weltweit und auch in Deutschland bedrohliches und hochkomplexes Problem“, sondern sie gehören „zu den größten Risiken der Weltwirtschaft“. Zugleich gebe es viel zu wenige Neuentwicklungen bei antibiotischen Wirkstoffen.
Impfungen gehörten in Human- und Tiermedizinen deshalb zu den wirksamsten medizinischen Präventionsmaßnahmen, weshalb Impfquoten gesteigert werden müssten.
Wichtig ist auch die Feststellung der Regierungsparteien – gerade angesichts der zahlreichen Aktivitäten der Bundesländer –, dass ein nationaler Ansatz zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen zwar unverzichtbar sei, „aber nicht ausreicht“. Eine intensive internationale Zusammenarbeit sei  „existentiell“, da resistente Keime keine Grenzen kennen.

Fakt ist für die Regierungsparteien aber auch, dass „in der Nutztierhaltung durch ein noch besseres betriebliches Gesundheits- und Hygienemanagement der Einsatz von Antibiotika auf das absolut notwendige Maß reduziert werden muss“.

wir-sind-tierarzt meint: Zu wenig Zeit bis zur Wahl

(jh) – Der Antrag der Regierungsparteien ist sachorientiert und enthält eine ganze Reihe von Forderungen, die auch die Tierärzteschaft aufgestellt hat und damit mittragen kann. Nur: Bereits in einem Jahr ist Bundestagswahl. Wer danach dann in welcher Konstellation die Regierung stellt, ist offen. Bis zur Wahl aber dürfte nur ein Bruchteil der beantragten Punkte realisiert sein. Leider.
Aber immerhin ist es eine klare politische Standortbestimmung der Regierungsparteien – und das bedeutet auch: Darüber hinausgehende Forderungen der Opposition sollten es in den nächsten zwölf Monaten schwer haben. 

Quellen:
„Antibiotikaresistenzen minimieren … “ – Antrag der CDU/CSU und SPD-Bundestagsfraktionen (27.9.2018 – PDF-Download)
alle weiteren Quellen im Artikel verlinkt

Teilen
Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)