Fast die Hälfte der Europäer – auch in Deutschland – unterliegt dem Irrglauben: Antibiotika zerstören Viren. Um Resistenzen vorzubeugen, müsse das Wissen über Antibiotika also deutlich verbessert werden, sagt EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. In der Mehrheit der EU-Länder nehmen die Menschen zwar weniger Antibiotika ein, aber die Entwicklung ist sehr unterschiedlich. In vier Ländern steigt der Einsatz sogar weiter an.
(jh/PM) – Auch bei den Deutschen dominiert laut einer aktuellen Erhebung der EU-Kommission noch das Unwissen über die Wirkung von Antibiotika:
- Nur 44 Prozent (Durchschnitt der EU-28: 43%), wissen dass Antibiotika nicht gegen Viren helfen.
- 45 Prozent (EU-28: 46%) glauben das Gegenteil: Antibiotika zerstören Viren.
- 11 Prozent wissen gar nichts über die Wirkung.
Insgesamt liegen die Deutschen im Eurobarometer auf Platz 10 des Informations-Levels in der EU, klar hinter den skandinavischen Ländern, aber auch hinter den Niederlanden, Großbritannien oder Frankreich.
Solche Wissenslücken hätten natürlich Auswirkungen auf die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen hält die EU-Kommission fest. Wichtigste (32%) und vertrauenswürdigste (84%) Informationsquelle für EU-Bürger beim Thema Antibiotika sind die Ärzte.
Für EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis unterstreichen die Wissenslücken über antimikrobielle Resistenzen, dass die EU ihre Anstrengungen hier verstärken müsse.
EU-Mehrheit: Nutztiere haben Recht auf Antibiotikabehandlung
Das Eurobarometer zum Thema Antibiotikaresistenzen (Stand April 2016) ist eine Interview-Umfrage unter 28.000 Europäern und bezieht sich auf die Humanmedizin. Es fragte aber auch zwei Tiermedizin-Themen ab:
- So sagten 56 Prozent der Europäer: Kranke Nutztiere haben ein Recht auf eine Antibiotikabehandlung, wenn dies die wirksamste Behandlung ist.
- Aber nur 37 Prozent wissen, dass in der Nutztierhaltung der Antibiotikaeinsatz als Wachstumsförderer seit 2006 in der EU verboten ist.
Antibiotikaeinsatz sinkt nur in 16 von 28 EU-Ländern
In 16 der 28 EU-Länder sank der Antibiotikaverbrauch bei den Befragten (siehe Karte). Dabei gilt: Der Einsatz sinkt, wenn das Wissen über Antibiotika, deren Wirkung und die Resistenzentwicklung steigt.
Deutschland zählt – bei der absoluten Prozentzahl der Befragten, die in den letzten zwölf Monaten Antibiotika eingenommen haben – zu den Wenigverbrauchern.
Das reicht gemeinsam mit Dänemark für Platz 3 (23 %), hinter den Niederlanden (20%) und Schweden (18%), was die wenigsten Anwendungen angeht.
Doch die Dynamik der Verbrauchssenkung ist seit 2013 in anderen EU-Ländern deutlich höher. Zum Teil kommen die zwar von einem höheren Niveau, aber auch im Vergleich zu „guten“ Nachbarländern wie den Niederlanden (-8%), Dänemark (-8%) oder Schweden (-6%) geht der Einsatz in Deutschland mit -4 Prozent langsamer zurück. In vier EU-Ländern – darunter Italien und Spanien – steigt der Antibiotikaeinsatz sogar.
Immerhin noch vier Prozent der befragten Europäer setzen Antibiotika ohne ärztliche Verschreibung ein, zwei Pozent sagen, sie würden Medikamente aus einer vorherigen Behandlung aufbrauchen.
Internationale Gegenmassnahmen am besten wirksam
Politisch erwarten 40 Prozent der Befragten Deutschen, dass Antibiotikaresistenz am wirksamsten auf EU-Ebene beziehungsweise weltweit bekämpft werden sollten (EU-28-Durschnitt: 35 Prozent).
Nur 20 Prozent der Deutschen (EU-Durchschnitt: 28 Prozent) glauben, dass die regionale oder nationale Ebene das Resistenzproblem wirksam bewältigen könne.
Anm. d. Red.: Kein direkter Vergleich mit Tiermedizin-Daten möglich
Die Daten aus dem Eurobarometer – einer Umfrage – können nicht direkt mit Daten aus Mengenerfassungssystemen, wie es sie in der EU für die Tiermedizin gibt, verglichen werden. Hier geht es nicht um den absoluten quantitativ gemessenen/errechneten Wirkstoffeinsatz, sondern um das Bewußtsein und Wissen der EU-Bürger über den Umgang mit Antibiotika.