BVD-Verordnung verschärft

BVD-Bekämpfung: Durch das Einstanzen der Ohrmarken wird zugleich eine Gewebeprobe zur BVDV-Diagnostik genommen (Foto: WiSiTiA/aw)

Die Erfolge bei der Bekämpfung der BVD (Bovines Virusdiarrhoe) haben zugleich das Risiko erhöht: Immer weniger Rinder besitzen Antikörper gegen das Virus und sind somit empfänglicher für eine Neuinfektion. Deshalb hat der Gesetzgeber die BVD-Verordung verschärft. Eine kurze Übersicht.

(aw) – Seit 2011 wird das Bovines Virusdiarrhoe-Virus (BVDV) staatlich bekämpft. Damals wurden in 7.929 Beständen 24.088 persistent infizierte Rinder gefunden. Im Jahr 2015 waren es nur noch 566 Betriebe und 1.718 Rinder. Die Prävalenz, bezogen auf neugeborene Kälber konnte durch frühe Untersuchung (Ohrstanzproben bei Kälber) und Merzung der infizierten Tiere von 0,5 Prozent (2011) auf 0,03 Prozent (2015) reduziert werden.
Das Problem: Der Sanierungsfortschritt bedeutet umgekehrt, dass immer weniger Rinder Antikörper gegen das Virus besitzen und somit empfänglicher für eine Neuinfektion werden. Deshalb hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 20. April die BVD-Verordnung verschärft, um möglichst schnell die noch vorhandenen persistent infizierten Tiere zu erkennen und zu eliminieren. Die wichtigsten Punkte:

Kälber früher testen

Entwicklung der PI-Tier-Prävalenzen in den Bundesländern von 2011 bis 2015 (Grafik: © K. Wernike/FLI)

Entwicklung der PI-Tier-Prävalenzen in den Bundesländern von 2011 bis 2015 (Grafik: © K. Wernike/FLI)

Die Untersuchungsfrist für neugeborene Kälber wurde von sechs Monaten auf einen Monat verkürzt.
Zwar wird der mit Abstand größte Teil der Kälber ohnehin mittels Ohrstanzprobe bereits in den ersten Lebenstagen untersucht. Aber neugeborene Kälber können die Herdengesundheit besonders gefährden, wenn sie sich im Muttertier infizieren: Sie können dann als klinisch unauffällige, persistent infizierte „Virämiker“ (PI-Tiere) große Virusmengen ausscheiden. In der Vergangenheit haben solche Kälber immer wieder Reinfektionen von trächtigen Rindern im gleichen Bestand ausgelöst (das Tierseucheninformationssystem meldet für 2016 bis 9. Juni 35 Fälle in acht Bundesländern). Durch die verkürzte Testfrist sollen diese Kälber früher identifiziert und so wiederum die Zeit verkürzt werden, in der sie andere Tiere infizieren (können).
Ein PI-Kalb muss es unverzüglich getötet oder innerhalb einer Woche geschlachtet werden. Auf dem Weg zum Schlachthof darf es nur Kontakt zu anderen Schlachttieren haben.
Möglich ist diese sinnvolle Verkürzung der Untersuchungsfrist, weil bessere Diagnoseverfahren die „diagnostischen Lücke“ auf 30 Tage reduzieren.

Schärfere Transportbeschränkungen

Wird in einem Bestand ein PI-Tier gefunden, dürfen für 40 Tage nach der Feststellung keine Rinder an einen anderen Ort verbracht werden.
Das soll eine Verschleppung der Infektion in andere Betriebe zu vermeiden.
Tragende Rinder dürfen grundsätzlich erst nach dem Abkalben den Bestand verlassen (da das ungeborene Kalb ein PI-Tier sein könnte). Ausnahmen von dieser Regel sind möglich, wenn das tragende Muttertier entweder ausreichend geimpft ist oder nach dem 150. Trächtigkeitstag negativ getestet wurde.
PI-Tiere, die nach dem ersten Lebensmonat als solche infiziert werden, müssen unverzüglich getötet oder binnen sieben Tagen unmittelbar zur  Schlachtung verbracht werden.
Rinder aus diesen Betrieben, die geschlachtet werden sollen, können jederzeit abgegeben werden, wenn sie bis zum Schlachthof ausschließlich Kontakt mit anderen Schlachttieren haben.

Verkürzte Nachuntersuchungsfrist

Wenn der Landwirt eine Nachuntersuchung eines PI-Tieres wünscht, um die Diagnose zu bestätigen, dann muss diese Untersuchung jetzt nach längstens 40 Tagen (früher 60 Tage) erfolgen.

Impferlaubnis

Die – nicht sehr verbreitete – Impfung gegen BVD zum Schutz der Herde vor Neueinschleppung bleibt weiter möglich. Der Tierhalter muss aber jedes Tier unter Angabe des Impfstoffs und des Impfzeitpunkts in der HI-Tierdatenbank registrieren. Das soll vermeiden, dass im Falle einer Untersuchung die geimpften Rinder ein falsch-positives Ergebnis zeigen.

Perspektiven

Die neue Verordnung soll den Übergang von der BVDV-Tilgung zur BVDV-Überwachung einleiten. Deshalb wird auch eine Genotypisierung aller gefundenen BVDV-Stämme durch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) empfohlen. So will man Zusammenhänge zwischen Ausbrüchen erkennen und Schwachpunkte in der Biosicherheit  aufdecken.
Außerdem werden erste serologische Testinstrumente zugelassen und in Pilotstudien getestet. So könnte dann in einer angestrebten „BVDV-freien (BVDV-Antikörper-negativen) Population“ eine engmaschige Überwachung (Antikörpernachweis im Jungtierfenster und Milch) erfolgen.
Für eine zukünftig anstehende dritte Bekämpfungsphase hält die Bundesregierung auch ein verpflichtendes serologisches Monitoring für möglich, kombiniert mit einem Impfverbot, da Markerimpfstoffe für BVD nicht zur Verfügung stehen.

Quelle:
Änderungen der BVDV-Verordnung (PDF-Download – online ist aktuell nur der „alte“ Stand verfügbar)
Artikel im Deutschen Tierärzteblatt Juni 2016 (Seite 828ff)
FLI-Vortrag: BVD-Bekämpfung (PDF-Download: Bekämpfungsentwicklung und -Risiken, Lösungsansätze und Diagnostik)
Beitragsbild/Grafik aus: FLI – „Statistik zur BVD-Bekämpfung in Deutschland (PDF-Download)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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