Mehr Tierschutz verspricht der Deutsche Tierschutzbund mit seinem Labelprogramm. Jetzt hat er die Kriterien zur Milchkuhhaltung vorgelegt. „Nicht zulässig“ ist danach der Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika“ – und zu denen zählen die Tierschützer auch Makrolide.
von Jörg Held
Mit dem zweistufigen Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes „werden Produkte tierischen Ursprungs gekennzeichnet, denen Tierschutzstandards zugrunde liegen, die für die Tiere einen wirklichen Mehrwert an Tierschutz gewährleisten“. Damit wollen die Tierschützer die Latte deutlich höher legen, als die gesetzlichen Vorschriften und die Tierschutzsituation landwirtschaftlich genutzter Tiere spürbar verbessern.
Zu den neuen Kriterien für Milchkühe – kompletter Kriterienkatalog hier im PDF-Download – gehören neben mehr Platz pro Kuh (min. sechs Quadratmeter, entspricht EU-Bio-Vorschrift) auch ein Liegebox- und Fressplatzverhältnis von 1:1, also ein Verbot der Überbelegung von Ställen. Zusätzlich sind separate Kranken- und Abkalbebuchten mit Stroheinstreu vorgeschrieben.
Regeln für den Antibiotikaeinsatz
Eine ganze Reihe der Vorgaben betreffen auch Tierärzte:
Alle Milchkuhhalter, die am Labelprogramm teilnehmen wollen, müssen einen Bestandsbetreuungsvertrag mit einem Tierarzt haben. Als K.O.-Kriterien – bei Verstoß verliert man die Labelanerkennung – gelten die Vorschriften zum Antibiotikaeinsatz:
- Antibiotika dürfen weder als Prophylaxe noch Metaphylaxe, sondern nur therapeutisch und nach tierärztlicher Untersuchung eingesetzt werden (Dokumentation von Kuhnummer, Indikation und Anwendungsdauer des Antibiotikums).
- Eine antibiotische Euterbehandlung von eutergesunden Trockenstehern ist nicht erlaubt – es sei denn nach tierärztlicher Indikation.
- Der Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika für die Humanmedizin“ – zu denen der Tierschutzbund neben Cephalosporinen der dritten und vierten Generation sowie Fluorchinolinen auch die Makrolide zählt – ist nicht zulässig. Ausnahme: Es liegt ein Therapienotstand vor und ein Resistenztest hat belegt, dass alle anderen Wirkstoffe gänzlich unwirksam sind. Die tierärztlichen Untersuchungsergebnisse und Einzelheiten der Therapie sind zu dokumentieren.
Tiergesundheit als Indikator
Über tierbezogene Gesundheitsindikatoren, zu denen zum Beispiel Euterentzündungen, Verhaltensparameter oder auch der BodyScore gehören, will man den Ernährungs-, Pflege- und Gesundheitszustand der Herde bewerten und Rückschlüsse auf das Wohlbefinden der Tiere ziehen. Indikatoren sind:
Mastitisbehandlungen – hier soll die Behandlungsinzidenz unter 30 Prozent liegen. Zielwerte sind:
- 75 Prozent eutergesunde Kühe < 100.000 Zellen/ml
- 8 Prozent euterkranke/auffällige Tiere > 400.000 Zellen/ml
- 15 Prozent der Erstlaktierenden > 100.000 Zellen/ml
Stoffwechselerkrankungen – genannt sind Hypocalcämie, Ketose und Acidose, für die jeweils drei Prozent Behandlungshäufigkeit als Grenzwert gelten.
Für Klauenerkrankungen lauten die Zielwerte: Anteil klauengesunder Kühe über 85 Prozent; der Anteil lahmender Kühe soll unter 15 Prozent liegen. Mindestens einmal jährlich muss eine Klauenpflege erfolgen.
K.O.-Kriterium Enthornen – das Enthornen von unter sechs Wochen alten Kälbern ohne Schmerzausschaltung ist verboten. Erlaubt ist ausschließlich eine Enthornung mittels thermischer Verödung unter Sedation, Lokalanästhesie und Schmerzmittelgabe. Die Lokalanästhesie ist dabei von einem Tierarzt vorzunehmen.
Bestandsobergrenze der Premiumstufe: 350 Milchkühe
Die Schlachtung von trächtigen Kühen – egal in welchem Stadium – ist verboten. Vor der Schlachtung muss der Landwirt sicherstellen und dokumentieren, dass die Kuh nicht trächtig ist. Auch die Anbindehaltung ist in jeder Form und Lebensphase verboten.
Für die Einstiegsstufe des Tierschutzlabels gilt eine Bestandsobergrenze von 600 Kuhplätzen. Bei der Premiumstufe darf man maximal 350 Kuhplätze haben. Die Tiere müssen dann auch ganzjährig Zugang zum Außenklima (Weide/Laufhof) haben.
Sachkunde und Fortbildung ist Pflicht
Grundvoraussetzung für die Labelteilnahme ist die Sachkunde: Wer Milchkühe betreut, muss sich verpflichten, einmal jährlich an einer anerkannten Weiterbildungsmaßnahme zum Thema Rinderhaltung teilzunehmen. Als Themen sind genannt: Klauengesundheit, Trächtigkeit und Geburt in der Milchkuhhaltung, Kälberhaltung, Enthornung von Kälbern, tierbezogene Kriterien.