Zwei Tierärzten aus Hessen werfen die Behörden „Täuschungshandlungen im Rahmen von tiergesundheitsrechtlich vorgeschriebenen Bestandsuntersuchungen“ vor. Sie hätten jeweils BHV1-Blutproben eines Tieres aufgeteilt und als Proben mehrerer Tiere des Bestandes ausgegeben. Das Regierungspräsidium Darmstadt stellt Strafanzeige.
Beitrag aktualisiert: 13.5.2020 – 12:05 Uhr
(jh) – Konkret wirft das zuständige Regierungspräsidium (RP) Darmstadt zwei Tierärzten aus Hessen Betrug vor, berichtete zuerst die Hessische Landestierärztekammer. Das RP Darmstadt hat dies inzwischen (13.5.2020) bestätigt:
Die beiden Nutztierpraktiker hätten jeweils, anstatt von allen untersuchungspflichtigen Tieren einer Herde Einzelblutproben zu entnehmen, das Blut von einzelnen Tieren in zahlreiche Probenröhrchen abgefüllt und diese dann als Blutproben diverser untersuchungspflichtiger Tiere eines Bestandes ausgegeben. Die beiden Tierärzte arbeiten in unterschiedlichen Praxen. Die Fälle sind aber in einem hessischen Landkreis aufgefallen. Sie betreffen Probenentnahmen im Februar und März 2020. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist nicht belegt.
Entdeckt im Labor
Entdeckt wurde die Täuschung, weil in einem Fall die ursprüngliche Einzelprobe eines Tieres positiv auf Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1) war. Da diese Probe „aufgeteilt“ und mehreren Tieren zugeordnet worden war, galt so plötzlich eine Vielzahl der Tiere des Bestandes als „infiziert“. Dass es sich um nur eine Ausgangsprobe handelte, hatte man dann bei der Kontrolle durch gentechnische Nachuntersuchungen im Labor festgestellt.
Strafrechtliche Ermittlungen
Da im Falle der BHV1-Diagnostik das Land Hessen die Untersuchungskosten trägt, hat das RP Darmstadt in einem Fall bereits Strafanzeige wegen Verdachts des Betruges zu Lasten des Landes gestellt. Eine zweite ist in Vorbereitung.
Auch seien beide Tierärzte mit sofortiger Wirkung von weiteren Tätigkeiten im amtlichen Auftrag ausgeschlossen.
Durch die nicht rechtskonforme Probennahme seien die Untersuchungen wertlos und sie verursachten außerdem hohe Folgekosten. Zusätzlich hat die Behörde für beide Fälle eine approbationsrechtliche Prüfung eingeleitet.
Schaden für den ganzen Berufsstand
„Täuschungshandlungen bei der Probennahme in Tierbeständen gefährden nicht nur die Tiergesundheit, sondern auch das Ansehen des tierärztlichen Berufstandes insgesamt,“ sagt Dr. Ingo Stammberger, Präsident der Hessischen Landestierärztekammer: „Derartiges Verhalten geht zu Lasten aller ordnungsgemäß arbeitenden Praktiker.“
Die ordnungsgemäße Blutprobenentnahme durch praktizierende Tierärzte im amtlichen Auftrag spielt eine entscheidende Rolle in der Tierseuchenbekämpfung. Ob auch die Kammer berufsrechtlich gegen die beiden Praktiker vorgehen wird, werde nach Abschluss der strafrechtlichen Aufarbeitung der Fälle entschieden.
Hessen lässt BHV1-Proben künftig per Stichprobe nachuntersuchen
In Hessen will man die Fälle zum Anlass nehmen, die rechtskonforme Probennahme bei Herdenuntersuchungen künftig im Labor vermehrt stichprobenartig zu überprüfen. Bisher seien diese zwei Fälle aufgefallen.
Durch moderne genetische Untersuchungstechniken seien Verstöße heute leicht und kostengünstig zu erkennen sowie gerichtsfest zu dokumentieren. Aufgedeckte Täuschungen bei der Blutprobenentnahme in Tierbeständen können dann ernste arbeitsrechtliche, strafrechtliche, standesrechtliche und approbationsrechtliche Konsequenzen haben.
BHV1 auch in NRW Thema für Gerichte
Infektionen mit dem Bovinen Herpesvirus Typ 1 (BHV1) bei Rindern führen zu hohen wirtschaftlichen Verlusten in der Milch- und Fleischproduktion. Deutschland hat in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um den seit 2017 geltenden Status als BHV1-frei zu erreichen und zu halten. Der erleichtert die Vermarktung von Erzeugnissen und den Tierverkehr erheblich.
Gleichzeitig besteht in BHV1-freien Gebieten aber auch ein Impfverbot. Deshalb sind Rinderbestände für eine BHV1-Neuinfektion besonders empfänglich und es erfolgen regelmäßige Bestandsuntersuchungen. Einmal infizierte Tiere bleiben lebenslang latent infiziert und können weiterhin das Virus produzieren und verbreiten, auch wenn typische Krankheiten nicht mehr ausbrechen. Bei einem positiven Befund in Gebieten, in denen nicht geimpft werden darf, sieht die BHV1-Verordnung die Merzung der Bestände vor, um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
So wurden 2019 in NRW und Schleswig-Holstein mehrere BHV1-infizierte Bestände entdeckt. Die angeordnete Tötung der Tiere hatte zu Bauernprotesten sowohl von Verbänden als auch auf der Straße geführt (Berichte hier oder hier). In NRW ziehen betroffenen Betriebe gegen die Tötungsanordnung durch mehrere Instanzen vor Gericht – haben aber bisher immer verloren.