Schlechte Fruchtbarkeit: Kälber schon im Muttertier „falsch“ programmiert

Prof. Geert Opsomer (Universität Ghent). (Foto: © WiSiTiA/aw)

Wie können Praktiker mit Fruchtbarkeitsproblemen bei hochleistenden Milchkühen umgehen? Fakt ist: Die Erstbesamungsergebnisse bei Milchkühen haben sich in den letzten 60 Jahren dramatisch verschlechtert. Schon die Kälber würden im Muttertier auf schlechtere Fruchtbarkeit programmiert, sagt Professor Geert Opsomer.

von Annegret Wagner

Hochleistungskühe stehen immer wieder in der Kritik: Die durchschnittliche Milchleistung der Kühe hat sich seit den fünfziger Jahren mehr als verdoppelt. Fakt ist aber auch: Insgesamt haben sich die Erstbesamungsergebnisse bei Milchkühen in der gleichen Zeit dramatisch verschlechtert, stellte Prof. Geert Opsomer von der Universität Ghent (Belgien) auf dem 9. Leipziger Tierärztekongress fest.
Die jahrzehntelange einseitige Selektion auf hohe Milchleistung habe wesentlich dazu beigetragen, dass Fruchtbarkeitsmerkmale nicht genügend beachtet wurden. Erst seit wenigen Jahren konzentrierten sich die Züchter mehr auf Langlebigkeit und Robustheit.

Milchleistung und Fruchtbarkeit – eine gegenläufige Entwicklung. (Folie: © G. Opsomer/Ghent – Leipziger Tierärztekongress 2018)

Kälber schon im Muttertier auf schlechte Fruchtbarkeit programmiert

Der wohl interessanteste Aspekt in Opsomers Ausführungen: „Kälber werden oft schon im Muttertier auf schlechtere Fruchtbarkeit programmiert.“ Das passiere, wenn die Mutter sich während der ersten 110 Tage der Trächtigkeit in einem Energiedefizit befindet, beziehungsweise aufgrund anderer Stresssituationen (z.B. Hitze) den Fetus nicht ausreichend gut ernähren kann. Es handele sich also in diesen Fällen um ein generationenübergreifendes Phänomen, das in den nächsten Jahren genauer untersucht werden müsse.

Schon die pränatale Entwicklung des Kalbes beeinflusst seine spätere Fruchtbarkeit als Kuh. (Folie: © G. Opsomer/Ghent – Leipziger Tierärztekongress 2018)

Zu klein und zu sensibel gegenüber Insulin

Eine Hypothese besagt: Die Kälber hochleistender Müttern sind zur Geburt kleiner und weisen eine höhere Sensibilität gegenüber Insulin auf, als Kälber von weniger gestressten Tieren. Die Kälber holen den Größenunterschied zu ihren Artgenossen zwar wieder auf, lagern aber häufig mehr Fett ein und entwickeln dann eine Insulinresistenz. Diese Insulinresistenz macht die Tiere im späteren Leben unter Stress anfällig für Stoffwechselentgleisungen und Fruchtbarkeitsstörungen.
Geert Opsomer betonte daher mehrfach, dass eine ausreichend hohe Energieversorgung von Milchkühen in der Hochlaktation nicht nur positiv für deren eigene Fruchtbarkeit ist, sondern auch die künftige Fruchtbarkeit der ungeborenen Kälber verbessert.

Unbefriedigende Behandlungsmöglichkeiten subklinischer Metritiden

Ein weiterer wesentlicher Faktor im Bezug auf Fruchtbarkeitsstörungen sind laut Opsomer klinische und subklinische Metritiden. Sie sind durch eine Erhöhung der Entzündungswerte nachzuweisen und entstehen durch Wechselwirkungen zwischen Wirt, Erreger und Umwelt. Es gibt keinen vorherrschenden Erreger im Bezug auf subklinische Entzündungen. Die Behandlung von subklinischen Metritiden ist daher häufig nicht befriedigend, denn sowohl die Gabe von Antibiotika oder PgF 2ɑ als auch von NSAIDs wurde in unterschiedlichen Studien entweder als effektiv oder wirkungslos beschrieben.
Neuere Therapien arbeiten mit Phagen, Prä- oder Probiotika (v.a. Lactobacillen) oder Impfungen doch in der Regel fehlen noch belastbare Studien. Auch für Metritiden gilt: Je besser das Tier versorgt wird, desto geringer ist die Krankheitsanfälligkeit.

Schmallenberg und Blauzunge nicht vergessen

Schlechte Fruchtbarkeit von Milchkühen kann auch mit verschiedenen Erkrankungen im Zusammenhang stehen. BHV1 und BVD/MD spielen in Deutschland keine wesentliche Rolle mehr. Anders sieht es aber für Neospora caninum sowie das Blauzungen- und das Schmallenberg-Virus aus. Alle drei Erreger lassen sich mittels Blutuntersuchung nachweisen.

Säulen guter Fruchtbarkeit nach Opsomer

Prof. Geert Opsomer (Universität Ghent). (Foto: © WiSiTiA/aw)

Opsomers Fazit:

  • Eine gute energetische Versorgung während der Trächtigkeit und in der Hochlaktation, eine hygienische Geburt und eine präzise Brunstbeobachtung sind die wichtigsten Säulen für eine gute Fruchtbarkeit.
  • Bei der Brunstbeobachtung helfen in größeren Betrieben Brunsterkennungssysteme effektiv den optimalen Besamungszeitpunkt zu bestimmen.
  • Synchronisationsprogramme sieht der belgische Kollege als ein weiteres Hilfsmittel, um die Fruchtbarkeit zu verbessern.
  • Ebenfalls einen positiven Effekt hat die Auswahl von Bullen mit einer guten Fruchtbarkeit und die Spermaqualität sowie das Können des Besamers .
  • Subklinische Endometriden gehören zu den häufigsten Ursachen für eine schlechte Fruchtbarkeit und sollten per bakterieller Untersuchung abgeklärt werden.

Offenlegung: Der Leipziger Tierärztekongress 2018 war von Dezember bis zum Veranstaltungstermin Sponsorpartner von wir-sind-tierarzt.de

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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