Acidosen bei Kälbern entstehen in der Regel durch zu wenig und nicht durch zu viel Milch. Zusätzlicher „Kälberstarter“ vor Abschluss der zweiten Lebenswoche oder „Müsli“ nutzt den Kälbern wenig. Besser sind dreimal täglich mindestens zwei Liter Milch.
(aw) – Gleich eine ganze Anzahl von Ursachen, die durch Fütterung und Tränkemanagement beeinflusst werden, können dazu führen, dass junge Kälber eine Acidose entwickeln. Viele Details, die Acidosen begünstigen, würden seit Jahren verkehrt gemacht und hätten sich in den Köpfen der Landwirte festgesetzt, kritisiert Dr. Robert B. Corbett im US-Magazin Bovinevet. Wenn es aber gelingt, eine Acidose zu vermeiden hat das gleich mehrere Vorteile: Zunächst weniger Stress für die Kälber und eine niedrigere Morbidität und Mortalität. Dann weiter bessere tägliche Zunahmen und im späteren Leben weiblicher Tiere eine höhere Milchproduktion. Genug gute Gründe, das eigene Tränkemanagement zu überprüfen.
Ursachen für Acidosen
Bei einem neugeborenen Kalb macht das Labmagenvolumen 65 bis 70 Prozent des Gesamtvolumens der Mägen aus. Das Volumen des Pansens dagegen beträgt nur etwa 25 Prozent. Während der ersten beiden Lebenswochen funktioniert der Verdauungstrakt daher genauso wie bei einem monogastrischen Lebewesen. Diese Tatsache ist für das Tränkemanagement und die Entstehung von Acidosen von großer Bedeutung, denn Acidosen haben im Wesentlichen zwei Ursachen: Pansentrinken und ungenügende Tränkemengen.
Fehlerhafter Schlundrinnenreflex
Pansentrinken ist in der Regel ein angeborener Defekt, bei dem der sogenannte Schlundrinnenreflex nicht richtig ausgebildet ist. Die Milch, die eigentlich durch diese „Abkürzung“ direkt in den Labmagen weitergeleitet werden soll, gelangt in den Pansen und wird dort fermentiert. Dabei entstehen flüchtige Fettsäuren und Laktat; beides wird normalerweise von den Papillen im Pansen absorbiert. Doch bei neugeborenen Kälbern sind diese Papillen noch gar nicht entwickelt. Die Säuren reichern sich daher im Pansen an und treten mit der Zeit durch die Pansenwand ins Blut und führen so zu einer systemischen Acidose. Diese äußert sich in Mattigkeit, Trinkunlust, leicht aufgeblähtem Pansen und in schweren Fällen kann sie tödlich enden.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Ausprägung des Pansentrinkens begünstigen, so etwa Neugeborenendurchfälle, schlechte Milch- oder Milchaustauscherqualität, wechselnde Futterzeiten, zu kalte Tränketemperatur, Stress durch Stallwechsel oder lange Transportwege bis zum Mäster.
Zwei mal täglich Milch ist zu wenig
Ungenügende Tränkemengen sind ein zweiter wesentlicher Faktor für die Entstehung von Acidosen. Traditionell erhalten Kälber zwei Mal täglich zwei Liter Milch. Dabei haben zahlreiche Untersuchungen längst gezeigt, dass diese Menge für ein Kalb zu wenig ist, um die Körpertemperatur zu halten und gleichzeitig zuzunehmen – vor allem bei niedrigen Temperaturen. Viele Landwirte stellen den Kälbern aufgrund der Futterberatung sofort „Kälberstarter“ zur Verfügung, auf den die Kälber dann zur Deckung ihres Energiebedarfs zugreifen. Allerdings ist der Pansen noch gar nicht so weit entwickelt, dass die entstehende Stärke absorbiert werden kann und somit entsteht ebenfalls eine Acidose.
Darüber hinaus können junge Kälber mit „Müsli“, das ganze Maiskörner enthält, verdauungstechnisch ohnehin nichts anfangen. Wenn Kälber also vor dem Abschluss der vierten Lebenswoche schon größere Mengen an Kälberstarter fressen, ist dies ein Zeichen einer Unterernährung und keinesfalls als positives Merkmal für eine schnelle Pansenentwicklung zu sehen.
Milchmenge bis Tag 10 – mindestens 15 Prozent des Geburtsgewichts
Kälber sollen abweichend von älteren Empfehlungen in den ersten zehn Lebenstagen mindestens 15 Prozent des Geburtsgewichts an Milch bekommen, also nicht mehr – so wie früher empfohlen – zwei Mal zwei Liter, sondern mindestens zwei Mal drei Liter, oder noch besser drei Mal zwei Liter.
Diese Empfehlungen basieren auf der Beobachtung von Kälbern, die in den ersten Lebenstagen bei ihrer Mutter bleiben: Sie nehmen auf durchschnittlich zehn Mahlzeiten verteilt mindestens 20 Prozent ihres Körpergewichts an Milch zu sich. Für die empfohlene Tränkemenge ab dem achten Lebenstag bedeutet das: mindestens acht Liter oder 20 Prozent des Geburtsgewichts. Bei Milchaustauschern sollte der Feststoffgehalt bei 15 Prozent liegen, um die Nährstoffmenge zu optimieren.
Fazit: Acidosen entstehen in der Regel durch zu wenig Milch und nicht durch zu viel. Als „Beilage“, um die Pansenentwicklung zu fördern, reicht in den ersten beiden Lebenswochen qualitativ hochwertiges Heu vollkommen aus.