Baden-Badener Fortbildungstage erfinden sich neu

Was tun, wenn sich die Ansprüche der Kongress-Teilnehmer ändern? Die einen Veranstalter geben auf, die anderen gehen neue Wege. In diesem Jahr steht den Tierärzten in Baden-Baden eine kleine Revolution bevor. Mit zukunftsweisendem Key-Note-Thema und gestaffelten Levels der Fortbildungsangebote.

von Henrik Hofmann
(in Zusammenarbeit mit unserem Partner Thieme-Verlag – Erstveröffentlichung 9.2.2016)

BBF_2016_Logo1Jahrzehntelang galt Baden-Baden als der Praktikerkongress schlechthin. Doch Veranstalter Dr. Martin Schäfer musste erkennen: Das traditionelle Konzept traf nicht mehr den Nerv der Zeit. Für ihn war klar, dass die Veranstaltung eine neue Ausrichtung braucht, umgebaut werden muss. „Mit den ganz großen Kongressen können und wollen wir nicht konkurrieren, sie gehen immer mehr in die Breite. Das ist in Baden-Baden schon räumlich nicht möglich“, sagt der Bereichsleiter Tiermedizin beim gastgebenden Thieme Verlag. Sein Weg ist die Spezialisierung.
Mithalten wollte auch „Der Praktische Tierarztkongress“. Doch im vergangenen Jahr gab die Schlütersche den Kongress in Kassel auf. Zuletzt hatten die Veranstalter ein eher seichtes Programm für den Gemischpraktiker geboten – zum großen Teil auf Einsteigerniveau mit Themen zu allen Tierarten, Praxismanagement und Lebensmitteln.

Den Kleintierpraktiker gibt es nicht mehr“

Mittlerweile bestätigen auch Umfragen: Um einen Platz in der Kongresslandschaft behaupten zu können, sind neue Konzepte gefragt. So favorisieren viele Praktiker “spezialisierte Fachfortbildung” und “überregionale Kongresse mit breitem Angebot” – zumindest laut einer (nicht repräsentativen) wir-sind-tierarzt-Abfrage aus dem vergangenen Jahr.
Den überregionalen Markt dominieren dabei der Leipziger Tierärzte-Kongress und der bpt-Kongress. Bei den größeren spezialisierten Fachfortbildungen gibt es bislang nur Bielefeld. Diese Lücke scheint nun Baden-Baden schließen zu wollen. „Den klassischen Kleintierpraktiker gibt es immer weniger“, sagt Schäfer. „Heute haben wir Onkologen, Anästhesiologen, Katzen- und Heimtierspezialisten und viele andere Sparten mehr. Dementsprechend differenzieren wir das Angebot. Wir bieten Schienen für Einsteiger, allgemeine Kleintierpraktiker und Spezialisten an. -> bbf-kleintierkongress-programm

Baden-Baden 2016: „scharfkantige Differenzierung“

Begonnen haben die Veranstalter damit bereits im vergangenen Jahr. Damals mit kleinen Pannen. Etlichen Teilnehmern war das neue Konzept unbekannt und sie fanden sich unversehens „im falschen Film“. Die einen schliefen vor Langeweile, die anderen fühlten sich überfordert. Dieses Jahr soll nun die Differenzierung „scharfkantiger“ werden. „Wir haben uns gefragt: Welches ist der größte Schmerzpunkt für Berufsanfänger? Die Notfallmedizin wird im Studium häufig vernachlässigt“, sagt Schäfer, „was dazu führt, dass Berufseinsteiger meist mit gemischten Gefühlen ihren ersten selbstständigen Notfalldienst erwarten oder Notdienst mit purem Stress verbinden.“ Die normalen, breit aufgestellten Praxen mit zwei bis vier Tierärzten können im Prinzip alles. Aber: Die Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie entwickeln sich stetig weiter und mit der Zeit schleichen sich kleine Fehler ein. „Und diese Kollegen wollen wir mit dem konkret-Programm auf den neuesten Stand bringen. Für die Spezialisten haben wir die up2date-Veranstaltungen.“ Die Kollegen wissen schon sehr viel und werden auf einem noch höheren Level abgeholt.

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Neuerungen im Überblick

  • „Key-Note-Vorträge“ – zu Deutsch „Leitmotive“: Top-Thema für alle „Faszien“
  • Differenzierung nach Wissen: Berufseinsteiger – routinierte Kleintierpraxis – up2date
  • Referenten, die aus der Praxis wissen, worum es geht (z.B. Stefan Gabriel, Rico Vannini oder Jutta Hein)
  • „Pferd wird gestrichen!“

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Neue Tätigkeitsfelder?

Ein wirkliches Novum in der Tiermedizin sind die „Key-Note-Vorträge“. Als aktuelles Thema werden die „Faszien“ vorgestellt, ein bislang in der Tiermedizin kaum bis gar nicht beachtetes Feld. Faszien bilden ein körperweites Spannungsnetzwerk, das jeden Muskel sowie jede einzelne Muskelfaser umhüllt und mit anderen Strukturen verbindet. In der Humanmedizin sind Faszien und ihre Rolle im Schmerzgeschehen ein ungeheuer wichtiges Thema. Dr. Robert Schleip, Humanbiologe und Faszienforscher an der Universität Ulm, gibt Tierärzten einen ersten Einblick in die Welt der Faszien und erläutert Hintergründe und Therapiemöglichkeiten. „Denn das reich mit Nerven durchzogene bindegewebige Netzwerk ist für gut funktionierende Bewegungsabläufe viel wichtiger als bisher gedacht“, so die Veranstalter. Die Brücke zur Tiermedizin schlagen Orthopäde und Chirurg Dr. Daniel Koch und Dr. Martin Fischer, Autor des Buches „Lahmheitsuntersuchung beim Hund“ zusammen mit dem Humanmediziner Dr. Werner Klingler.

-> bbf Faszination Faszien

Hinter Martin Schäfer und dem Baden-Baden-Kongress steht der Thieme-Verlag. Wer dessen Angebot ein wenig verfolgt, weiß, dass dem Verlagshaus die immer tiefer in die Tiermedizin eindringenden Spezialisten als Referenten zur Verfügung stehen und so interdisziplinär Themen aufgearbeitet werden können. Und das macht den besonderen Charme der Key-Note-Vorträge aus.

Wenn Patienten nicht selbständig fressen

Vielversprechend sind auch die TFA-Fortbildungen. Hier wird eine breite Palette wichtiger Themen gesetzt. „Assisted Feeding- wenn Patienten nicht selbständig fressen“, ist vor allem bei schwerkranken Katzen wichtig. Antje Blättner gibt den TFAs das Rüstzeug, wie sie „ihre“ Praxis auch wirtschaftlich zum Erfolg führen.

Im Jahr 2 der Verjüngungskur der Baden-Badener Fortbildungstage wird sich zeigen, in wie weit die letztjährigen und auch aktuellen Neuerungen von den Kollegen und der Industrie angenommen werden. Einige Veranstaltungen sind bereits ausgebucht – und die Frage eines Kollegen in Leipzig, ob es denn „neben Leipzig und Baden-Baden noch andere große Kongresse“ gibt, lässt jedenfalls einiges erwarten.

Anmeldung und weitere Informationen hier: Baden-Badener Fortbildungstage 2016 – 7. bis 9. April

Baden-Baden damals

Baden-Baden hat eine lange Vergangenheit seit seiner Gründung durch Dr. Horst Hagenlocher im Jahre 1989. Wir haben ein paar Bilder aus den vergangenen 13 Jahren zusammen gestellt. Viel Spaß dabei!

 

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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