Ramadan – was er für Tierärzte bedeutet

Ramadan: Zeit des Gebets und der Besinnung für Muslime (Foto: © WiSiTiA/Henrik Hofmann)

Zumindest die Fleischbeschau-Tierärzte haben es gemerkt: Vermehrte Lämmer-Schlachtungen kündigen den beginnenden* Ramadan an. Der „Fastenmonat“ hat aber auch für Praxisinhaber Konsequenzen: Als Arbeitgeber muslimischer Mitarbeiter

von Henrik Hofmann

Auch wenn sich etliche unserer Landsleute nicht ganz sicher sind, ob der Islam „zu Deutschland gehört“ oder nicht, werden die Deutschen und auch deutsche Arbeitgeber spätestens durch die Vielzahl an muslimischen Flüchtlingen mit den Regeln des Islam konfrontiert. Für Tierärzte geschieht das auf verschiedenen Ebenen. Amtstierärzte führen regelmäßig Diskussionen und Schulungen mit Muslimen durch, die ihnen zeigen sollen, dass man in Deutschland – Religionsfreiheit hin oder her – Tiere nicht ohne Betäubung schlachten darf.
Fleischbeschautierärzte haben immer wieder mit den „Unbelehrbaren“ zu tun, verzeichnen zugleich aber auch erhöhte Schlachtzahlen zum Beispiel um das Opferfest herum oder eben zur Zeit des Ramadan.Und Praxisinhaber geben zunehmend den geflohenen Kollegen Praktikumsplätze oder haben schon längst muslimische Tiermedizinische Fachangestellte (TFA).

Während des Monats fasten gläubige Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang. Abhängig vom islamischen Kalender kann ein Fastentag somit von acht Stunden bis hin zu 19 Stunden dauern. Gerade in den Sommermonaten, wo die Sonne sehr spät unter- und sehr früh aufgeht, gibt es lange Fastentage im Islam. Klar also, dass das Fasten die Arbeitsleistung muslimischer Arbeitnehmer beeinträchtigen kann.

Religionsfreiheit schlägt Arbeitspflicht …

Dass trotz Fastenzeit muslimische Arbeitnehmer ihrer Arbeit nachkommen müssen, ist klar. Dies ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 611 Abs. 1 BGB). Dipl.-Sozialwissenschaftlerin Anette Rößler berichtet auf der Seite business-wissen: Diese Norm kollidiert aber mit dem Recht auf ungestörte Religionsausübung im Grundgesetz (Art. 4 Abs. 2 GG). Dementsprechend muss es Muslimen möglich sein, am Arbeitsplatz ihren religiösen Pflichten nachzukommen. Der Arbeitgeber muss bei sinkender Arbeitsleistung den Mitarbeitern einen anderen Arbeitsplatz zuweisen. „Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) steht hier tendenziell auf der Seite der freien, ungestörten Religionsausübung. Das heißt: Im Zweifelsfall können Arbeitgeber ihren Anspruch auf Erfüllung der Arbeitspflicht aufgrund der Kollision mit der Religionsfreiheit nicht durchsetzen. Gemäß der Rechtsprechung des BAG können muslimische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit beziehungsweise eine Arbeitsanweisung ihres Arbeitgebers rechtmäßig verweigern, sollte diese einen ernsthaften inneren Glaubenskonflikt auslösen.“
Die Folge: Arbeitgeber können diese Beschäftigten nicht abmahnen. Da Ramadan auch zeitlich begrenzt ist und die Arbeitsleistung daher nur teilweise nicht erbracht werden kann, dürfen Arbeitgeber auch keine personenbedingte Kündigung aussprechen.

… aber keine Entgeltfortzahlung

Anders sehe es bei der Zahlung des Lohns aus, wenn muslimische Beschäftigte aufgrund ihrers Fastens nicht arbeiten könnten. „Da sich Arbeitgeber, wie oben dargelegt, im Zweifelsfall nicht auf die Einhaltung der Arbeitspflicht berufen können, brauchen sie im Gegenzug für die Zeit des Arbeitsausfalls auch keinen Lohn zu bezahlen.“

*Der Ramadan beginnt vermutlich am 6. Juni. Ganz genau werden es die weltweit rund 1,5 Milliarden Muslime erst wissen, wenn der Neumond gesichtet wird. Der markiert den Beginn des Fastenmonats. Das Fasten gehört zu den heiligsten Pflichten der Muslime und dauert etwa 30 Tage. Ob eine Vernachlässigung der Arbeitspflicht mit dem Tierschutzgesetz kollidieren könnte, ist der Redaktion nicht bekannt.

Wissen:

"Religion ist..." Bild: facebook

„Religion ist…“
Bild: facebook

Überschattet wird die Fastenzeit von den Kriegen in der arabischen Welt und neuen Anschlagsdrohungen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Obwohl sich Muslime im Ramadan von ihrer besten Seite zeigen wollen, sind Kriege nicht verboten. Deshalb beanspruchen auch Dschihadisten den Monat für sich. Anschläge legitimieren sie mit Überlieferungen aus der Zeit des Propheten. Mohammed hatte eine der wichtigsten Kämpfe im Islam, die Schlacht von Badr, im Ramadan geschlagen.

Quellen:
Ramadan-2016
Arbeiten im Ramadan: Was Arbeitgeber wissen sollten
Erschwertes Fasten für Muslime

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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