Ausländische Investoren kaufen große Kliniken. Doch wie steht es mit den Chancen, für eine normale Praxis einen Nachfolger zu finden? Immerhin 37 Prozent der Praktiker sind schon älter als 50. Das bedeutet: In den nächsten Jahren werden etwa 5.000 Nachfolger gesucht. Ein Erfahrungsbericht mit Fakten aus der Praxisvermittlung von unserem Partner TVD-Finanz.
von Gerd-Dieter Gudd*, TVD Finanz
(Erstveröffentlichung: 17.2.2016)
Das nahende Rentenalter ist zwar der Haupt-, aber nicht mehr der alleinige Grund für eine Praxisabgabe oder Partnersuche. In jüngerer Zeit spielt auch anderes eine Rolle:
Tierärztinnen teilen sich die Praxisverantwortung in der Familienphase oft mit einer Kollegin in der gleichen Situation. Ein Ortswechsel zum/mit dem Lebenspartner bringt ebenfalls Bewegung ins Praxiskarussell. Wenn sich Praxispartner nicht mehr grün sind, bricht die Gemeinschaft auseinander – das gab es aber auch schon früher.
Aber auch Krankheit, Burnout und vorzeitige Todesfälle nehmen zu und führen unerwartet zu einer Situation, in der man sehr schnell handeln muss, um die Kunden und damit den Praxiswert zu erhalten.
Demografie-Faktor: 37 Prozent der Praktiker älter als 50
5.096 praktizierende Tierärzte sind bereits im Alter zwischen 50 und 59 Jahren, weitere 2.162 haben die 60 schon überschritten, sagt die aktuellste Deutsche Tierärztestatistik (2014 – die aber auch Angestellte mitzählt). Einige arbeiten sogar noch mit 70plus. Das bedeutet: 37 Prozent der praktizierenden Kollegen sind älter als 50. Demnach brauchen in den nächsten zehn Jahren wohl rund 5.000 Praxen einen Nachfolger – oder sie werden ihren Betrieb einstellen.
Trends: Frauen wollen Teams
Bei den Nutztieren ist der Trend zur Gemeinschaftspraxis mit zwei oder mehreren Inhabern ungebrochen. Hier wächst der Juniorpartner im Idealfall rechtzeitig in die Verantwortung hinein, während der Senior hinausgleitet.
Bei Kleintieren- und Pferden ist die Einzelpraxis noch weit verbreitet – oft mit einem Assistenten. Praxen mit zwei Inhaberinnen sind im Kommen – nicht zuletzt aufgrund der Feminisierung der Tierärzteschaft. Mit 82 Prozent haben die Frauen bei den praktizierenden Tierärzten in der Altersgruppe unter 39 Jahren die überwältigende Mehrheit (♀5.131 / ♂1.104). In der Selbständigkeit lassen sich Praxis und Familie für sie oft besser (weil selbstbestimmter) in Einklang bringen als in abhängiger Beschäftigung.
Faktor Ort: Alle wollen in die Stadt
Der Trend zum stadtnahen Wohnen mit kultureller Vielfalt und schulischen Angeboten macht sich auch bei Tierärzten bemerkbar. In Großstädten samt Speckgürtel und in prosperierenden Mittelzentren ist ein Praxisnachfolger leichter zu finden als in abgelegenen Landesteilen, die eventuell sogar von Einwohnerrückgang betroffen sind. Auf jeden Fall ist auf dem Land mehr Zeit und Geduld notwendig, um einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Weniger Neugründungen – mehr Übernahmen
Der sprichwörtliche weiße Fleck für eine Neugründung ist praktisch kaum noch zu finden. Da das Risiko einer Neugründung höher ist als eine Übernahme, spricht vieles dafür, sich als Existenzgründer verstärkt nach einer bestehenden Praxis umzuschauen. Das haben auch die jungen Tierärzte erkannt: Wenn das Ziel Selbständigkeit heißt, dann wollen 71 Prozent eine bestehende Praxis übernehmen. Mit vorzeigbarem Umsatz und Kundenstamm gelingt natürlich auch die Finanzierung leichter.
Realistische Preisvorstellungen entwickeln
Der Abgeber wiederum darf –wenn er einen guten Preis erzielen will – im Alter (ohne Nachfolger) nicht kürzer treten, seine Praxis also nicht Richtung Ruhestand langsam „runterfahren“. Er muss eine betriebswirtschaftlich optimal aufgestellte Praxis übergeben: Nicht das „Potential“ am Standort mit Blick auf alte Zeiten ist entscheidend, sondern der IST-Zustand. Das gilt auch für einen Investitionsstau, bei abgeschriebener Ausstattung.
Schwierig kann es werden (Stichwort Kapitalbedarf) wenn eine Immobilie mit verkauft werden soll. Das gilt auch für eine faire Miete – welche kalkulatorische Miete wurde etwa bisher in der eigenen Praxisbuchführung angesetzt?
Tipp: Fünf Jahre vor Ruhestand aktiv werden
Im Praxismarkt hat sich insgesamt ein Angebotsüberhang entwickelt. Der Verkauf einer Praxis beziehungsweise die rechtzeitige Suche nach einem Juniorpartner, der diese später übernimmt, braucht deshalb – abhängig vom Standort – durchaus seine Zeit. Selten klappt der erste Versuch.
Meine Empfehlung: Wer seine Praxis und seine Patienten in guten Händen wissen will, sollte mindestens(!) fünf Jahre vor dem geplanten Ruhestand aktiv werden. Mit professioneller Unterstützung gelingt es leichter und teure Fehler lassen sich vermeiden.
*Gerd-Dieter Gudd ist Mitbegründer unseres Kooperationspartners TVD Finanz und betreut seit 20 Jahren Tierärztinnen und Tierärzte in Versicherungs- und Finanzangelegenheiten – teilweise bereits in der zweiten Generation. Er hat in dieser Zeit viele innovative Projekte angestoßen, die den TVD-Kunden einen Mehrwert bieten: Tierarztstellenbörse, Praxisgründerseminare, Praxisvermittlung. In der täglichen Kundenbetreuung hat er ständig ein Ohr an der Basis und weiß, was Tierärzte bewegt. Kontakt: gerd-dieter.gudd(at)tvd-finanz.de