Ein gutes Drittel der praktizierenden Tierärzte (7.600 von rd 20.000*) ist älter als 50 – die Praxisinhaber in dieser Gruppe sollten frühzeitig ihre Nachfolge klären. Nur: Was ist (m)eine Tierarztpraxis wert? Dr. Andreas Herzog von unserem Sponsorpartner TVD-Consult erklärt die Bewertungsmethoden – und was sich verändert, seit auch Investoren als Käufer aktiv sind.
Gastbeitrag von Dr. Andreas Herzog, TVD Consult
In der Vergangenheit wurde der Wert einer Tierarztpraxis meist in Anlehnung an die Empfehlungen des bpt ermittelt.
- Bei diesem Verfahren ist der Umsatz die entscheidende Kenngröße für den ideellen Wert einer Praxis: Bei Kleintierpraxen wird der durchschnittliche Leistungsumsatz der letzten drei Jahre mit dem Faktor 0,3-0,4 bewertet und der Medikamentenumsatz mit dem Faktor 0,2.
- Das Anlagevermögen ermittelt man mit dem Verkehrswert (auch Marktwert genannt). Der wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.
- Bei Medikamenten und Verbrauchsmaterial empfehlen wir eine Inventur. Anschließend bewertet man die Produkte mit dem Einkaufspreis (unter Berücksichtigung von Rabatten).
Alle drei Positionen addiert ergeben dann die Orientierungsgröße für den „Praxiswert“.
Investoren ist Gewinn wichtiger als Umsatz
Für Kapitalinvestoren ist der Umsatz weniger wichtig. Sie schauen vor allem auf den Ertrag einer Praxis: Was kann ich Zukunft damit verdienen – und wie schnell den Kaufpreis refinanzieren? Bewertungsgrundlage ist für sie das sogenannte „normalized“ Ertragswertverfahren.
- Dabei wird der Gewinn einer Praxis oder Klinik in den letzten drei Jahren betrachtet. Zum Gewinn werden noch die Abschreibungen und die gezahlten Schuldzinsen hinzuaddiert und das sogenannte (EBITDA) ermittelt. Das ist die englische Abkürzung für earnings before interest, taxes, depreciation and amortization. Sie bedeutet „Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände. Es ist somit eine Beschreibung der operativen Leistungsfähigkeit vor Investitionsaufwand – der operative Gewinn.
„Gehalt“ des Inhabers nicht vergessen
Als zusätzliche Kosten berücksichtig dieses Verfahren noch den sogenannten „kalkulatorischen Unternehmerlohn“. Der entspricht dem Gehalt, das für einen angestellten Tierarzt mit einer dem Inhaber vergleichbaren Qualifikation gezahlt werden müsste. Auch eine kalkulatorische Miete setzt man an, wenn – was nicht selten ist – die Praxisimmobilie dem (Alt)Eigentümer gehört und er „sich selbst“ keine marktübliche Miete gezahlt hat.
In den meisten Fällen werden auch noch Einmalkosten beziehungsweise Einmalerträge oder außerordentliche Erträge berücksichtigt.
Größen wie der Umsatz der Praxis spielen also bei der Ermittlung des Wertes nach diesem Ertragswertverfahren überhaupt keine, beziehungsweise nur indirekt eine Rolle.
Berufstätigkeit nicht „ausklingen“ lassen
Für den Verkauf einer Praxis ist es also von nicht unerheblicher Bedeutung, an wen die Praxis verkauft werden soll. Beim Verkauf an einen Kollegen und bei der Ermittlung nach der bpt Empfehlung ist der Umsatz die entscheidende Messgröße.
Beim möglichen Verkauf an einen Finanzinvestor sollte das Augenmerk eher auf dem Gewinn liegen.
In jedem Fall ist man besser beraten, das Berufsleben nicht „ausklingen“ zu lassen. Im Gegenteil: Wer einen guten Preis erzielen will, sollte versuchen, in den letzten (drei) Jahren vor einem Verkauf die Umsätze noch einmal zu steigern und die Kosten senken: Dies kann am ehesten durch Optimierung der Preisstruktur und Einsparungen beim Personal realisiert werden.
Der Autor: Dr. Andreas Herzog ist Mitinhaber und Geschäftsführer unseres Sponsoring-Partners TVD Consult. Er hat 1994 das Vetmedlabor gegründet und zum europäischen Marktführer ausgebaut, bevor es von Idexx übernommen wurde. Das ebenfalls von ihm gegründete Beratungsunternehmen Vet.netzwerk hat AniCura übernommen. Als Business Area Manager hat er den Deutschlandstart der AniCura-Klinikkette erfolgreich mit auf den Weg gebracht, so dass die Schweden jetzt in dem Segment Marktführer sind.