Die Bundesregierung wird Vorschriften erlassen, die den Einsatz „kritischer Antibiotika“ durch Tierärzte reglementieren. Aber die Makrolide sollen – nach dem aktuellen Stand der Fachgespräche – nicht davon betroffen sein. Im Fokus bleiben die Fluorchinolone und die Cephalosprine der 3./4. Generation. Für Pferde wiederum dürften die Regeln weniger streng ausfallen.
von Jörg Held
Umwidmungsverbot für „kritische Antibiotika“ und Antibiogrammpflicht vor einem Antibiotikaeinsatz – das sind die Kernpunkte eines Regelwerkes, dass mit einer Überarbeitung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV) rechtsverbindlich werden soll. Doch über die Details wird noch in Fachgesprächen zwischen Bundeslandwirtschaftsministerium, den Bundesländern und auch den (tierärztlichen) Verbänden diskutiert.
Kein Umwidmungsverbot für Makrolide
Momentaner Konsens scheint zu sein:
- Für die Wirkstoffgruppe der Makrolide soll es kein Umwidmungsverbot geben. Für Fluorchinolone und die Cephalosprine der 3./4. Generation allerdings schon.
- Auch die Tierart Pferd soll nicht von möglichen Umwidmungsbegrenzungen betroffen sein. Pferde zählen – wenn es um Medikamentenzulassungen geht – eher zu den Minor Spezies, also zu den Tiergruppen, für die es nicht ausreichend unmittelbar zugelassene Medikamente gibt und die auf Umwidmungen angewiesen sind.
- Die Regeln werden für Rind, Schwein, Pute, Huhn sowie Hund und Katze gelten.
- Eine Antibiogrammpflicht soll eine notwendige Behandlung nicht verzögern.
- Auch sollen die Vorschriften keine, in der Praxis nicht leistbaren Antibiogramme verlangen (etwa, weil die Probenentnahme des Zielkeimes gar nicht möglich ist).
- Auch die Art/Methodik des Resistenztests soll sich an in der Praxis leistbaren Verfahren orientieren.
- Aus den Empfehlungen der Packungsbeilagen soll eine Antibiogrammpflicht nicht abgeleitet werden.
Wie die geplante neuen Vorschriften in der Tierärztlichen Hausapotheken (TÄHAV) letztlich genau lauten werden, ist weiter offen. Ein ausformulierter Vorschlag aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium wird jetzt für den Herbst erwartet. Die Tierärzteverbände sind weiter beteiligt und haben noch einmal drauf hingewiesen, dass jede Vorschrift – wie es auch das Arzneimittelgesetz verlangt – sicherstellen muss, „dass Tiere jederzeit die notwendige arzneiliche Versorgung erhalten.“ Diesen „Tierschutzvorbehalt“ umzusetzen, ist die Herausforderung.
Vom „Eckpunktepapier“ zur TÄHAV
Vor allem die Bundesländer fordern von der Bundesregierung immer wieder, eine Liste sogenannter, für die Humanmedizin wichtiger „Reserveantibiotika“ vorzulegen und deren Anwendung in der Tiermedizin einzuschränken. Es gibt sogar politische Forderungen nach einem Verbot.
Ende letzten Jahres hatte das BMEL dazu – ermächtigt durch die 16. AMG-Novelle, die auch das staatliche Antibiotikamonitoring regelt – zunächst ein „Eckpunktepapier für weitere Regelungen für den Einsatz von Antibiotika bei Tieren“ vorgelegt (im Wortlaut nachzulesen hier / erklärender Artikel hier).
Kernpunkte waren ein „Umwidmungsverbot“ für Wirkstoffe, die für die Behandlung von Infektionskrankheiten des Menschen besondere Bedeutung haben – verkürzt oft als „Reserveantibiotika“ bezeichnet. Neben den Fluorchinolone und die Cephalosprine der 3./4. Generation waren hier auch die Makrolide aufgeführt. Diese Antibiotika sollten in der Tiermedizin nicht mehr umgewidmet, also abweichend von der Zulassung in einem anderen Anwendungsgebiet und/oder bei einer anderen Tierart eingesetzt werden dürfen. Außerdem war – in Anlehnung an die Antibiotikaleitlinien der Bundestierärztekammer – in bestimmten Fällen vor dem Einsatz eines antibiotischen Wirkstoffes eine „Verpflichtung zur Erstellung eines Antibiogramms“ vorgesehen.
Tierärztliche Kritik berücksichtigt
Dass diese Eckpunkte nicht in allen Fällen praktikabel waren, darauf haben die Tierärzteverbände in schriftlichen Stellungnahmen ausführlich hingewiesen (die Papiere sind unten und hier (BTK) und hier (bpt) verlinkt). Darauf basierend hat das BMEL ein Arbeitsdokument erstellt, dass eine Reihe der Einwände aufgriff.
Die Schlußfolgerungen wurden erstmals in der vergangenen Woche (KW20) in Fachgesprächen diskutiert – sowohl zwischen dem Ministerium und den Ländern als auch mit den Verbänden. Abgeschlossen ist dieser Prozess damit noch nicht, das BMEL signalisierte, dass man zum weiteren fachlichen Austausch bereit sei.
wir-sind-tierarzt kommentiert: Fachlich sauber bleiben!
(jh) – Gut, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium beim schwierigen Thema Resistenzminimierung die fachliche Diskussion führt – und sich nicht durch politische oder mediale Aufgeregtheiten zu Schnellschüssen hinreißen lässt.
Bezeichnend aber ist, dass sich genau die Verbände vor der Fachdiskussion drücken, die öffentlich oft als lauteste Kritiker auftreten und in ihren schriftlichen Stellungnahmen heftige Forderungen stellen – etwa: „Dispensierrecht abschaffen; Reserveantibiotika verbieten“.
Obwohl eingeladen, haben sie aber am Fachgespräch weder teilgenommen, noch überhaupt abgesagt. Wohl weil sie wissen, dass sie ihre Forderungen medizinisch-fachlich kaum valide begründen können.
Das politische Kalkül dahinter wird wohl sein: Wenn ich nicht dabei war, muss ich mich nicht an fachlich abgestimmte Vereinbarungen halten und kann munter weiter öffentlich polemisieren?
Bleibt die Frage, warum diese Verbände womöglich sogar in einer von den Bundesländern geforderten „Tierarzneimittelanwendungskommission“ mitwirken sollen? Diese soll nämlich – so sie denn eingerichtet würde – eigentlich nach § 56a Abs. 5 AMG „in Leitlinien den Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft beschreiben, insbesondere für die Anwendung von Arzneimitteln, die antimikrobiell wirksame Stoffe enthalten“. Tiermedizinische Leitlinien aber sollten von Tiermedizinern erstellt werden.