Neuseeland: Das Ende der Trockensteller?

Trockensteller sollen in Neuseeland als vorbeugender Antibiotikaeinsatz gelten – und ihr Einsatz bis 2030 enden. (Foto: WiSiTiA/aw)

Einschränkungen für den Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin gibt es auch in Neuseeland: Sogenannte „Reserveantibiotika“ sollen nur noch nach Resistenztest angwandt werden; Trockensteller bis 2030 völlig entfallen, da sie als „vorbeugender“ Antibiotikaeinsatz gesehen werden.

(aw) – Die zunehmende Sorge vor Antibiotika-Resistenzen in der Humanmedizin hat auch in Neuseeland zu Konsequenzen für den Einsatz in der Tiermedizin geführt. Dort hat sich die Tierärzteschaft (New Zealand Veterinary Association) an die Spitze derer gestellt, die den Einsatz verringern wollen:
Wirkstoffe, die laut der WHO-Einstufung von höchster Priorität sind (WHO-Übersicht hier), dürften bereits jetzt nur noch im begründeten Einzelfall angewendet werden, erklärt Kollege Scott McDougall gegenüber Hoards Dairyman. In diese Gruppe fallen auch die Cephalosporine der 3./4. Generation. Die der 4. Generation sollen nur noch angewendet werden, wenn ein Resistenztest ergibt, dass kein anderes verfügbares Medikament wirksam ist.
Einen ähnlichen Ansatz – aber basierend auf der Antibiotikaeinstufung der europäischen Arzneimittelagentur EMA – verfolgt die Bundesregierung mit der geplanten Verschärfung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV – Informationen hier).

Neuseeland: Ende der Trockensteller?

Die neuseeländischen Tierärzte haben sich das Ziel gesteckt, bis zum Jahr 2030 die Anwendung von Antibiotika in der Tiermedizin auf das therapeutische Mindestmaß zu reduzieren. Das bedeutet, dass Tiere mit nachgewiesenen bakteriellen Infektionen weiterhin behandelt werden, aber dass alle vorbeugenden oder die Gesundheit unterstützenden Antibiotikaanwendungen unterbleiben. Bei Milchkühen gilt dies zum Beispiel für den Einsatz von antibiotischen Trockenstellern.
Im Falle von Euterentzündungen soll vermehrt mit Qualitätskontrollen gearbeitet werden, um die Ursachen – die häufig in der Melktechnik und dem Handling der Kühe liegen – bekämpfen zu können. Des Weiteren werden Alternativen getestet, etwa die Anwendung von Zitzenversieglern ohne gleichzeitige Gabe antibiotischer Trockensteller und neue Impfstoffe gegen die häufigsten Mastitisverursacher.

Eine App errechnet die Erfolgschancen einer antibiotischen Mastitis-Therapie. (Fotos: ©GooglePlayStore / GIF: WiSiTiA/jh)

Eine App errechnet die Erfolgschancen einer antibiotischen Mastitis-Therapie. (Fotos: ©GooglePlayStore / GIF: WiSiTiA/jh)

App berechnet: Macht Therapie Sinn?

Darüber hinaus wurde ein Computerprogramm entwickelt, das bei der Wahl der geeigneten Therapie helfen soll. Es berücksichtigt unter anderem das Alter der Tiere, das Laktationsstadium, das betroffene Viertel und eventuell bekannte Leitkeime. Diese App gibt es hier für Android-Plattformen.
Die App berechnet, ob eine Therapie überhaupt Sinn macht, denn eine klinische Heilung bedeutet nicht immer auch eine bakteriologische Heilung (vor allem bei Infektionen mit Staph. aureus). Da die App nur mit denen in Neuseeland zugelassenen Wirkstoffen, Dosierungen und Behandlungslängen arbeitet (= keine Abweichungen von den Vorgaben auf der Packungsbeilage) und Nachbehandlungen nach erfolgloser Erstbehandlung nicht berücksichtigt, sind die Prognosen zur Heilungsrate etwa zehn Prozent besser, als das tatsächlich der Fall ist.

Insgesamt ist Verbrauch von Antibiotika in der Milchviehhaltung in Neuseeland mit durchschnittlich zwei ADD (average daily dose) gering. Allerdings wird die ADD immer im Bezug zur Indikation gewertet und daher schlagen Trockensteller nur mit einer ADD zu Buche, obwohl die antibiotische Wirkung oftmals bis zu vierzig Tagen anhält.

Quellen: im Text verlinkt

 

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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