Verwirrung um das „Ende der Anbindehaltung“: Hessens Grüne Landwirtschaftsministerin Priska Hinz hatte einen Verbotsantrag in den Bundesrat eingebracht. Auf Antrag des rot-grün-regierten Niedersachsen wurde im Agrarausschuss die Entscheidung darüber aber auf unbestimmte Zeit vertagt.
Hinweis: Dieser Artikel erschien im Dezember 2015
Die aktuelle Beschlusslage des Deutschen Bundesrates aus April 2016 finden Sie hier.
(jh) – Zuallererst ist eine Begriffsdefinition wichtig:
- Politisch wird um ein Verbot der „ganzjährigen Anbindehaltung“ gerungen. Hier haben die Tiere keinerlei Auslauf und stehen durchgängig angebunden im Stall. Hessen wollte diese ganzjährige Haltungsform mit einer Übergangsfrist von zwölf Jahren verbieten lassen (Bundesrats-Antrag im Wortlaut). In dem Bundesland sollen noch etwa 9.000 Milchkühe/13.000 Rinder ganzjährig angebunden im Stall stehen.
- Anders ist es bei Anbindehaltung mit teil/zeitweisem Auslauf. Hier werden die Rinder in Anbindeställen gehalten, haben aber zeitweilig Zugang zu einem Laufhof/Weidegang oder stehen etwa im Sommer auf der Weide, während sie den Winter über im Stall angebunden sind. Diese teilweise Anbindehaltung ist von den politischen Verbotsforderungen (noch) nicht betroffen.
Auch Tierärzteschaft fordert Verbot der „ganzjährigen Anbindehaltung“
Der 27. Deutsche Tierärztetag hat in einer Entschließung (u.a.) den „Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung bei Rindern“ gefordert. Mittelfristig hält die Bundestierärztekammer sogar den kompletten Ausstieg aus der Anbindehaltung für erforderlich.
Auch Tierschützer fordern ein komplettes Verbot jeder Form der Anbindehaltung.
Problemland Bayern
Das Land mit dem „größten Anbindehaltungs-Problem“ ist Bayern: Etwa ein Drittel der bayerischen Rinder (320.000 / Stand 2014) leben in Anbindeställen und zwar in über der Hälfte der bayerischen Milchviehbetriebe (fast 11.900). Dies sind überwiegend kleine und mittelständische Bauernhöfe, die im Schnitt 27 Tiere halten. Dagegen haben Laufstall-Betriebe ca. 60 Kühe. Deutschlandweit standen 2010 noch etwa 1,3 Millionen der 4,8 Millionen Milchkühe in Anbindehaltungen.
„Anheizer des Strukturwandels“
Die Folgen eines möglichen Verbotes der Anbindehaltung beschreibt die Bayern-SPD als „dramatisch“: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft würde sich rasant beschleunigen, kleine und mittelständische Betriebe müssten aufgeben, weil sie die nötigen Stallumbauten nicht finanzieren können. „Ein Verbot der Anbindehaltung trifft die bayerische Landwirtschaft dort wo es am schmerzlichsten ist – in der Kleinteiligkeit“. Die Bayern-SPD sieht den schwarz-grünen Antrag aus Hessen deshalb als „Anheizer des Stukturwandels“.
Beschluss auf unbestimmte Zeit vertragt
Dass ein Verbot vor allem die kleinen bäuerlichen Landwirtschaftsbetriebe – also das Grüne Idealbild – treffen würde, scheint im Bundesrats-Agrarausschuss wohl noch zu „Beratungsbedarf“ geführt zu haben: Mit dieser Begründung hat der Ausschuss – auf Antrag des rot-grün-regierten Niedersachsen – jedenfalls am 30. November die Vertagung der Entscheidung über ein Verbot ohne neuen Termin beschlossen.
Hessen ist mit seinem Antrag damit bereits zweimal gescheitert: Auch in der Konferenz der Länderagrarminister im März 2015 in Bad Homburg (damals noch unterstützt von Schleswig-Holstein) gab es keinen Beschluss.
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