Clostridium botulinum: 63 Kühe verendet

63 Kühe sind auf einem Schweizer Hof bereits an Botulismus verendet. (Symbolfoto: WiSiTiA/aw)

63 von 130 Kühen sind bereits tot. Auf einem Milchviehbetrieb in der Schweiz wird eine Clostridium botulinum-Infektion aber wohl noch weitere Opfer fordern. Auslöser sollen Tierkadaver in der Silage sein. Ein exemplarischer Fall?

(aw) – Auf dem Schweizer Betrieb traten die ersten Symptome am 10. April auf: Mehrere Kühe hatten Schwierigkeiten beim Aufstehen und konnten kaum fressen. Die erste Kuh starb am 11. April. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand der Verdacht einer Botulismusinfektion fest. Bei zwei Kühen wurde in die Rinderklinik der Universität Zürich dieser Verdacht bestätigt. Prof. Dr. Ueli Braun betont gegenüber „Der Landbote“: „Einen Fall wie diesen hatten wir noch nie.“

Auslöser: Tierkadaver in Silage

Tieren beim Mähen eine Chance zur Flucht geben – Infografik des Deutschen Jagverbandes. (Grafik: © DJV)

Tieren beim Mähen eine Chance zur Flucht geben – Infografik des Deutschen Jagverbandes. (Grafik: © DJV)

Schuld ist wohl der Kadaver eines Tieres, das beim Mähen getötet wurde und in die Silage geriet. Genau konnten die gefundenen Fellfetzen bisher nicht identifiziert werden. Mit zunehmender Größe und Arbeitsbreite moderner Maschinen, wird es für die Landwirte nahezu unmöglich kleine Tiere zu sehen, die sich während der Mahd im hohen Gras aufhalten. Aktuell sensibilisieren Bauern- und Jagdverbände die Landwirte wieder für schutzsuchende Jungtiere bei der Frühmahd.

Dramatischer „atypischer Infektionsverlauf“

Es gibt zwei verschiedene Krankheitsformen nach einer Infektion mit Clostridium botulinum: die typische und die atypische Variante.

Beim typischen Verlauf kommt es bald nach Aufnahme des Erregers zu schlaffen Lähmungen der quergestreiften Muskulatur. Diese beginnen am Kopf und äußern sich durch eine heraushängende Zunge, Kau- und Schluckbeschwerden. Relativ schnell kommt es zu allgemeiner Schwäche, Festliegen und Schwanzlähmung. Häufig verenden die Tiere schon, bevor alle Symptome aufgetreten sind.

Beim atypischen Verlauf, wie er auf dem Schweizer Betrieb zu beobachten ist, gestaltet sich das Krankheitsgeschehen zunächst weniger dramatisch, eine Heilung ist aber trotzdem auch hier nur in den seltensten Fällen möglich: Die Kühe liegen viel und das Aufstehen fällt ihnen schwer, doch sie können anfangs noch Futter aufnehmen. Die Schluckstörungen und Lähmungen setzen langsam ein.

Unterschied zum „chronischen Botulismus“

Rinder aus Betrieben mit Verdacht auf "Chronischn Botulismus".

Bilder aus Betrieben mit Verdacht auf, aber nicht nachgewiesenem „chronischem Botulismus“. (Foto: ©TiHo-Vortrag)

Beide Varianten sind deutlich als Krankheitsbild zu erkennen und lassen sich auf die Toxinaufnahme zurückführen.
Damit bietet sich ein deutlich anderes Bild als beim – von manchen Landwirten und Tierärzten – postulierten sogenannten chronischen Botulismus, der einen schleichenden Verlauf nimmt und nicht auf ein spezielles Ereignis oder Datum (wie im Schweizer Fall) reduziert werden kann. Die meisten Experten halten allein aufgrund der Toxizität von Clostridium botulinum eine chronische Krankheitsform für ausgeschlossen (weitere Informationen siehe hier).

Keine wirksame Therapie

Eine wirksame Therapie im Falle einer Clostridium botulinum-Infektion gibt es derzeit nicht. Früher gab es in der Schweiz ein Antiserum; dessen Herstellung und Bereithaltung wurde aber aus Kostengründen eingestellt. Die behandelnden Tierärzte bekamen im aktuellen Fall aber die Erlaubnis, den einzig verfügbaren Impfstoff gegen Clostridium botulinum aus Südafrika einzuführen und die restliche Herde zu impfen. In Deutschland gibt es ebenfalls keinen zugelassenen Impfstoff oder ein Serum gegen Clostridium botulinum.
Der von Onderstepoort Biological Products Ltd. in Südafrika hergestellt Impfstoff „Botulism“ enthält Toxoid von Clostridium botulinum Typ C und D und ist zur vorbeugenden Impfung gesunder Tiere in Risikogebieten vorgesehen. Vor allem in Israel wird er häufig eingesetzt, weil dort unkonventionelle Futtermittel (z.B. Geflügelkot) in der Rinderhaltung eingesetzt werden.

Was tun mit Kot?

Neben den Tierverlusten kommen noch weitere Probleme auf den Landwirt zu. Obwohl das Toxin nicht in die Milch übertritt, darf generell die Milch kranker Kühe nicht verkauft werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was mit der restlichen Silage und dem Kot erkrankter Tiere geschehen sollte. Werden diese Risikomaterialen einfach wieder auf Nutzflächen ausgebracht, könnte es zu weiteren Futterkontaminationen kommen.
Nach einer abgeschlossenen Immunisierung der restlichen Tiere wäre es zumindest denkbar, die verbliebene, potentiell keimbelastete Silage an die Jungtiere zu verfüttern, um Kosten für Futterzukauf einzusparen. Schon jetzt hat der Betrieb in der Schweiz mit einem Schaden von rund 250.000 Schweizer Franken zu kämpfen und dieser könnte weiter steigen, je nachdem wie viele Kühe noch sterben und nachgekauft werden müssen.

Löst Schweizer Fall Impfwelle aus?

Hanspeter Ottinger, Leiter der Impfstoffkontrolle am Institut für Virologie und Immunologie des Bundesamtes (BLV) ist davon überzeugt, dass der aktuelle Fall dafür sorgen wird, dass viele Schweizer Landwirte ihre Herden impfen lassen möchten, denn die Tierhalter sind durch die Nachrichten und vor allem die Schadenshöhe für die Problematik sensibilisiert worden.

Botulismus ist in Deutschland nicht meldepflichtig, daher gibt es keine genauen Fallzahlen. Es wird aber kaum einen Tierarzt geben, der keine Erkrankungen erlebt hat. In der Regel sind keine vergleichbar großen Tiergruppen wie im Schweizer Fall betroffen, sodass es die Krankheitsausbrüche nicht bis in die Tagespresse „schaffen“.

Quellen:
Berichte im Schweizer Landboten hier und hier
Informationsseite der TiHo-Hannover zum sogenannten „chronischen Botulismus“

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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